Union will Klimaschutz ohne Tempolimit - aber mit Billigflügen und Verbrenner

Die Union enthüllt ihr Wahlprogramm und erteilt in Sachen Mobilität dem Tempolimit ebenso eine Absage, wie einem Diesel-Fahrverbot, höheren Flugpreisen oder fixem Verbrenner-Aus. Man setzt auf Synfuels und Flugtaxis. BDI-Chef mahnt rasches Handeln an und sieht im Klimagesetz wenig konkrete Substanz.

Strom fürs Auto? Die CDU/CSU setzt den Akzent lieber auf Synfuels und der Verlängerung der Laufzeit für Verbrennermodelle. | Foto: Screenshot
Strom fürs Auto? Die CDU/CSU setzt den Akzent lieber auf Synfuels und der Verlängerung der Laufzeit für Verbrennermodelle. | Foto: Screenshot
Christine Harttmann
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die Unionsparteien CDU und CSU haben am Montag ihr Wahlprogramm vorgestellt. Die Union ertelt darin den von SPD und Grünen erhobenen Forderungen nach einem allgemeinen Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sowie Diesel-Fahrverboten in den Städten eine Absage. Man setze stattdessen "auf innovative, moderne Verkehrssteuerung". Ebenso will man sich in der Union nicht auf ein festes Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor festlegen, sondern sogar an diesem festhalten und die Verwendung durch Einsatz von Synfuels verlängern.

"Wir geben dem Verbrennermotor mit erneuerbaren Kraftstoffen Zukunft", heißt es darin.

Den "Klimwandel" bezeichnet Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) als "eine globale Herausforderung, die es zu lösen gelte". Ein erfinderreiches Land wie Deutschland müsse Wege finden, den Klimawandel auch durch Innovationen zu bekämpfen.

„Statt stur auf Verbote zu setzen, müssen wir auf die Förderung dieser Technologien setzen. Uns sind die richtigen Maßnahmen für ein klimaneutrales Deutschland wichtig. Was auch über die CO 2-Preise mehr eingenommen wird, geben wir über die Verbilligung des Strompreises zurück. So machen wir den Klimaschutz sozialverträglich", versprach der NRW-Ministerpräsident vollmundig. 

Höhere Flugpreise und Tempolimits, wie vom politischen Mitbewerber gefordert, seien aber reine Symbolpolitik. „Das bringt gar nichts“, befindet Laschet brüsk. Deutschland müsse es schaffen, „traditionelle Industrien wie die Auto- oder die Stahlindustrie so zu transformieren, dass daraus Zukunftstechnologien werden“, visioniert er. Im Programm ist die Rede von "besonders ressourcenschonenden digitalen Technolgien" und vom Ausbau der Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS). Die Grünen hatten hier jüngst konkrete Vorschläge für einen Industriepakt zur grundlegenden Umwandlung der Produktion und Erzeugung in Richtung CO2-Neutralität vorgelegt, der etwa auch die Automobilproduktion mit grünem Stahl umfasst.

Union: Klimaneutralität als Ziel, unklarer Weg

Mit dem wenig konkreten Plan der Union soll das Land dennoch bis 2045 klimaneutral werden. Man setze hierbei auf "marktwirtschaftliche Instrumente eines Emissionshandels mit Sozialausgleich", so der Entwurf weiter. Die solle in einem europäischen Handel mit einheitlichem Preis und "globaler Anschlussfähigkeit" geschehen. Der "Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung solle gestrafft und "so schnell wie möglich zu einem am Markt gebildeten Preis im neu zu etablierenden europäischen Emissionshandel für Mobilität und Wärme übergehen", so die Unions-Pläne. Allerdings nennt das Programm keine konkreten CO 2-Preise wie etwa das Grünen-Wahlprogramm, das 60 Euro pro Tonne ab 2023 vorschlägt.

Viel Geld für Förderung: Solar, Wind, Leitungen, Gebäudesanierung etc.

