Bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid vermisste Fernsehkommentator Bruno Moravetz im 15-km-Rennen den deutschen, aufstrebenden Skilanglaufstar Jochen Behle im Bild und seufzte jenen später legendären, herrlich verzweifelt-wütenden Spruch ins Mikrofon: „Wo ist Behle?“ Nun, in diesen Tagen würde ich es ihm leicht abgewandelt gerne nachtun: „Wo ist Scholz?“ Der deutsche Bundeskanzler scheint es seinen Vorgängern Helmut Kohl und Angela Merkel nachtun zu wollen, die Dinge gerne aussaßen und mitunter völlig abtauchten, bis sie sich sicher sein konnten, wie sie sich entwickeln würden und dann wieder auf der Bildfläche erschienen.
Unverständnis wächst
Nun, das ist in diesen Tagen keine gute Wahl. Denn das Unverständnis ob der Haltung Deutschlands im Ukraine-Krieg wächst von Tag zu Tag unter den westlichen und vor allem östlichen Alliierten. Sie wollen dringend Handeln auf deutscher Seite sehen, sei es in Sachen Embargo gegen Russland, sei es bei der Lieferung von – vor allem schweren – Waffen an die Ukraine. Wenig Verständnis bringen sie Deutschland mittlerweile entgegen, dass es unserem Land wichtiger scheint, Wirtschaft und Wohlstand zu schützen und zu wahren als Freiheit und Leben der Ukrainer. Und das, obwohl Deutschland mit seiner verfehlten Ost- und Energiepolitik die Ukraine erst in seine missliche Lage gebracht hat. Selbst das winzige Estland hat mit einem Umfang von 222 Millionen Euro im ersten Quartal 2022 mehr Waffen an das osteuropäische Land geliefert als wir (186 Millionen Euro). Mit der aktuellen Haltung verlieren wir das Ansehen der westlichen Verbündeten und isolieren uns mehr und mehr. Schon jetzt ist absehbar, dass uns bei künftigen wichtigen Fragen beispielsweise im Umwelt- und Klimaschutz die anderen europäischen Staaten Deutschland im Zweifelsfall die kalte Schulter zeigen werden.
Steinmeier-Gate
Es ist daher dringend geboten, dass Kanzler Scholz Flagge zeigt, den verletzten Stolz nach dem „Steinmeier-Gate“ herunterschluckt und vor allem den Weg nach Kiew findet. Und endlich einem völligen Energieembargo mit Swift-Ausschluss von Russland zustimmt, denn die Folgen werden für Deutschland nach der Einschätzung vieler Ökonomen – abgesehen von den wirtschaftsnahen – tragbar sein. Selbst Italien, ähnlich betroffen wie Deutschland von einem möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland, hat mittlerweile Zustimmung zu einem Embargo signalisiert.
Scholz schickt lieber aber Kanonenfutter in die Schlacht, die er nicht schlagen will. So wurde Bundesbauministerin(!) Klara Geywitz diese Woche nach allen Regeln der Kunst von Talkmaster Markus Lanz über die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine telegen auseinandergenommen. Ganz am Rande eine Ehrenrettung für die deutsche Journaille, die sich derzeit ebenso wenig mit Ruhm bekleckert wie die deutsche Politik. Ich vermisse zum Beispiel Berichterstatter vor Ort in den umkämpften Gebieten oder detaillierte, aktuelle Analysen der militärischen Lage. Es ist eben nicht damit getan, im relativ sicheren Lemberg die 177. geflüchtete Familie zu interviewen – wo ist da der Erkenntnisgewinn? Leider finde ich entsprechende Informationen eher bei ausländischen Medien sowie – und das tut mir ganz besonders weh – am ehesten noch bei Bild TV. Springer hatte dazu kurz nach Ausbruch der Kämpfe Ende Februar eigens den Stellvertretenden Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer ins Kriegsgebiet um Kiew beordert.
Kein guter Lauf
Doch zurück zur Regierung. Die hatte kurz nach der verhinderten Kiew-Reise Steinmeiers die Außenpolitiker Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Michael Roth (SPD) in die ukrainische Hauptstadt gesandt. Warum eigentlich nicht Außenministerin Annalena Baerbock? – fragt man sich einerseits. Andererseits ist es schon erstaunlich, dass alle drei parteiübergreifend für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine sind, aber trotzt des Reiseauftrags anscheinend nicht zu ihrem eigenen Chef durchdringen. Allerdings entwaffnend war, was der SPD-Mann Roth Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni nach seiner Rückkehr aus Kiew erzählte. Zum einen wüsste er jetzt, was Krieg bedeutet. Aha, wo war der Mann in den vergangenen 51 Jahren seines Lebens eigentlich? Zum anderen sah er durch den Persona-non-grata-Fall Steinmeier jenen „Lauf“ zerstört, den der westliche Zusammenhalt in der Ukraine-Frage gerade gehabt hätte. Nun ja, das ist relativ. Zum einen rumort es wegen der Haltung Deutschlands hinter den westlichen Kulissen ordentlich. Zum anderen hat die Ukraine im Moment überhaupt keinen guten Lauf, es sterben auch wegen der deutschen Untätigkeit dort momentan tausende Menschen und werden ganz Großstädte dem Erdboden gleich gemacht. Die Ukraine braucht schnell Waffen, sonst mündet die nächste russische Offensive entweder in eine Niederlage der Verteidiger oder in einen monate- bis jahrelangen Stellungskrieg wie im Donbass. Denn eigentlich wäre das Momentum gerade auf Seiten der Ukrainer nach dem Sieg bei Kiew und im Nordosten. Jetzt benötigen sie allerdings Offensivwaffen, um die Russen aus dem Land zu drängen. Jetzt, und nicht in einem Jahr, wenn Deutschland sein Energieproblem gelöst und die Frage der Waffenlieferungen ausdiskutiert hat.
Wie tief willst du noch sinken?
Man stelle sich folgenden natürlich absurden Fall vor: Polen würde Deutschland überfallen und Frankreich auf die Bitten Deutschlands nach Waffenhilfe antworten, man müsse das erst alles prüfen und befürchte daraus überdies wirtschaftliche Schäden. Ich glaube, dies käme nicht wirklich gut an in Deutschland. Nun, so fühlt sich die Ukraine im Momentan aufgrund unserer Haltung. Zugegeben, das Auftreten des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk ist derzeit alles andere als diplomatisch. Aber ich kann den Mann verstehen, er versucht dieses Land und seine Politiker verzweifelt aufzuwecken, was mit diplomatischen Noten anscheinend nicht mehr möglich ist. Wie singen die Böhsen Onkelz in ihrem Lied „Wie tief willst du noch sinken“: „Ja, diese Worte sind krass, verletzend und laut. Doch nur wenn man schreit weckt man Tote auf.“ Titel und Text passen irgendwie treffend zur derzeitigen deutschen Politik, wie ich finde.
Die Unruhe wächst
Wenn die deutsche Politik nicht aufpasst, läuft sie zudem womöglich schon bald in eine handfeste innenpolitische Krise. Die Kritik der kleinen Koalitionspartner an der Haltung von SPD und Scholz wächst derzeit. Und auch die Opposition hat sich aus ihrer Lethargie nach der krachenden Wahlniederlage vom letzten Herbst erholt und wird munterer. Von alledem kann nur die AfD profitieren, lässt sich befürchten. Es wird unruhig werden, um Deutschland in den nächsten Jahren, das prophezeie ich an dieser Stelle schon einmal.
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