VDA-Kongress: Dekarbonisierung kommt. Nur wie?

In der Diskussion um die Dekarbonisieung des Verkehrs fragt heute kaum noch jemand Ob. Doch wie und vor allem wie schnell – da gibt es in der Branche durchaus unterschiedliche Meinungen.

Auf dem 23. Technischen Kongress des VDA gab es viele muntere Diskussionen. Bei der Dekarbonisierung des Verkehrs drehten sie sich vor allem um die Frage das Wie. (Foto: C. Harttmann)
Auf dem 23. Technischen Kongress des VDA gab es viele muntere Diskussionen. Bei der Dekarbonisierung des Verkehrs drehten sie sich vor allem um die Frage das Wie. (Foto: C. Harttmann)
Christine Harttmann

Dass die Fahrzeughersteller zunehmend ambitioniert an der Transformation arbeiten, verdeutlichten sie mit ihren Einlassungen beim technischen Kongress der VDA in Berlin. Sie versammelten sich dabei in neuer Geschlossenheit hinter dem Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs. In welche Richtung es allerdings dabei gehen soll – in dieser Frage herrschte wenig Einigkeit.

Catharina Modahl Nilsson, CTO der Traton Group, betonte in ihrem Vortrag vor dem Auditorium:

„Die Nutzfahrzeuge der Zukunft sind elektrisch.“

Sie ist überzeugt, dass batterieelektrische Fahrzeuge bei den TOC (Total Costs of Ownership) auf längere Sicht die Nase vorn haben werden – sowohl bei Bussen als auch bei Lkw. Ab Mitte dieses Jahrzehnts würden die Kosten für Batterien sinken und der E-Lkw dementsprechend günstig werden, erklärte die Traton-Managerin. Auch was die Ladeinfrastruktur angeht, erwartet Nillson Lösungen. Wobei es hier die Eine, alles erschlagende Anwendung eher nicht geben werde. Auf den Betriebshöfen bieten sich andere Techniken an, als entlang der Autobahnen und Landstraßen. Während unterwegs die Mega-Charger die schnellste und kosteneffektivste Lademöglichkeit für die Trucks sind, kann das Laden über Nacht deutlich langsamer vonstattengehen.

Elektromobilität als Heilsbringer der Branche? Iveco-Chef Gerrit Marx mag dem nicht zustimmen. Dabei sind die Ziele des Italienischen Nutzfahrzeugbauers nicht weniger ambitioniert, als die der anderen in der Branche. Bis 2030 will der Hersteller im mittelschweren und schweren Segment etwa die Hälfte seiner CO2-Emissionen einsparen – eine Zielsetzung, die Marx absolut nicht überambitioniert findet.

„Wenn wir die richtigen Modelle haben, spielt es doch am Ende keine Rolle, ob wir 50, 60 oder 100 Prozent des CO2 einsparen.“

Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht vielmehr die Frage, was die Kunden wollen. Und für die stünden Energie- und Planungssicherheit im Vordergrund, sagt Marx. Bei der Klimaneutralität gehe es denen um die Well-to-Weel-Effizienz. Und bei der TCO-Betrachtung stünden Kosten und sozialer Impact im Vordergrund. Auf ganzheitliche Ansätze kommt es an. Marx spricht von einem „Kreislauf“ in dem sich das gesamte System drehen müsse. Und genau hier sieht er die Vorteile von Biomethan. Damit fahren die Trucks „heute schon klimaneutral“.

Wenn wir die EU-Ziele bei der CO2-Minderung bis 2025 einhalten wollen, brauchen wir die LNG-Laster sowieso, davon ist der Iveco-Chef überzeugt. Er rechnet vor, dass in Europa etwa zwei Millionen Lkw unterwegs sind. Bis 2025 müssten von denen 15 Prozent CO2-neutral fahren. Vorausgesetzt, dass jedes Jahr zehn Prozent der Neuzulassungen vollelektrisch fahren, wären bis 2025 im besten Fall rund 200.000 e-Lkw im europäischen Straßennetz unterwegs, rechnet Marx vor.