Die Union reklamiert, man wolle den Ausbau der Erneuerbaren Energien "entscheidend voranbringen und daher deutlich schneller ausbauen, damit der stark steigende Energiebedarf gedeckt" werde. Man setze auf einen "intelligenten und diversifizierten Energiemix", aus Sonne und Wind sowie nachhaltiger Biomasse, Wasserkraft und Geothermie im ländlichen Raum. Dafür sieht man ein "Sonnenpaket" zum Ausbau der Photovoltaik vor, will naturverträglichen Ausbau der Windkraft onshore und offshore fördern, strebt die Schaffung von Flächen für erneuerbare Energien, auch entlang von Verkehrswegen, will Stromspeichertechnologien incentivieren, Stromleitungsbau und Energieeffizienz von Gebäuden fördern und "neue Energieerzeugungsverfahren technologieoffen unterstützen". Genauere Zahlen zu den Zubauraten fehlen im Programm aber durchgehend.

Großes Ziel: Wasserstoffland Nummer 1 in der Welt

Außerdem soll Deutschland zum "Wasserstoffland Nr. 1" weltweit werden. Bedeutende industrielle Prozesse, etwa in der Stahl- und Zementindustrie, ließen sich nur mit Wasserstoff klimaneutral gestalten, glaubt die Union. Sie glaubt, auch im Bereich der Mobilität, kurz- und mittelfristig für den Lkw- und Schiffsverkehr, könne man durch den Einsatz von Wasserstoff "erheblich" zur Reduzierung von CO2 beitragen. Es gelte nun, die "umfassende Wertschöpfungskette zur Wasserstofferzeugung inklusive der erforderlichen Netzinfrastruktur aufzubauen", formuliert die Union.

"Wir wollen, dass in Deutschland weiterhin die besten Autos der Welt produziert werden und zwar mit allen Antriebsformen", formuliert die Union. 

Man wolle "neben der Elektromobilität" auch auf synthetische Kraftstoffe im Straßenverkehr setzen und wie auch Wasserstoff perspektivisch auch im Schwerlastverkehr einsetzen. Taxiunternehmen, Fahr- und Lieferdienste will die Union bei der Umstellung auf Null-Emissions-PKW durch Sonderabschreibungen, auch bei Ladesäulen, unterstützen. Diese sollen künftig in alle gewerblichen und öffentlichen Neubauimmobilien integriert und auch in Parkhäusern verbessert werden.

"Unser Ziel ist es, das Ladesäulennetz so auszubauen, dass die Lademöglichkeiten ein Grund für den Wechsel auf Elektromobilität sind. Wir wollen, dass Schnellladesäulen bundesweit im Fernverkehr möglichst innerhalb von zehn Mi nuten erreicht werden können und zudem das Bezahlsystem sowie die Anschlüsse vereinfacht und standardisiert werden", so das Programm.

Die Luftfahrt solle ein "preislich wettbewerbsfähiger Verkehrsträger" und der Luftverkehrsstandort Deutschland erhalten bleiben. Allerdings wolle man die Verbindungen auf der Schiene zu den Drehkreuzflughäfen bzw. internationalen Flügen ausbauen und das Umsteigen zwischen Flug und Zug für Kunden verbessern. Generell wolle man "die positiven Aspekte des Fliegens und die Innovationskraft der Luftfahrt wieder stärker herausstellen und als Schlüsseltechnologie gezielt fördern", heißt es wörtlich.

"Die Entwicklung von Flugtaxen ist zwar noch eine Vision für die Zukunft, aber sie wird zunehmend realistischer", findet die Union.

Finanzierung aus Wirtschaftswachstum und technischem Fortschritt

Die CDU/CSU will über den Strompreis zudem die Einnahmen im Gegensatz zu den Grünen, die etwa ein Viertel für Klimaschutzinvestitionen reservieren wollen, vollständig an die Bürger und Unternehmen zurückgeben. Steuererhöhungen etwa bei Vermögen, Erbschaft oder für Unternehmen soll es nicht geben, dafür rasch eine Rückkehr zur "schwarzen Null", eine Aufweichung der Schuldenbremse lehnt man ab. Die Programmpläne sollen stattdessen aus dem Wirtschaftswachsum sowie technischem Fortschritt finanziert werden, wie CDU-Vorstandsmitglied Michael Kretschmer im Deutschlandfunk propagierte. 

