TÜV Rheinland: Fahrassistenzsysteme nicht immer verlässlich im Langzeitbetrieb

Die Fachleute von TÜV Rheinland und des britischen Transport Research Laboratory (TRL) untersuchten in einer Studie die von Fahrassistenzsystemen geleistete Sicherheit. Sie stellten jedoch auch fest: Es ist erforderlich, die Systeme über ihre gesamte Lebensdauer zu betrachten.

Sicherheit ist nur dann gewährleistet, wenn das Fahrzeug regelmäßig gewartet und kontrolliert wird. (Foto: istock)
Sicherheit ist nur dann gewährleistet, wenn das Fahrzeug regelmäßig gewartet und kontrolliert wird. (Foto: istock)
Radosveta Angelova

Technische Entwicklung und geänderte rechtliche Regelungen führen bereits dazu, dass Fahrassistenzsysteme nicht nur für mehr Sicherheit im Verkehr sorgen, sondern auch zur Pflicht werden. Zum Zweck der Überprüfung der Verkehrssicherheit führten die TÜV Rheinland und die TRL gemeinsam eine Studie durch, die in zwei Teile aufgeteilt ist: Zum einen stellten die Autorinnen und Autoren aktuelle Erkenntnisse anhand von Veröffentlichungen und dem Austausch mit weiteren Fachleuten und Branchenorganisationen zusammen. Zum anderen fanden Fahrversuche auf einer Teststrecke statt, um verschiedene Szenarien praktisch zu prüfen.

Für die Studie untersuchten man am Beispiel von Spurhalteassistenzsystemen (Lane Keeping Assistants, LKA), wie sich alterungsbedingter Verschleiß, Schäden am System und Unfälle oder mangelnde Kalibrierung von Kameras beim Austausch von Windschutzscheiben auf die Funktion von Assistenzsystemen konkret auswirken können. Wenn nämlich nicht über die gesamte Lebensdauer hinweg das Fahrzeug regelmäßig gewartet und kontrolliert wird, so könne es sein, dass es selbst zum "Risikofaktor" wird, so die Experten. Nach Hochrechnungen dieser sei es möglich, im Jahr 2029 auf den Straßen der Europäischen Union durchschnittlich mit rund 790.000 Risikoereignissen zu rechnen, die allein auf die verminderte Leistung der Spurhalteassistenzsysteme zurückzuführen sind. So laute das zentrale Ergebnis der Studie zur "Leistungsfähigkeit von Fahrassistenzsystemen über ihre gesamte Lebensdauer".

Rico Barth, globaler Leiter des Kompetenzbereichs vernetztes und automatisiertes Fahren bei TÜV Rheinland erklärt:

„Die zunehmende Verbreitung von Fahrassistenzsystemen führt dazu, dass wir uns immer mehr auf sie verlassen. Das passiert unbewusst – auch, wenn uns die Systeme eigentlich nur entlasten sollen und die Verantwortung immer bei uns als Fahrerin oder Fahrer verbleibt."

Im Rahmen der Studie unternahmen Fachleute von TÜV Rheinland auf der Teststrecke Zalazone in Ungarn Fahrten mit einem modifizierten Testfahrzeug, das über ein hochmodernes Spurhalteassistenzsystem verfügte. So simulierten die Expertinnen und Experten beispielsweise Beschädigungen der Windschutzscheibe im Bereich der LKA-Kamera, eine fehlerhafte Kalibrierung der Kameras nach Austausch der Windschutzscheibe und Unterbrechungen der Datenkommunikation im Fahrzeug während der Fahrt. Weiterhin wurden Komponenten künstlich verändert, in einem Szenario nahmen sie zudem Veränderungen am Fahrwerk vor.

 „Die zunehmende Verbreitung von Assistenzsystemen und deren hervorragende technische Qualität sind enorm wichtig, um noch mehr Verkehrssicherheit zu erreichen“, sagt Matthias Schubert. „In unserer Studie hat sich aus unserer Sicht bestätigt: Wie gut ein technisches System auf Dauer funktioniert, kann nur eine regelmäßige Wartung und technische Überprüfung zeigen. Dafür ist unter anderem der Zugang zu den Systemdaten für unabhängige Dritte wie TÜV Rheinland im Rahmen der wiederkehrenden Hauptuntersuchungen wichtig. Die korrekte Funktionsweise eines Assistenzsystems kann sich schon durch kleine Unfälle oder fehlerhafte Reparaturen gravierend verändern.“

Aus Sicht der Expertinnen und Experten sei es sinnvoll und richtig, dass ab kommendem Jahr eine Reihe von Assistenzsystemen zur Pflichtausstattung von Neufahrzeugen in der EU gehören, darunter Spurhalteassistenten, Notbremsfunktionen oder Rückfahrsysteme.

"Fahrassistenzsysteme schützen Leben“, sagt Dr. Matthias Schubert, als Executive Vice President Mobilität bei TÜV Rheinland für das globale Mobilitätsgeschäft verantwortlich.

Allerdings ist nach Einschätzung von Schubert zu wenig darüber bekannt, wie sich Unfälle, unsachgemäße Reparaturen oder Verschleiß langfristig auf die Funktionsfähigkeit von Assistenzsystemen und damit auf die Sicherheit im Straßenverkehr auswirken.

"Assistenzsysteme müssen über viele Jahre hinweg zuverlässig funktionieren. Mit unserer Studie haben wir erste Erkenntnisse darüber gewonnen, unter welchen Umständen Spurhaltesysteme möglicherweise nur noch eingeschränkt funktionieren - und welche Folgen das für die Sicherheit auf den Straßen haben kann.“

Er plädiert deshalb dafür, weitere Untersuchungen zur dauerhaften Verlässlichkeit der Assistenzsysteme und ihren Verschleiß durchzuführen. Je nach Szenario zeigte sich in der aktuellen Studie von TÜV Rheinland und TRL, dass die geschätzte Zahl der durchschnittlichen jährlichen Risikoereignisse durch Fehlfunktionen der Systeme sogar bis zu 2,3 Millionen betragen kann. Als so genannte Risikoereignisse gelten Fehler im System, die die Leistung vermindern. In der Studie verstehen sich Risikoereignisse als Fehlermechanismen, die zu einer verminderten Leistung des LKA führen. Ein Risikoereignis kann beispielsweise dann auftreten, wenn sich ein Spurhalteassistenzsystem wie vorgesehen abschaltet, weil es wegen stark verschmutzter Windschutzscheiben nicht mehr richtig "sehen" kann.

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