Transportbarometer: Logistik leidet unter dem Krieg

Im ersten Quartal 2022 war die Transportbranche ist stark von den Auswirkungen des russischen Kriegs in der Ukraine beeinflusst. Sie steht vor immensen Herausforderungen. Die Stimmung in der Wirtschaft brach europaweit ein, der Transportbedarf bleibt hoch. Zugleich wirken sich die hohen Energiepreise massiv auf den Straßengüterverkehr aus.

Die Nachfrage an Laderaum war europaweit höher als das Angebot. (Foto: Pixabay)
Die Nachfrage an Laderaum war europaweit höher als das Angebot. (Foto: Pixabay)
Christine Harttmann

Zu Beginn des Jahres hatte die Wirtschaft noch neuen Auftrieb bekommen. Dann kam der russische Krieg in der Ukraine und versetzte den Erwartungen einen kräftigen Dämpfer. Die ökonomischen Effekte wirken sich auch auf den Transportmarkt aus. Insgesamt ist die Anzahl der Frachtangebote in Europa im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um vier Prozent gesunken. Grund sind hier rückläufige Frachteingaben im Januar, mit minus acht Prozent, und im Februar, mit minus zwölf Prozent. Das zeigen die Ergebnisse des Transportmarktbarometers für das erste Quartal des Jahres 2022, das Timocom aktuell veröffentlicht hat.

Nachfrage an Laderaum übersteigt Angebot

Demnach nahmen im März die Frachteingaben und damit die Nachfrage nach Transportkapazitäten europaweit wieder um 42 Prozent zu. Das Laderaumangebot habe sich, so berichtet Timocom, durch die wirtschaftlichen Auswirkungen – allen voran die gestiegenen Energiepreise – reduziert. Die Nachfrage an Transportraum im ersten Quartal 2022 sei europaweit deutlich höher gewesen als das Angebot. Im Schnitt lag das Verhältnis von Fracht- zu Laderaumangeboten bei etwa 70:30. Auch im innerdeutschen Transportmarkt zeigt sich, dass die Nachfrage durchgängig höher als der angebotene Laderaum war.

Unterschiede der Länderrelationen

Einzelne Relationen zeigen allerdings ein komplett anderes Verhältnis: Das Angebot an Laderaum von Deutschland nach Italien entwickelte sich im ersten Quartal nach einem anfänglich ausgeglichenen Verhältnis zu einem deutlichen Laderaumplus von meist über 70 Prozent. Gunnar Gburek, Head of Business Affairs bei Tiomcom, erklärt das mit gesunkenen Exportzahlen:

„Bei der Relation Deutschland – Italien wirkten sich vermutlich die anhaltenden Produktionsengpässe der deutschen Wirtschaft aus.“

In umgekehrter Richtung war zu beobachten, dass das Verhältnis von Fracht und Laderaum vor Kriegsbeginn und den beschlossenen Sanktionen zunächst ebenfalls auf einem ausgeglichenen Niveau zwischen 60:40 und 40:60 Prozent lag.

Dann aber brach im März das Laderaumangebot ein und die Nachfrage überstieg das Angebot immens: rund 75 Prozent Frachtangebote standen einem Laderaumangebot von 25 Prozent gegenüber. Und dass obwohl die stark steigenden Energiekosten ebenfalls viele wichtige Sektoren der italienischen Wirtschaft hart trafen. Insbesondere die Stahlindustrie ist extrem auf Rohstoffreserven aus der Ukraine angewiesen, sodass fast alle Stahlwerke ihre Produktion reduziert oder in einigen Fällen sogar eingestellt haben. Offenbar konnten andere Branchen ihre Exporte nach Deutschland aufrechterhalten oder sogar steigern und so für die anhaltend hohe Nachfrage nach Laderaum sorgen.

Folgen teurer Energie

Die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise haben länderübergreifend großen Einfluss auf die Transport- und Logistikbranche. Vor allem der hochschnellende Dieselpreis und das unterschiedliche Preisniveau in Europa schaden den meist kleinen Transportunternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Straßengüterverkehr.

