Verkehrsausschuss: BGL warnt vor englischen Verhältnissen

Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt fordert eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Fahrer. Dafür müssten „Fahrer-Nomadentum“ und Sozialdumping entschieden bekämpft werden. Zusammen mit anderen Branchenvertretern wendet er sich außerdem gegen die CO2-Maut. Ein Polizeivertreter fordert höhere Bußgelder und mehr Kontrollen.

Infolge des demographischen Wandels macht der Branche zunehmend der Fahrermangel zu schaffen. (Foto: AdobeStock)
Infolge des demographischen Wandels macht der Branche zunehmend der Fahrermangel zu schaffen. (Foto: AdobeStock)
Christine Harttmann

Fahrermangel, fehlende Lkw-Parkplätze und steigende Mautkosten – die Transport- und Logistikbranche hat aktuell mit so einigen Herausforderungen zu kämpfen. Das wurde in einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses des Bundestages mit verschiedenen Branchenvertretern deutlich.

Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), nutzte die Gelegenheit und warnte angesichts des sich verschärfenden Lkw-Fahrermangels vor einem Versorgungskollaps in Deutschland.

„In ein, zwei Jahren haben wir englische Verhältnisse aufgrund des demographischen Wandels“, prophezeite der Branchenvertreter.

Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU hatte die Anhörung mit ihrem Antrag „Güterverkehrs- und Logistikbranche aus der Krise führen“ auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses gehoben. Neben der schlechten Infrastruktur wollten die Parlamentarier die gestiegenen Preise, insbesondere die Energiepreise, und den Personalmangel thematisieren.

Zum Fahrermangel sagte Engelhardt, dass dieser inzwischen nicht mehr durch Osteuropa zu kompensieren sei, weil es ihn auch dort gebe. Der BGL-Vorstandsprecher forderte, Sozialdumping und Fahrer-Nomadentum entschieden zu bekämpfen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ein großes Problem für die Branche sei auch die Doppelbelastung durch die CO2-Maut und das Brennstoffemissionshandelsgesetz, die nicht hinnehmbar sei. Die CO2-Maut, so sagte er, werde keine Lenkungswirkung hin zu batteriebetriebenen Lkw haben,

„weil die Unternehmer keine solchen Fahrzeuge anschaffen können“.

Die Kostensteigerung werde schlussendlich beim Verbraucher landen.

Gegen die CO2-Maut wandte sich auch der Speditionsunternehmer Josef Dischner aus Weiding im Landkreis Cham (Bayern). Die Branche leide noch immer unter der Corona-Krise, der Unterbrechung der Lieferketten, steigender Energiepreise und der hohen Inflation.

„Zum aktuellen Zeitpunkt darf es keine weiteren Kostenerhöhungen geben“, betonte er. Die Situation sei in jeder Hinsicht sehr angespannt.

Auch Dischner sah keine Lenkungswirkung der CO2-Maut. Elektro-Lkw etwa seien schlichtweg nicht in der Lage, die von seinem Unternehmen durchgeführten Transporte auszuführen. E-Lkw hätten zehn bis 15 Prozent der Reichweiten eines Diesel-Lkw.

„Wir brauchen also deutlich mehr Reichweiten und eine funktionierende Infrastruktur“, sagte der Speditionsunternehmer.

Thomas Fiala, Polizeihauptkommissar im Polizeipräsidium Köln bei der Direktion Verkehr, sprach von einer suboptimalen Kontrolldichte des Lkw-Verkehrs. Immer öfter höre er, dass einzelne Fahrer zehn Jahre und länger nicht kontrolliert worden seien. Der fehlende flächige Kontrolldruck führe zu Wettbewerbsverzerrungen „zu Lasten deutscher Unternehmen“.

Zudem seien die deutschen Bußgelder im europäischen Vergleich „geradezu lächerlich und nicht abschreckend“, befand Fiala. Verstöße gegen die Abstandsregelung bei Lkw etwa seien europaweit nicht vollstreckbar, „im Gegensatz zur Parkknolle, die von Finnland bis Zypern ahndbar ist“. Unerträglich, so der Polizeibeamte, sei die Parkplatzsituation für Lkw. Der Parkplatzausbau müsse forciert werden, verlangte Fiala.

Aus Sicht von Ingo Hodea vom Bundesverband Spedition und Logistik hat sich die Branche in den verschiedenen Krisen als resilient erwiesen. Ein Kollaps sei nicht in Sicht, befand er. Gleichzeitig dürfe es aber auch kein „Weiter so“ geben.

Hodea machte deutlich, dass schon jetzt viele Spediteure verstärkt die Schiene nutzen würden, wenn es ausreichende Kapazitäten gäbe. Nach wie vor werde aber „in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft“ auch die Straße benötigt.

„Wir brauchen den Lkw in der Fläche und zur Versorgung urbaner Zentren“, sagte er.

Dort dürften ihm nicht Steine in den Weg gelegt werden - etwa in Form von Fahrverboten.

Christian Hoffmann, Präsident des Bundesamtes für Logistik und Mobilität, hält die in Deutschland möglichen Bußgeldhöhen nicht für zu klein. 1.250 Euro würden bei einem fahrlässigen Kabotageverstoß fällig - 2.500 Euro bei Vorsatz.

Auch Hoffmann ging auf den Fahrermangel und die zu verbessernden Arbeitsbedingungen ein. Insbesondere im Fernverkehr sei es misslich, wenn aufgrund fehlender Verabredungen zwischen Spediteur und ent- oder beladendem Unternehmen die Fahrer für Hilfstätigkeiten an der Verladerampe hinzugezogen würden.

Nach Einschätzung von Ronny Keller von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist der Fahrermangel nur durch gute Arbeitsbedingungen und einen attraktiven „Arbeitsplatz Lkw“ zu beseitigen. Es brauche eine auskömmliche Bezahlung und Arbeitsbedingungen, die durch Tarifverträge verbindlich gelten.

Ebenso brauche es aber auch menschenwürdige Rahmenbedingungen unterwegs auf der Straße und an den Raststätten. Keller forderte zugleich eine Tourenplanung, die einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf förderlich ist und Abwesenheitszeiten vom Wohnort durch kombinierten Verkehr sowie Begegnungsverkehr reduziert. Der Verdi-Vertreter plädierte zudem für den Ausbau von kombinierten Verkehren und eine nachhaltige Verlagerung von Transporten auf die Schiene und auf Wasserverkehrsstraßen.

Peter Westenberger, Geschäftsführer beim Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, forderte eine Abkehr von der „Schwarz-Weiß-Diskussion“ Straße oder Schiene. Er warb für die Attraktivitätssteigerung intermodaler Logistikketten. Dazu brauche es einen entschlossenen intermodal ausgerichteten Infrastrukturausbau sowie eine Anlastung der externen Kosten für die Treibhausgasemissionen über die Lkw-Maut.

Somit käme man zu einer diskriminierungsfreien Erfassung ausländischer Fahrzeuge, könne einen Anreiz zur Verbesserung der Auslastung setzen und schaffe Verwendungsmöglichkeiten für intermodal angelegte Verbesserungen des Transportangebots für die verladene Wirtschaft.

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