Unfallzahlen: Geringer Abstand bleibt das größte Problem
Unfälle mit Personenschäden, an denen Güterkraftfahrzeuge beteiligt waren, sind langfristig rückläufig – trotz deutlich gestiegener Fahrleistung. Dies teilte die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr mit, die dennoch keinen Grund zur Entwarnung sieht. Sorgen bereite, so der Tenor, dass schwere Unfälle aufgrund von zu geringem Abstand auf fast unverändert hohem Niveau verharren.
Weniger Unfälle mit Personenschaden, weniger Verletzte und weniger Tote: Das ist die erfreuliche Bilanz des Jahres 2018 für Unfälle, an denen mindestens ein Güterkraftfahrzeug beteiligt war. „Der Blick in die Unfallstatistik zeigt einen signifikanten Rückgang der Fallzahlen. Das spiegelt die intensiven Bemühungen in den Unternehmen, der Politik, den Verbänden und der Gesetzlichen Unfallversicherung um mehr Verkehrssicherheit wieder. Zugleich zeigen sich die Erfolge der immer besseren technischen Ausstattung von Güterkraftfahrzeugen, beispielsweise mit Fahrerassistenzsystemen“, kommentiert Dr. Klaus Ruff, stellvertretender Präventionsleiter der BG Verkehr, in der das Güterkraftverkehrsgewerbe unfallversichert ist.
Im Einzelnen zitiert die BG Verkehr die folgenden Zahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) erhoben hat:
■ Im Jahr 2018 gab es 28.631 Unfälle mit Personenschaden, an denen mindestens ein Güterkraftfahrzeug beteiligt war. Das waren 1,8 Prozent weniger als im Jahr 2017. Bei diesen Unfällen starben 762 Menschen, im Jahr zuvor waren es noch 4,0 Prozent mehr. Auch die Zahl der Schwerverletzten nahm ab und zwar um 0,3 Prozent auf 7.292. Die Zahl der Leichtverletzten ging um 1,9 Prozent auf 31.425 Personen zurück.
■ Insgesamt waren 31.803 Fahrer von Güterkraftfahrzeugen an Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2018 beteiligt, das sind 32,7 Prozent weniger als 1995. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fahrleistung von Güterkraftfahrzeugen zwischen 1995 und 2018 um 39,0 Prozent gestiegen ist. Die Transportleistung stieg im selben Zeitraum sogar um mehr als 75 Prozent. Besonders stark rückläufig war das Unfallgeschehen bei den Lkw über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht.
Weniger Unfälle durch nicht angepasste Geschwindigkeit
„Leider gibt es nicht bei allen Unfallursachen gleichermaßen starke Rückgänge“, ergänzt Ruff. Beispielsweise hat sich die Zahl von Lkw-Unfällen mit Personenschäden aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit der Lkw-Lenker seit 2010 nahezu halbiert und liegt bei 2.176 Fällen. Dagegen blieben Unfälle aufgrund zu geringem Abstand mit 4.586 Fällen fast unverändert. Fehlverhalten beim Abstand ist mit 21 Prozent die häufigste Ursache von Lkw Unfällen. Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren folgen mit 16 Prozent. Auf Platz 3 liegt das Nichtbeachten von Vorfahrt oder Vorrang (11 Prozent), gefolgt von nicht angepasster Geschwindigkeit (10 Prozent). Erfreulich: Alkohol ist nur in 1,6 Prozent der Lkw-Unfälle im Spiel.
Ablenkung kostet Aufmerksamkeit
Den Erkenntnissen der BG Verkehr zufolge spielt das Thema Ablenkung bei Abstandsunfällen eine erhebliche Rolle. Handytelefonate, das Schreiben von SMS oder das Eingießen einer Tasse Kaffee – das alles kostet sekundenlang die Aufmerksamkeit der Fahrer. In kritischen Verkehrssituationen können diese Sekunden entscheidend sein. „Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h bedeuten drei Sekunden Ablenkung eine Strecke von 67 Metern, die der Fahrer im Blindflug“ zurücklegt“, rechnet Präventionsexperte Ruff vor.
Ein Hoffnungsträger mit Blick auf eine weitere Reduzierung schwerer Verkehrsunfälle sind aus Sicht der BG Verkehr Fahrerassistenzsysteme. Der Sicherheitsvorteil von mit Fahrerassistenzsystemen ausgestatteten Fahrzeugen liegen laut einem Forschungsprojekt der BG Verkehr bei 34 Prozent. Gerade der Notbremsassistent (ABA) und der Abstandsregeltempomat (ACC) können Unfälle verhindern oder zumindest entschärfen, die durch zu geringen Abstand entstehen.
BG Verkehr fordert automatische Reaktivierung von FAS Voraussetzung ist allerdings, dass die FAS von den Lkw-Lenkern auch genutzt und nicht deaktiviert werden. „FAS sollen immer eingeschaltet sein, um unterstützen zu können. Für Unternehmer empfiehlt sich, eine Anweisung zur Aktivierung von FAS zu erlassen.“, sagt Ruff. Lässt sich die temporäre Abschaltung eines FAS nicht vermeiden, müsse sich das System noch einer bestimmten Zeit automatisch reaktivieren.
„Nur so kann sichergestellt werden, dass die Systeme im Notfall zur Verfügung stehen und Unfälle vermeiden“, betont Ruff. Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) arbeitet bereits an einer Änderung der Straßenverkehrsordnung, die das Abschalten von Notbremsassistenten bei Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h verbieten soll.
Und noch einen Tipp für den Einsatz von FAS gibt die BG: Die Fahrer sollten unbedingt umfassend eingewiesen werden. Dies fördert die Akzeptanz der Systeme beim Fahrer. Außerdem verringert eine gründliche Einweisung die Gefahr unerwünschter Gegenreaktionen des Fahrers, wenn ein FAS in das Fahrgeschehen eingreift – beispielsweise weil ein anderer Verkehrsteilnehmer kurz vor dem Lkw einschert. „Die Fahrer müssen außerdem verinnerlichen, dass FAS nur unterstützen. Sie entbinden den Fahrer aber nicht davon, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. Dies sollte auch Gegenstand von Fahrsicherheitstrainings und regelmäßiger Unterweisungen durch den Unternehmer sein“, erläutert Ruff.
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