Der anhaltende Krieg in der Ukraine, hohe Preise für Energie und Kraftstoffe sowie die Auswirkungen der chinesischen Coronapolitik haben die Transport- und Logistikindustrie im Jahr 2022 stark beschäftigt und das Transaktions-Geschehen in der Branche spürbar gehemmt: Zwischen Januar und Dezember 2022 gingen die Deals-Aktivitäten im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent zurück. Das hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland im Rahmen des „Transport & Logistics Barometer“ ermittelt, mit dem das Unternehmen gemeinsam mit ihrer globalen Strategieberatung Strategy& halbjährlich die aktuellen Entwicklungen, Mergers & Acquisitions (M&A), Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie untersucht.
261 M&A-Aktivitäten
Wie aus einer Pressemitteilung des Beratungshauses mit Deutschlandsitz in Frankfurt am Main hervorgeht, wurden 2022 im weltweiten Transport- und Logistiksektor insgesamt 261 Fusionen und Übernahmen mit einem Wert von mehr als 50 Millionen Euro angekündigt (2021: 323). Damit liegen die Deals-Aktivitäten unter dem Fünf-Jahres-Schnitt von 270 Deals pro Jahr. Auch das Deals-Volumen war 2022 rückläufig: Der Gesamtwert der Transaktionen erreichte 181,3 Milliarden US-Dollar (2021: 214,1 Milliarden). Dabei wurden PwC zufolge 32 Mega-Deals mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar registriert (Vorjahr: 47).
„Auch die Transport- und Logistikindustrie blieb 2022 nicht von den multiplen Krisen und der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage verschont. Insbesondere die Kraftstoffpreise, die Auswirkungen der chinesischen Covidpolitik und die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine machten den Unternehmen der Branche insbesondere auf der Kostenseite zu schaffen“, kommentiert Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland.
Insofern sei der Einbruch bei den Fusionen und Übernahmen nicht verwunderlich, denn in der Regel entwickle sich das Deals-Geschehen parallel zur gesamtwirtschaftlichen Lage. Der Rückgang an Fusionen und Übernahmen sei in allen Regionen der Welt spürbar gewesen – außer in Afrika. Laut PwC-Experten wächst das Interesse an Transport- und Logistikfirmen auf dem afrikanischen Kontinent, wenn auch auf niedrigem Niveau. Am stärksten rückläufig waren die Transaktionen mit Zielunternehmen auf dem amerikanischen Kontinent. Ebenfalls nahmen die M&A-Aktivitäten mit chinesischen Firmen leicht ab. Während Unternehmen aus dem Reich der Mitte noch vor einigen Jahren im Schnitt an jedem vierten Deal beteiligt waren, sank dieser Wert nun auf unter 20 Prozent. Ausländische Investoren waren nur an drei Deals in China beteiligt.
„Immer mehr Unternehmen stellen ihre Sourcing-Strategien und Lieferketten auf den Prüfstand und loten auch neue Märkte jenseits von China aus. Dadurch werden sich die Güterbewegungen möglicherweise verändern. Als nachgelagerte Branche muss sich der Transport- und Logistiksektor an seinen Kunden ausrichten und mit flexiblen Routen und Services auf veränderte Anforderungen reagieren“, erklärt Bauer.
Im vergangenen Jahr nahmen Investoren der Erhebung zufolge vor allem wieder Ziele aus dem Bereich Logistik und Lkw-Transport ins Visier: 44 Prozent aller angekündigten Deals entfielen auf diesen Subsektor. Besonders gefragt waren auch Infrastrukturziele wie Häfen oder Straßen. Diese machten knapp ein Viertel der Deals-Aktivitäten aus (Vorjahr: 17 Prozent).
„Insbesondere bei strategischen Investoren wächst das Interesse an Infrastrukturzielen wie Häfen oder Transportwegen. Durch eine Beteiligung an zentraler Infrastruktur wollen sie ihre Position innerhalb der weltweiten Supply Chain behaupten“, sagt Dr. André Wortmann, Partner und Koordinator Transport & Logistik Deals bei PwC Europe.
Der PwC-Experte beobachtet zudem, dass die Beteiligung strategischer Investoren am Deals-Geschehen weiter wächst – 2022 lag sie bei 52 Prozent (2021: 44 Prozent) – während sich Finanzinvestoren aufgrund steigender Zinsen spürbar zurücknehmen. Im vergangenen Jahr waren Private-Equity-Investoren nur noch an 48 Prozent der Deals beteiligt (2021: 56 Prozent). Grundsätzlich beteiligten sich laut PwC strategische Investoren aber an wertmäßig kleineren Deals als Finanzinvestoren. Transport- und Logistikunternehmen, insbesondere auch große Reedereien, nutzten im Jahr 2022 Übernahmen, um ihr Kerngeschäft zu erweitern und mehr Transparenz und Kontrolle in globalen Wertschöpfungsketten zu erhalten.
„Dank hoher Fracht- und Charterraten im Zuge der Pandemie verfügen viele Reedereien über finanzielle Rücklagen, die sie nun in neue Schiffe, die Diversifizierung ihres Portfolios und die Optimierung ihres Supply Chain Managements investieren“, resümiert Wortmann.
Allerdings dürften die aktuell wieder sinkenden Frachtraten und Kapazitätsgewinne den ambitionierten Expansionsstrategien der Schifffahrtsunternehmen einen Dämpfer versetzen. Wortmann sieht einen weiteren Faktor, der großen Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit von Transportunternehmen hat – egal, ob diese auf Wasser-, Luft- oder Landwege spezialisiert sind: den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Wenn Unternehmen nicht gegensteuern, könnte beispielsweise bald die Hälfte der Stellen für Lkw-Fahrer unbesetzt bleiben.
Globale Rezession nicht auszuschließen
Mit Blick auf 2023 bleibt das Risiko einer globalen Rezession aus Sicht der PwC-Experten hoch. Für die USA und die Europäische Union rechnen sie mit einem Wachstum von lediglich 0,5 Prozent. Laut Ingo Bauer stellen hohe Treibstoffkosten, die Inflation und der sich zuspitzende Fachkräftemangel die größten Risiken dar, die in den kommenden Monaten für anhaltende Unsicherheiten sorgen. Zusätzlich könnten nach Aufgabe der Null-Covid-Strategie die Corona-Zahlen in China explodieren und erneute Folgen auf globale Transportketten haben:
„Die genauen Auswirkungen dieser Risiken auf den Transport- und Logistiksektor sind schwer vorherzusehen.“
Für Optimismus sorge, dass die Unternehmen während der Pandemie gezeigt hätten, dass sie eine zentrale Rolle in einer globalisierten Welt spielen und unter bestimmten Bedingungen auch von krisenbedingten Disruptionen profitieren können – etwa in der Containerschifffahrt oder dem pandemiebedingten Pakete-Boom.
„Wir gehen davon aus, dass Transport- und Logistikunternehmen auch 2023 Fusionen und Übernahmen tätigen werden, um Risiken zu diversifizieren, ihre Lieferketten resilienter zu gestalten und das eigene Portfolio zu erweitern“, so Bauer.
Aus seiner Sicht dürften insbesondere Ziele aus der kritischen Infrastruktur wie Häfen und Terminals, aber auch Lagerhallen weiter an Attraktivität gewinnen.
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