Urban Supply Chain Symposium: Lieferzonen, Mikro-Hubs und Lastenradlogistik – überall fehlt Platz
Flächen für Logistik ausweisen und damit Platz schaffen für die Kep-Dienste, die das Viertel versorgen – das setzt Hamburg Altona in seinem Projekt Move 21 um. Eine alte Ladenzeile aus den 70ern darf dafür herhalten. In Kooperation mit DB Smart City wurde sie zu einem sogenannten Nachbarschafts-Quartiers-Hub umgestaltet, ein Mikro-Hub das soziale Angeboten integriert.
Mikro-Hub mit Mehrwert
Es gibt dort einen Kiosk zur Ausgabe von Essens und Kleiderspenden sowie einen Raum, in dem verschiedene Organisationen und Institutionen stundenweise Sozialberatung anbieten. Den Logistikhub teilen vier Logistikdienstleister untereinander auf. Sie nutzen ihn für verschiedene Logistikaufgaben, was die Auslastung verbessert, da die Unternehmen zu unterschiedlichen Tageszeiten im Hub aktiv sind.
Das Projekt verfolge das Ziel, durch die Entwicklung und Erprobung innovativer Lösungen im Bereich der Personen- und Warenverkehre, klimaschädliche Verkehrsemissionen zu reduzieren, berichtet Heike Bunte vom Bezirksamt Hamburg Altona auf dem Urban Supply Symposium in Berlin Ende April. Im Bezirk Altona wurden daher autofreie und autoarme Bereiche ausgewiesen, Mobilstation für Lastenräder bereitgestellt und Ladezonen geschaffen.
„Auf Teufel komm raus haben wir Lade- und Lieferzonen ausgebaut und im Gegenzug Parkplätze abgebaut“, verdeutlicht Bunte.
Die Quartiers-Hubs werden als logistisch geprägte Mikro-Hubs – dazu gehören auch Paketstationen – mit Mobilitäts-Hubs verknüpft, die auf Personenverkehre ausgelegt und beispielsweise mit Carsharing-Stationen verknüpft sind. Diese Kombination soll verschiedenen Mobilitätsbedarfen, privaten ebenso wie kommerziellen, entgegenkommen und die entsprechenden Verkehre nachhaltiger gestalten. Außerdem soll die gemischte Nutzung der Hubs helfen bei der zunehmenden Nachfrage nach Flächen im urbanen Raum.
Bunte, die in dem Projekt federführend ist, betont, wie wichtig es ist, gerade in den Städten den notwendigen Platz auch für den Wirtschaftsverkehr zu schaffen. Das Projekt in Hamburg Altona würde sie gerne anderen Kommunen als Blaupause anbieten. Auf dem Urban Supply Chain Symposium das an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin Logistiker und kommunale Vertreter zum Austausch zusammenbringt, gibt es dagegen allerdings deutlichen Widerspruch. Ein Großteil der Anwesenden ist überzeugt, dass jede Kommune individuell ist und deswegen auch ihr individuelles Logistikkonzept braucht.
Einig sind sich allerdings so ziemlich alle in der Forderung nach mehr Platz für die Logistik. Schließlich mache es keinem Paketboten Spaß, in der zweiten Reihe parken zu müssen, ist immer wieder zu hören. Alleine beim Aussteigen aus dem Transporter steigt damit das Unfallrisiko. Und im Übrigen seien weniger die Fahrzeuge der Kep-Dienste das Problem als vielmehr der motorisierte Individualverkehr (MIV).
Logistik braucht Raum
Der Ruf nach mehr die Lade- und Lieferzonen ist daher nicht der einzige, der in Richtung Politik tönt. Andreas Schwager von Deutschs Post DHL sieht außerdem die zeitlichen Restriktionen für die Belieferung in autoarmen oder autofreien Bereichen kritisch. Für dieselbe Menge an Paketen oder Waren brauche es mehr Fahrzeuge, weil in sehr kurzer Zeit alles ausgeliefert werden müsse.
