T&E: Wasserstoff-Schwindel? Ölindustrie investiert lieber in Biokraftstoffe

Nach Einschätzung der Umwelt-NGO Transport & Environment redet die Ölindustrie zwar vom Wasserstoff als Zukunftskraftstoff, investiert aber kaum darin. 

Falsche Schwerpunkte wirft die Umwelt-NGO T&E den Mineralölkonzernen vor, die in HVO-Anlagen ein vielfaches mehr investieren als in Anlagen für grünen Wasserstoff. Im Bild: Shells Renewables Catalysts (SRC) für die HVO-Produktion. | Foto: Shell
Falsche Schwerpunkte wirft die Umwelt-NGO T&E den Mineralölkonzernen vor, die in HVO-Anlagen ein vielfaches mehr investieren als in Anlagen für grünen Wasserstoff. Im Bild: Shells Renewables Catalysts (SRC) für die HVO-Produktion. | Foto: Shell
Nadine Bradl
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Nach der Analyse der europäischen Umweltdachorganisation Transport & Environment (T&E) investieren die Mineralölkonzerne achtmal mehr Geld in die Produktion nicht nachhaltiger Biokraftstoffe als in grünen Wasserstoff.

"Die ,große Wette' der Ölindustrie auf Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft ist in Wirklichkeit gar nicht so groß", kritisiert eine neue Studie von T&E.

Die Analyse von Ricardo Energy & Environment, einem globalen Umweltberatungsunternehmen, zeige, dass Ölkonzerne achtmal mehr in die Raffinierung von Biokraftstoffen als von Wasserstoff investieren. Die Organisation wirft den Ölproduzenten vor, nicht ernsthaft in wirklich saubere Kraftstoffe zu investieren, sondern die einfache, nicht nachhaltige Option der Biokraftstoffe zu wählen. Wenn Ölkonzerne in Wasserstoff investieren, sei nur ein kleiner Teil davon wirklich "grün". Der Großteil fließe in die Verringerung der Kohlenstoffintensität der Raffineriebetriebe und nicht in die Entwicklung grüner Kraftstoffe für den Verkehr, so der Vorwurf von T&E. Hydrotreating und Hydrocracking, beides Verfahren zur Verringerung des Schwefelgehalts in Ölendprodukten, verbrauchen große Mengen an Wasserstoff. Laut dem IEA-Report "The Future of Hydrogen" aus dem Jahr 2019 werden 33 Prozent des heute produzierten Wasserstoffs in Raffinerien verwendet (38 Mio. t H2/Jahr).

"Die Ölindustrie preist Wasserstoff als ihre große Zukunft an, aber in Wirklichkeit sind ihre Investitionen in grünen Wasserstoff nur dürftig. Stattdessen konzentrieren sie ihre neuen Raffineriekapazitäten auf Biokraftstoffe, mit denen der weltweite Verkehrsbedarf nicht nachhaltig gedeckt werden kann. Darunter kann kein Vorantreiben sauberer Technologien verstanden werden”, kritisiert Geert Decock, Manager für Elektrizität und Energie bei T&E.

Der Studie zufolge wird die Ölnachfrage im Straßenverkehr in der EU bis 2035 um fast ein Drittel zurückgehen, da mehr Autos auf Elektroantrieb umgestellt werden. Ab 2035 wird die Nachfrage nach Benzin jährlich um 5 Prozent sinken. Ein Großteil der derzeitigen Raffineriekapazitäten werde wegfallen müssen oder - um nicht als "stranded assets" zu gelten - auf die Verarbeitung alternativer Kraftstoffe umgestellt werden, so die Einschätzung.

Fast drei Viertel der Mittel fließen in zweifelhafte Biofuels

Von den 39 Milliarden Euro, die der Raffineriesektor bis 2030 in alternative Kraftstoffe investieren will, werden fast 75 Prozent in die wachsende Biokraftstoffproduktion fließen. Allein zwei bis drei Milliarden Euro werden in neue Anlagen für fortschrittliche Biokraftstoffe (HVO) investiert, wodurch sich die Produktionskapazität bis 2030 auf 10 Megatonnen verdoppelt. Laut der Analyse von T&E ist das viermal mehr als das, was in der EU auf nachhaltige Weise gewonnen werden kann. Dies werde wahrscheinlich dazu führen, dass in begrenztem Umfang "Abfallprodukte" wie tierische Fette aus anderen Industrien entnommen werden, sowie zu Massenimporten von zweifelhaftem Altspeiseöl aus dem Ausland. Die Ölraffinerie ist heute einer der größten Verbraucher von Wasserstoff, wobei meistens grauer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen verwendet wird.

Blauer Wasserstoff - nur die "halbe Miete"

Der Studie zufolge investieren die Ölkonzerne rund 6,5 Milliarden Euro in den so genannten “kohlenstoffarmen” blauen Wasserstoff, um ihre Produktionsprozesse zu sanieren. Das sei das Doppelte dessen, was sie für die Herstellung von grünem Wasserstoff und E-Fuels ausgeben, die für die Dekarbonisierung des Luft- und Schiffsverkehrs verwendet werden könnten.

"Wenn Ölproduzenten in Wasserstoff investieren, dann meist, um schmutzigen grauen Wasserstoff durch blauen Wasserstoff zu ersetzen, für den jedoch immer noch umweltschädliches fossiles Erdgas verwendet wird. Anstatt ihre Zeit mit einfachen, kurzfristigen Lösungen zu vergeuden, sollten die Ölkonzerne schon heute auf die Produktion von grünem Wasserstoff und E-Fuels für Schiffe und Flugzeuge umsteigen", kritisiert Geert Decock.

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