BDI-Chef fordert klare Ansagen: Wenig Substanz im Klimaschutzpaket

Unterdessen kritisierte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie Sigfried Russwurm in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die mangelnde inhaltliche Substanz des jüngst korrigierten und in verschärfter Form beschlossenen Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung. "Qualitativ" sei die Lage nicht besser als vorher. Es sei unklar, wie das Ziel eigentlich erreicht werden solle.

Er warf der Koalitionsregierung aus Union und SPD indirekt "Aktionismus" vor und erklärte, das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sei erstmal nicht mehr als ein "frommer Wunsch", solange man nicht wisse, wie man die nötige Infrastruktur umgesetzt bekomme. Er forderte ein Konzept mit Strategie, realistischer Planung und eine "sehr zügige Umsetzung". Man könne sich nicht weitere zehn Jahre der Diskussion leisten. Die Politik habe viel Zeit verschenkt.

"Im Bummelzug ist Klimaneutralität nicht erreichbar", mahnte der BDI-Chef.

Man betrete mit dem Ziel Klimaneutralität eine "neue Dimension", bei der es weniger um technische Fragen gehe, die zwar anspruchsvoll, aber lösbar seien. Wichtiger sei die zeitliche und finanzielle Machbarkeit. Die letzten fünf Prozent seien zudem die teuersten und schwersten. Die CO2-Abscheidung als Mittel sieht er dabei als "überschaubar" an. Es müsse vielmehr sofort geklärt werden, wie man zu mehr grünem Strom und Wasserstoff komme, wie man den Süden an die Energienetze anschließe und mit im Norden angelandeten grünem H2 versorge.

"Wenn in Bayern ein großer Automobilhersteller seinen Karosseriebau anschmeißt, dann können Sie schon dafür nicht genug Bioenergie auf bayrischen Äckern produzieren", warnte Russwurm.

Im Bezug auf den automobilen Antrieb der Zukunft meinte Russwurm, man solle den Unternehmen überlassen, über die Technologie zu entscheiden. Er könne sich durchaus vorstellen, dass mit der Skalierung von Synfuels diese auch an der Zapfsäule erschwinglich würden. Dann lasse sich auch eine "andere Debatte über die Zukunft des Verbrennungsmotors führen". Es mangle hier nicht an der Bereitschaft der Industrieunternehmen oder technologischen Potenzialen. Der BDI-Chef kritisierte dagegen komplizierte Entscheidungsverfahren, die der Energiewende jedes Tempo nähmen und die für eine enorme Verteuerung sorgten. Es gehe hier um Billionen an Mehrinvestitionen.

Schnell Grundlagen für Entscheidungen schaffen

Es brauche "subito" belastbare Grundlagen, die Investitionsentscheidungen für die Produktionsanlagen des Jahres 2045 würden jetzt getroffen. Er forderte die Politik auf, international eine "Allianz der Mitmacher" zu schaffen, damit energieintensive Industrien nicht zum "Opfer der Klimapolitik" würden, etwa wegen hoher Strompreise in der EU, warnte aber vor Klimazöllen, die Deutschland als Exportland selbst treffen könnten.

Was bedeutet das?

Ausgerechnet den Hashtag: #wegenmorgen platziert die Union zu ihrem Wahlprogramm. Das ist wirklich eine Steilvorlage für jede Satiresendung und spottet dem Inhalt Hohn. Besser wäre #vonwegenmorgen. Einen Aufbruchs- und Modernisierungsjahrzehnt verspricht Unions-Kandidat, ein "Entfesselungspaket" gar. Aber wer einen Aufbruch will, der muss halt auch "aufbrechen" - und zwar so manche liebe Gewohnheit. Stattdessen scheint die Union in alten Rastern erstarrt zu sein, erteilt im Ton der FDP gleich allen "Verboten" sofort wirksamer Maßnahmen wie Tempolimit oder höherer Kerosinbesteuerung ebenso eine Absage wie der Abkehr vom Verbrennungsmotor.