„Besser wäre es über den Tag verteilt die Waren oder Pakete zu liefern, weil ich dann mit einem Fahrzeug mehrfach fahren kann“, sagt Schwager.
Von Lastenräder als das von Vielen gepriesene Allheilmittel hält er aus ähnlichen Gründen wenig. Der Verkehr reduziere sich dadurch nämlich nicht.
„Drei Ladenräder sind ein Van“, rechnet Schwager vor.
Hinzu komme, dass es eine Lastenrad-spezifische Infrastruktur bräuchte. Das führt dann zu neuen Fragen nach der Aufteilung des Straßenraums. Dabei ist das schon jetzt kompliziert.
Die Städte können nämlich so Radwege oder viel Ladezonen ausweisen, wie sie wollen. Hilft nix, wenn die Bürger die Restriktionen nicht akzeptieren. Heike Bunte plädiert deshalb für eine deutliche Markierung auf der Straße. Nur so würden die Ladezonen einigermaßen respektiert, so ihre Erfahrung. Mit farbigen Dioden, die auf der Fahrbahn die Ladezonen markieren, hat sie ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. In Altona teste Bunte an einer Stelle außerdem versenkbare Poller. Wer hier die Ladezone nutzen will, muss sie vorher per App buchen. Die Erfahrung wird zeigen, ob das ein Weg sein kann. In Wiesbaden sind die Lieferzonen seit dem vergangenen Jahr ebenfalls deutlich in türkisblau markiert. Das Projekt WiLoad – die Einrichtung intelligenter Ladezonen mit Kameraüberwachung - scheiterte am, man mag es kaum glauben, Strom. Den konnte niemand bereitstellen.
Tags liefern, nachts parken
Für weniger Restriktionen und dafür mehr Akzeptanz wirbt der CDU-Politiker Mario Czaja. Er schlägt vor, dass die Ladezonen am Abend und in der Nacht für die Anwohner zum Parken frei zu geben, um den Wiederstand in der Bevölkerung zu brechen.
Wie auch immer die Lösung aussieht, nach Rezepten gegen zweite-Reihe-Parken wird intensiv gesucht. Auch Paketstationen werden deshalb als eine Möglichkeit diskutiert, wie KEP-Verkehr reduziert werden können. Deutschlandweit hat DHL, das weiß Andreas Schwager, 11.000 solcher Paketstationen auf den Parkplätzen größerer Supermärkte platziert. Doch – wie bei Mikro-Hubs und Ladezonen – gerade in den Städten mangelt es meist an der Fläche dafür.
Und so wird in der Diskussion Vieles gedreht und gewendet. Da sind die Wasserstraßen, die sich in Städten wie Hamburg oder Berlin, für den Warenverkehr anbieten würden. Die Transporte dorthin umleiten, würde die Straßen entlasten und den Logistikern den Stau ersparen. Doch auch hier sind die Hürden hoch. Heike Bunte berichtet von Bestimmungen für Bundeswasserstraßen, an denen die Verlagerung auf die Elbe scheitert. Man könne nicht kontrollieren, was in den Paketen ist, erklärt sie. In läuft gerade ein Test, ob Straßenbahnen für den Gütertransport (mit)genutzt werden können. Das hat sicherlich Potenzial und allerdings vor allem in verkehrsschwachen Zeiten genutzt werden. Auf der Landesebene gibt es daher derzeit Planungen für ein solches Projekt.
Dem Berliner Fahrradkurier Martin Schmidt platzt schließlich etwas der Kragen, ob des Klein, Klein in der Runde. Er fordert ganzheitliches Denken.