„So gelingt der Wechsel nicht!“

Um die EU-Minderungsziele zu schaffen, müsste die Flotte der CO2-neutralen Lkw weit größer sei, postuliert Marx.

„Wir brauchen daher alles.“

Die Hersteller müssten auch auf Bio-Kraftstoffe setzen, auf Wasserstoff und Biomethan.

„Nur, wenn wir alle Technologien gleichermaßen voranbringen, schaffen wir das Ziel.“

Dass das Heil weder in der Batterie, noch im Bio-Methan oder in der Brennstoffzelle liegt, dem stimmt Jan-Oliver Röhrl, Mitglied des Bereichsvorstands Powertrain Solutions Division, Marktsegment Nutz- und Geländefahrzeuge, bei der Robert Bosch GmbH, zu. Er ist überzeugt, dass der Mobilitätsbedarf im Güterverkehr auch in den kommenden Jahren weiterwachsen wird – und zwar überproportional zum Bevölkerungswachstum.

„Die Grenzen des Wachstums sind noch nicht erreicht.“

Neben der Batterie müssten daher auch Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffe, der aus regenerativer Energie gewonnen wird, in das Kalkül mit einbezogen werden. Wie geeignet eine Antriebslösung ist hängt dabei von der Nutzung des Fahrzeugs ab. Andernfalls, davon ist Röhrl überzeugt, wird die Verfügbarkeit von keinem der Treibstoffe für den tatsächlichen Bedarf ausreichen. Nach seiner Überzeugung wird Europa dauerhaft auf den Import von Energieträgern angewiesen sein. Und dafür wären dann eben chemische und synthetische Kraftstoffe prädestiniert.

Und so wird der batterieelektrische Lkw im urbanen Umfeld und im Lieferverkehr seine Stärken ausspielen können und müssen, der Brennstoffzellen-Tuck bei den schweren Anwendungen und im Fernverkehr. Auch Wasserstoff-Verbrennung und andere synthetische Kraftstoffe könnten längerfristig in verschiedenen Anwendungsbereichen eine Rolle spielen.

Die Brennstoffzelle als ein Weg zur Dekarbonisierung des Verkehrs – dafür wirbt auch Christophe Schramm, Vice President beim Michelin Joint-Venture Symbio. Er sieht die Brennstoffzelle als komplementär zur Batterie. Letztere hat viel Gesicht und beansprucht beim Aufladen längere Zeit beansprucht. Die Brennstoffzelle hingegen ist deutlich kompakter und leichter. Der Lkw lässt sich außerdem ähnlich schnell Auftanken, wie ein Diesel-Laster.

Und auf einen weiteren Vorteil weißt Schramm hin:

„Wasserstoff kann ich dort produzieren, wo erneuerbarer Strom ausreichend und billig zur Verfügung steht.“

Als ein Beispiel dafür nennt Schramm die chilenische Wüste. Ein Wasserstoffpreis von fünf bis sechs Euro pro Kilo soll so möglich sein. Schon in einigen Jahren wäre das dann vergleichbar mit dem Dieselpreis – eine Entwicklung, die für den TCO der Fahrzeuge essenziell ist.

Dass die Brennstoffzelle kommt, ist für Schramm also nicht Frage. Nur wann? Die erste Kleintransporter-Serie mit Symbio-Technologie hat Opel bereits ausgeliefert. Den Marktstart für schwere Nutzfahrzeuge prognostiziert Schramm für 2024. Außer Frage steht für ihn dabei, dass die Entwicklung rasant weiter voranschreiten wird – und zwar sehr viel schneller, als wir heute denken. Schramm prognostiziert:

„Es kommen verschiedene Wellen an regulatorischen Maßnahmen, die in den nächsten acht Jahren zu einer kompletten Dekarbonisierung des Verkehrs führen werden.“  

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