Was nicht passt, wird passend gemacht

Anpassen ist besser als nichts tun. Unter dieser Prämisse kündigen Iveco und Gruber Logistics im Rahmen ihrer Nachhaltigkeits-Partnerschaft die ersten LNG-Schwer- und Sondertransporte mit bis zu 50 Tonnen Ladungsgewicht an. Und zwar mit Iveco S-Way LNG-Zugmaschinen und teilweisem Einsatz von Bio-LNG.

Gruber Logistics versucht Schwerlast-Transporte mit bis zu 50 Tonnen Ladungsgewicht mit Iveco S-Way LNG-Sattelzugmaschinen. Diese sind als Low-Deck-Zugmaschinen und 3,36er Hinterachsen besonders kurz übersetzt. Herausforderungen sind die spezielle Routenplanung und die spezielle Motorcharakteristik des Gasmotors nach dem Otto-Prinzip. Foto: Iveco
Gruber Logistics versucht Schwerlast-Transporte mit bis zu 50 Tonnen Ladungsgewicht mit Iveco S-Way LNG-Sattelzugmaschinen. Diese sind als Low-Deck-Zugmaschinen und 3,36er Hinterachsen besonders kurz übersetzt. Herausforderungen sind die spezielle Routenplanung und die spezielle Motorcharakteristik des Gasmotors nach dem Otto-Prinzip. Foto: Iveco
Robert Domina

Unter Schwer- und Sondertransporten versteht man den Transport von Gütern auf der Straße mit Überschreitung der von der Straßenverkehrsordnung festgelegten Grenzen in Bezug auf Gewicht, Abmessungen und/oder der Sicherheit. Eine Ausnahmegenehmigung ist daher in den meisten Fällen erforderlich.

Für Standardlasten von bis zu 24 Tonnen (entspricht zirka 40 t Gesamtgewicht) gehen Iveco und Gruber Logistics davon aus, dass die Leistungsfähigkeit von mit LNG betriebenen Fahrzeugen für den Schwerlastverkehr mit der von Dieselfahrzeugen absolut vergleichbar sei.

Es bestehe jedoch ein Unterschied in der Leistungscharakteristik von Erdgas-Motoren mit Fremdzündung nach dem Otto-Prinzip. Die geringere Verdichtung und daraus resultierend auch ein geringeres Drehmoment erfordert ein etwas höheres Drehzahlniveau, um entsprechende Nennleistungen zu generieren. Iveco umschreibt es so: Dies wirke sich auf die Durchzugsfähigkeit der Fahrzeuge aus, etwa auf Straßen mit bergiger Topographie oder mit Lasten jenseits der gängigen 40 Tonnen Gesamtgewicht.

Um diese Einschränkungen zu überwinden, verfolge Gruber Logistics einen neuen Ansatz, um seine LNG-Zugmaschinen auch unter erschwerten Bedingungen einsetzen zu können. Dabei gehe es darum, eine für die Iveco-LNG-Trucks geeignete Streckenführung zu wählen also unter Vermeidung starker Steigungen und Gefälle. Darüber hinaus solle die Betankung mit Bio-LNG präferiert werden, um so häufig wie möglich CO2-neutral unterwegs sein zu können. Erst voriges Jahr nahm eine Partnerschaft von Gruber Logistics, APS Fuel und HAM eine LNG-Tankstelle im Brenner-Korridor in Betrieb, die getrennt konventionelles und Bio-LNG bereitstellt.

Auf Nachfrage von Transport bestätigt Iveco, dass auch die Tankstellendichte insbesondere in Deutschland nach wie vor eine Herausforderung für LNG-User darstelle. Auch deswegen kämen die Gruber-Trucks nur auf speziellen Routen im Rundlauf zum Einsatz. Diese logistischen Herausforderungen gingen offenbar so weit, dass zuerst eine geeignete Strecke spezifiziert wird und danach der richtige Kunde dafür.