Dass der Anteil an Frachtangeboten europaweit nach wie vor so hoch sei, liege, so sieht es Timocm, unter anderem an den deutlich reduzierten Laderaumkapazitäten. Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise und dem anhaltenden Fahrermangel hätten zahlreiche Transportunternehmen Lkw verkauft oder vorübergehend stillgelegt. Nun verschärfe der Krieg in der Ukraine den rasanten Energiepreisanstieg bei Diesel und Gas sowie der Fahrermangel in Europa. Zahlreiche ukrainische Berufskraftfahrer sind in ihr Land zurückgekehrt. Sie fehlen vor allem den baltischen und polnischen Speditionen und Transportunternehmen.

Ukraine-Krieg und der Transportmarkt

Transporte aus Europa nach Russland sind fast zum Erliegen gekommen. Seit Mitte März sind kaum noch Transportanfragen Richtung Russland im System von Timocom. Die Frachtangebote von Europa nach Russland sind im März um rund 85 Prozent eingebrochen. Timocom erwartet nicht, dass sich auf absehbare Zeit daran etwas ändert.

Als interessant bezeichnet der Plattformbetreiber die Entwicklung bei Frachtangeboten von Europa in die Ukraine zu beobachten. Nach Kriegsbeginn sind die Frachteingaben merklich zurückgegangen und insgesamt um 50 Prozent eingebrochen. Im März nahmen sie kurzzeitig jedoch wieder leicht zu. Gunnar Gburek erklärt dazu:

„Wir sehen, dass nach Ausbruch des Krieges hier unter anderem Hilfsgütertransporte in unserem System angefragt und eingestellt wurden.“

Außerdem – auch wenn es unvorstellbar erscheint – im Westen der Ukraine wird weiterhin produziert. Im Smart Logistics System von Tiomcom sind nach wie vor Transportanfragen Richtung Westen, wenn auch bei weitem nicht so viele wie vor dem Kriegsbeginn. Die Frachteingaben aus der Ukraine sind im März insgesamt über 80 Prozent gegenüber dem Vormonat zurückgegangen.

Gburek ist überzeugt, dass die Situationen mit all ihren Herausforderungen jedes Land in Europa betrifft. Ein Ende sieht er nicht.

„Europa steht zusammen und bewältigt gemeinsam die Herausforderungen der Wirtschaft und der Transportbranche. Die Länder leisten darüber hinaus auch humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine. Dieses Maß an Solidarität hätte kaum einer vorhergesagt.“

Erste Transportstreiks und Proteste in Europa

Allerdings regt sich erster Widerstand gegen die Auswirkungen in der Branche. In Deutschland, Spanien und Frankreich gab es bereits erste Proteste gegen die hohen Energiepreise von Lkw-Fahrern, die zu kurzzeitigen Ausschlägen bei Frachtangeboten führten. Vor allem in Spanien verursachte der Transportstreik einen zweiwöchigen Lkw-Stillstand, der eine schwere ökonomische Krise auslöste. Einige Branchen wie die Milchwirtschaft, die Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie die Automobilindustrie und das Baugewerbe mussten ihre Aktivität vorübergehend einstellen. Deutlich zu beobachten war dies auch bei den Frachtangeboten, die innerhalb Spaniens während des Streiks von unter zehn Prozent auf über 50 Prozent stiegen. Eine solche Entwicklung habe es nie zuvor in Spanien gegeben, teilt Timocom mit

Nun erhält die Branche 1,125 Milliarden Euro als Ausgleich für den Anstieg der Kraftstoffpreise. Neben dem Versprechen einer Mindestsubvention von 20 Cent pro Liter oder Kilogramm Kraftstoff für Diesel, Benzin, Gas und den Zusatzstoff Adblue wurden Direktbeihilfen in Höhe von 450 Millionen Euro für Güter- und Personenverkehrsunternehmen sowie eine Verdoppelung der Mittel für Beihilfen zur Aufgabe des Verkehrsberufs zugesagt.

Finanzielle Entlastung zur Sicherung von Transportkapazitäten

Die derzeitige Dynamik und machen Prognosen für das zweite Quartal sehr schwierig. Sollten sich die negativen wirtschaftlichen Effekte und Proteste in weiteren europäischen Ländern jedoch verstärken, erwartet Timocom, dass im zweiten Quartal 2022 einiges auf die Branche und auf die gesamte Wirtschaft Europas zukommt.

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