Verspätet, beschädigt, verloren: Zehntausende Bürger beschweren sich über Postdienstleister

(dpa-AFX) Im Vergleich zu 2021 hat sich die Zahl der Beschwerden fast verdoppelt. Ein Großteil der Kritik richtet sich gegen die Deutsche Post.

Die Bundesnetzagentur rechnet bis Ende des Jahres mit rund 40.000 Beschwerden. 90 Prozent davon richten sich gegen die Deutsche Post. (Foto: DHL)
Die Bundesnetzagentur rechnet bis Ende des Jahres mit rund 40.000 Beschwerden. 90 Prozent davon richten sich gegen die Deutsche Post. (Foto: DHL)
Christine Harttmann

Verspätete, beschädigte oder verloren gegangene Briefe und Pakete sorgen bei vielen Bundesbürgern für Frust. Bis zum Jahresende werde man wohl deutlich mehr als 40.000 Beschwerden erhalten haben, sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, am Mittwoch in Bonn. Der Vorjahreswert von 43.512 dürfte nach der Prognose der Netzagentur fast erreicht werden. Das ist bemerkenswert, schließlich war es 2022 ein Rekordwert gewesen - fast drei Mal so hoch wie 2021 (rund.15 000). Die Kritik richtet sich zu knapp 90 Prozent gegen den Marktführer Deutsche Post, der Rest gilt den Wettbewerbern.

Den Beschwerdezahlen zufolge hat sich die Lage seit vergangenem Jahr nur unwesentlich verbessert. Allein in den ersten zwölf Tagen des Dezembers 2023 gingen rund 3.300 Beschwerden ein. Geht es in dem Tempo weiter, wird der Vormonatswert übertroffen.

Ein Post-Sprecher sagt hierzu, dass die Sendungsmengen in der Weihnachtszeit sehr hoch seien und es zudem viele Krankmeldungen gebe, die man „nicht immer in vollem Umfang durch Personalreserven kompensieren“ könne.

Die hohen Krankenstände sind angesichts der aktuellen Grippe- und Erkältungswelle zwar ein plausibler Grund. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum das Personalpolster so dünn ist, dass Krankheitsfälle nicht ausgeglichen werden können. Gewerkschafter monieren, dass der Bonner Konzern an manchen Standorten personell auf Kante genäht sei, um möglichst niedrige Kosten zu haben.

Beschwerdeanteil am Sendungsaufkommen ist sehr gering

Nach Darstellung des Post-Sprechers ist die Lage „deutlich stabiler“ als vor einem Jahr.

„Mehr als 95 Prozent der Briefe und mehr als 93 Prozent der Pakete erreichten ihre Empfänger auch im November zuverlässig innerhalb von zwei Tagen nach Versand.“

Tatsächlich ist der Beschwerdeanteil an den in Deutschland transportierten Brief- und Paketen verschwindend gering, im Jahr 2022 waren es insgesamt rund 15 Milliarden Sendungen. Allerdings dürfte es auch viele Bürger geben, die negative Erfahrungen machen und sich trotzdem nicht bei der Aufsichtsbehörde beschweren.

Kürzlich sorgte ein Vorfall in München für Aufsehen. Dort warf ein Postbote Polizeiangaben zufolge knapp 1.000 Briefe in mehrere Mülltonnen und einen Kleidercontainer, anstatt sie zu den Empfängern zu bringen. Eine Anwohnerin sah das und alarmierte die Polizei.

Die Post reagierte, beendete das Arbeitsverhältnis und entschuldigte sich bei den Kunden. Die zunächst weggeworfenen Sendungen wurden nach Firmenangaben schließlich doch noch zugestellt. So etwas ist sicherlich ein extremer Einzelfall – Anlass zur Sorge über die Zustände in der Branche bietet er dennoch.

Postgesetzreform ist in der Mache

Die überraschend hohen Beschwerdewerte 2023 kommen für die Post zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn die Bundespolitik sitzt gerade an der Reform des veralteten Postgesetzes. Als Universaldienstleister muss sich der Bonner Konzern an Vorschriften halten, die mit hohen Kosten verbunden sind. So müssen mindestens 80 Prozent der heute eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag zugestellt sein. Das schaffte der Logistiker 2022 nur mit Ach und Krach, die Bundesnetzagentur kam auf einen Wert von 80,4 Prozent und damit 3,7 Prozentpunkte weniger als 2021. Durch den Zeitdruck muss die Firma Nachtflieger einsetzen, in denen nur Briefe befördert werden.

Einem ersten Reformentwurf zufolge soll diese Vorschrift künftig aufgeweicht werden. Das wäre gut für die Post, die Nachtflieger könnten eingespart werden. Schlecht hingegen wäre ein anderer Teil des Vorschlags des Bundeswirtschaftsministeriums, dem zufolge die Netzagentur der Post künftig Bußgelder aufbrummen darf. Bisher kann sie das nicht: Sie sammelt die Beschwerden und ermahnt die Post, aber ein wirkliches Druckmittel hat sie nicht.

Post stemmt sich gegen Bußgeldmöglichkeit

Wird der Bußgeldrahmen-Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums umgesetzt, bekäme Bundesnetzagentur-Präsident Müller ein schärferes Schwert an die Hand. Aber was brächten Bußgelder überhaupt, um das Problem zu lösen? Der frühere Post-Chef Frank Appel hatte hierzu einmal schmallippig angemerkt, das helfe auch nicht auf der Suche nach ausreichend Personal, der Arbeitsmarkt sei mancherorts nun mal leergefegt. Die Netzagentur könne der Post gern bei der Personalsuche helfen, hatte Appel gesagt.

Mit so einem Argument kann Netzagentur-Chef Müller wenig anfangen. Aus seiner Sicht ist die Bußgeldmöglichkeit nötig, um den Firmen finanziell Druck zu machen und sie zur Besserung zu bewegen.

„Idealerweise dienen Bußgeldandrohungen dazu, dass sie niemals zum Zuge kommen“, sagte Müller. „Bußgelder würden präventiv wirken.“

Bis zu zwei Prozent des globalen Umsatzes des Post-Konzerns DHL könnte das Bußgeld künftig betragen, so sieht es der Berliner Reformvorschlag vor. Die Post hält so einen Maximalwert für unangemessen. Behördenchef Müller merkt hierzu an, dass man immer verhältnismäßig vorgehe, auch weil Entscheidungen der Netzagentur ja vor Gericht Bestand haben müssten.

Aus der Politik kommt Kritik am Marktführer aus dem Rheinland.

„Die Post bekommt ihre Probleme nicht in den Griff“, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben mit Blick auf das weiterhin hohe Beschwerdeaufkommen.

Das Unternehmen habe offensichtlich keine Maßnahmen auf den Weg gebracht, die nachhaltig seien und die Situation dauerhaft verbesserten.

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