„Die Stadt braucht ein Öko-System, das die Mikro-Hubs und andere Flächen für Logistik mitdenkt. Zusteller müssen ja auch mal aufs Klo.“
Ökos-System für's Ganze
Deswegen müsse das Ökos-System mit allem ausgestattet werden, was es braucht. Neben den Toiletten für Fahrradkuriere und andere Mitarbeitern nennt er elektrische Vans, Cargo Bikes, Mikro Depots und Paketstationen. In der Pflicht sind aus seiner Sicht auch Politik, Kommunen und Stadtplaner. So müssten Paketkästen mitgedacht werden, wenn Immobilien neu gebaut werden. Lade- und Lieferzonen in ausreichender Zahl müssen geschaffen werden und es braucht eine Ladeinfrastruktur für eFahrzeuge, Akku Wechselstationen, vielleicht auch eine Pakettram, Drohnen oder autonom fahrende Cargobikes. Das Öko-System müsse komplett gedacht werden, mit Logistikflächen und den Kep-Verkehren für die Belieferung. Dafür müssen die Voraussetzungen schaffen – das ist auch Aufgabe von Politik.
„Wir müssen das komplett neu denken!“, postuliert Schmidt. „Logistik heißt, Prozesse zu definieren, zu fragen: Wo ist das Problem und wie lösen wir es?“
Die Bedenken bezüglich des Lastenrads von anderen aus der Kep-Branche kommt, wischt Schmidt weg. Pakete bis 31,5 Kilogramm ausliefern, schwere Katzenfutter-Paletten oder Blumenerde-Säcke den Kunden an die Wohnungstüre bringen – für den Lastenradprofi kein Problem. Es ist auch Schmidt, der den Veränderungsschmerz, mit dem die Branche zu kämpfen hat, in die Diskussion einwirft:
„Wir sollten nicht denken, dass etwas nicht geht, nur weil wir es nicht kennen.“
Und dann berichte er von einem Bett, das er gerade erst an einen Kunden ausgeliefert hat. Kein Problem, meint Schmidt.
„Geht nicht, gibt's nicht.“
Wichtig sei dabei aber auch, dass der Auftraggeber bereit ist, dies auch entsprechend zu entlohnen.
Auch Markus Schlüter vom Kep-Dienstleister Hermes sieht das Lastenrad als eine sinnvolle Ergänzung auf der letzten Meile. Es biete mehrere Vorteile. So können damit auch Menschen fahren, die entweder keinen Führerschein haben oder ihn irgendwo im Ausland erworben haben, von wo er bei uns nicht anerkannt wird. Lastenräder können außerdem den Fahrradweg nutzen und sind deswegen vor allem in der Stadt teilweise schneller als Van oder Lkw, sie fahren leise und sind emissionsfrei. Geeignet sind die Fahrzeuge auf der sprichwörtlich letzten Meile – sie haben einen Umgriff von 1,6 Kilometern. Im engen urbanen Umfeld sind sie, das jedenfalls ist Schlüters Erfahrung, wirtschaftlicher als der eSprinter.
Schlüter kennt aber auch die Nachteile der Lastenräder: Sie verursachen hohe Kosten, machen einen zusätzlichen Umschlag notwendig und sind wartungsintensiv. Auch wenn damit also dem Ziel einer emissionsfreien Zustellung gedient sei – Lastenräder beanspruchen zusätzliche Logistikflächen in der Stadt. Und die sind rar, oft an der der falschen Stelle, nicht bezahlbar oder für Logistiker nicht geeignet. Eine Option die Kosten zu reduzieren ist laut Schlüter die gemeinsame Nutzung von Umschlagflächen oder auch hybride Flächen. Dennoch bleibt das Problem, dass die Verfahren für Nutzungsänderungen oft langwierig und mit hohen Hürden verbunden fehlen. Die Ansprechpartner in den Kommunen fehlen.
Und so bleibt am Ende vor allem eine Erkenntnis: Es ist kompliziert mit der Urbanen Supply Chain. Dass unsere Logistiker dennoch jedes Problem irgendwie lösen – darüber sollten wir uns freuen.
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