Michael Gruber, Leiter der Division XTL bei Gruber Logistics, meint dazu:

„Oft konzentrieren wir uns zu sehr auf die Probleme statt auf die Lösungen. LNG und Bio-LNG lassen sich im Segment der Schwer- und Sondertransporte ohne weiteres großflächig einsetzen, aber dazu müssen wir die Arbeitsweise, die Routen, den Fahrstil und so weiter ändern. Diese und andere Elemente müssen in Angriff genommen werden, um ökologische Innovationen im großen Stil auch in Bereichen erfolgreich anzuwenden, in denen wir das bis gestern nicht für möglich gehalten haben.“

Nach einer ersten Testphase seien nun von Kreuztal aus, einem der Hauptstandorte von Gruber Logistics in Deutschland, LNG-Fahrzeuge auf den Strecken zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich in Betrieb genommen worden. Das Gewicht der transportierten Ladungen variiert dabei zwischen 30 und 50 Tonnen. Wie auf dem Bild zu sehen, kommen für die Schwerlast-Relationen bei Gruber ausschließlich Low-Deck-Varianten des Iveco S-Way LNG mit 460 PS zum Einsatz. Dieser Umstand und die sehr kurz gewählte Hinterachs-Übersetzung von 3,36 ermöglichten ein adäquat hohes Drehzahlniveau um mit den schweren Lasten zurecht zu kommen.

Kommentar

Verhagelt

von Robert Domina

Kein Zweifel, bei Gruber Logistics im südtirolischen Auer macht man sich Gedanken. Der von Michael Gruber geschilderte Ansatz hat Charme: Warum nicht die LNG-Ivecos im Fuhrpark auch für schwerere Gewichte einsetzen? Ist dabei Bio-LNG als Treibstoff im Spiel, geschieht das sogar CO2-neutral - Chapeau.

Aber ist das Ganze auch wirtschaftlich? Der LNG-Preis liegt heute (16.02.2022) bei sage und schreibe 1,99 €, Diesel liegt bei 1,60 €. Die Zeiten, in denen LNG jahrein, jahraus für „‘nen Euro“ zu haben war, sind vorbei. Der Preis für fossiles LNG hat sich schlicht verdoppelt.

Dazu kommt, dass Gruber seine LNG-Schwerlast-S-Way sehr kurz übersetzen muss, um adäquate Fahrleistungen zu erzielen. Ich hab’s mal durchgerechnet: Bei der gängigen 295/55er Low-Deck-Bereifung und der von Iveco genannten 3,36er Hinterachs-Übersetzung, käme der LNG-S-Way auf die sagenhafte Drehzahl von 1.770 Umdrehungen bei 85 km/h im höchsten, direkten Gang, bei Verwendung eines Direktganggetriebes. Das macht natürlich überhaupt keinen Sinn, bedenkt man, dass heute beim Diesel Marschdrehzahlen (bei 85 km) von knapp 1.100 Touren die Regel sind.

Deshalb werden die Low-Decks wie üblich mit einem Overdrive-Getriebe, mit ins Schnelle übersetzten, höchsten Gang, versehen. Aber selbst dann drehen die LNG S-Way mit dieser kurzen Übersetzung noch 1.360 Umdrehungen bei 85. Das sind 150 Umdrehungen mehr als ein 460 PS LNG-S-Way für den Fernverkehr. Der Fahrstil wird hier, wie Michael Gruber ganz richtig bemerkt, entscheidend für die Verbrauchs-Statistik. Die Verbräuche, die Gruber mit so einem Antriebsstrang erzielt, dürften aber dennoch weit über denen eines normalen Fernverkehrs-LNG-S-Way liegen (im Transport-Test: 23,8 kg/100 km nur Autobahn, 40 Tonnen GG.). Aber bitte - das ist nur eine Vermutung meinerseits. Der hohe LNG-Preis derzeit ist dagegen Fakt. Und dürfte die Wirtschaftlichkeits-Rechnung gehörig verhageln.

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