Bewusst missverstanden wird von den Unionspolitikern dabei, dass es in dieser im wahrsten Sinne des Wortes und im Zeichen der ersten Hitzewelle des Jahres "brenzligen" Sitation, aber eigentlich generell schlicht der Job des Staates ist, die Leitplanken in Richtung Klimaneutralität zu setzen und mit den richigen Regeln allen Bürgern und Unternehmern des Weg zu weisen. Das kann man wohl "Führungsverweigerung" nennen und reduziert Politik zu populistischer Anpassung an den "bequemsten Weg". Verantwortungsbewusste Politik, einer Partei die in 50 von 70 Jahren BRD den/die Kanzler*in stellte, stellt man sich irgendwie anders vor.

Beispiel Verbrennungsmotor: An dem man hält man partout und wider alles wissenschaftliche Wissen stur wie ein trotziges Kind fest, auch für den Einsatz im Pkw, wo Synfuels zum Retter stilisiert werden - obwohl der Zug längst Richtung batterieelektrische Antriebe fährt und die mit hohen Energieverlusten und ja auch erstmal industriell zu produzierenden synthetischen Kraftstoffe dringend für die "Begrünung" des Flug- oder Schiffsverkehrs benötigt werden.

Die Union wirft sich also in völliger Verleugnung der Realität hinter einen abgefahrenen Zug. Jede Wette: Schon 2025 werden die reinen E-Antrieb so dominant sowie ökologisch wie ökonomisch überlegen sein, dass sich das Verbrenner-Aus von selbst ergibt. Sogar deutsche Premiumhersteller wie Audi wollen zeitnah keine neuen Verbrennermodelle mehr auflegen, 2026 ist Schluss damit. Wie war das nochmal mit "technischen Innovationen" bei der Union?

Sorry, aber so bekommt man das nicht auf's Gleis, mit der Klimaneutralität bis 2045. Viel zu lasch(et) sind die Maßnahmen, es soll eigentlich so weiter gehen wie bisher, nur irgendwie mit einmal mehr nebulös angedeuteten technologischen Innovationen, deren konkrete Ausgestaltung die Union schuldig bleibt und deren Umsetzung in der Zukunft nicht in der Gegenwart liegt. Es braucht aber sofortiges Handeln in der gesamten Breite des Instrumentenkastens.

Wenn der Union nicht mehr einfällt, als mit den Mitteln der Vergangenheit die Zukunft gewinnen zu wollen, dann zeugt das schon von inhaltlicher Aushöhlung und Ideen- sowie Konzeptlosigkeit, eigentlich auch einer intellektuellen Verweigerung einer echten inhaltlichen Debatte mit dem Hauptgegner der Grünen. Die Antwort auf die erkannte "globale Herausforderung des Klimawandels" ist es sicher nicht. Und die Lösung auch nicht. Das Schweigen des Laschet, könnte man sagen.

Und es ist schon sehr schizophren, wie die Union die Idee vermittelt, eine fortschrittsfreundliche Partei zu sein, ohne aber wirklich etwas ändern zu wollen. Die Veränderung ist der Kern jeder Innovation. So ist das jedenfalls eher eine "Zurück in die Zukunft"-Show mit sehr viel Sound der von Laschet offen als Koalitionspartner bevorzugten FDP, der anderen Retro-Partei, die sich so technologiefreundlich und marktwirtschaftlich gibt und doch lieber an alten Technologien und Träumen von ungezügelter Konsumfreiheit festhält. Ein berühmtes Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird, aber auch wirklich von ihm stammen könnte, lautet:

"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."

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