Seit mehreren Tagen protestieren LKW-Fahrer aus Georgien und Usbekistan auf der Raststätte Gräfenhausen bei Darmstadt. Der Grund: Sie haben nach eigener Aussage schon mehr als 50 Tage lang keinen Lohn von ihrem polnischen Auftraggeber erhalten. An Karfreitag eskalierte die Situation: Der polnische Unternehmer Lukasz Mazur, Eigentümer der Speditionsgruppe, kam laut Pressemitteilung des Deutschem Gewerkschaftsbund DGB mit einem Schlägertrupp inklusive gepanzertem Fahrzeug auf die Raststätte.
Sein Ziel soll es laut Bericht gewesen sein, den Fahrern die Lastwagen abzunehmen. Die Polizei griff ein und nahm 19 Personen fest. Unter den Festgenommenen seien der Besitzer und seine Mitarbeiter. Gewerkschafter aus Deutschland und den Niederlanden unterstützen gemeinsam mit dem DGB-Beratungsnetzwerk "Faire Mobilität" die Lastwagenfahrer vor Ort. Die DGB-Region Südhessen organisiert Spenden von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs.
Auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell war an Karfreitag vor Ort:
"Dass der Inhaber der Spedition einen paramilitärischen Schlägertrupp inklusive Panzerfahrzeug nach Deutschland schickt, um mit martialischer Bedrohung einen Protest von Lkw-Fahrern zu beenden, ist ein ungeheuerlicher Vorgang", drückt er seine Empörung aus. "Es ist alleine dem besonnenen und ruhigen Handeln der Polizei und der protestierenden Fahrer vor Ort zu verdanken, dass es keine gewalttätige Eskalation der Situation gab. Dafür gebührt den Kolleg*innen Dank und Anerkennung."
Alle in der Lieferkette müssten jetzt Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass die Fahrer so schnell wie möglich das geforderte Geld bekommen. Deshalb fordere der DGB unter anderem:
- Mehr und zielgerichtete Kontrollen in der Branche, um geltendes Recht durchzusetzen.
- Deutsche Unternehmen, die osteuropäische Speditionen beauftragen, müssen prüfen, ob diese geltendes Recht einhalten.
- Die Bundesregierung muss die Regelungen des EU-Mobilitätspaketes in nationales Recht umsetzen und durchsetzen.
- Generalunternehmer sollten das Road Transport Due Diligence Modell implementieren.
Körzell und der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema fordern außerdem große Unternehmen wie VW, Ikea und DHL auf, nicht länger Aufträge an die Firmengruppe zu vergeben. Deren Lkw sollen unter dem Namen "Lukmaz" und bald wohl unter "Megatrans" firmieren.
„Diese Fahrer erheben sich und fordern, dass sie anständig behandelt und für ihre Arbeit bezahlt werden“, sagte Stephen Cotton, Generalsekretär der International Transport Workers‘ Federation (ITF). „Es ist unglaublich, dass ihr Arbeitgeber, anstatt diesen Fahrern sofort die geschuldeten Löhne zu zahlen, in einem gepanzerten Auto mit angeheuerten Schlägern zur Streikpostenlinie kam, um Arbeiter einzuschüchtern und zu versuchen, ihre Lastwagen zu beschlagnahmen.“
Geschuldet sei dies der jahrelangen Gleichgültigkeit großer multinationaler Unternehmen und europäischen Gesetzgeber, die sich nicht um die Missbräuche in kritischen Lieferketten kümmerten, solange die Waren weiterhin pünktlich eintrafen, so Cotton weiter. Man fordere sofortige Maßnahmen.
Auch die International Road Transport Union (IRU) fordert Konsequenzen. Es müssten geeignete Maßnahmen für Lkw-Fahrer aus Drittstaaten in Deutschland getroffen werden. Man verurteile die Vorkommnisse "aufs Schärfste".
IRU-Direktorin Raluca Marian sagte: „Dies ist eine entsetzliche Situation. Diese Fahrer müssen mit Respekt behandelt und für ihre Arbeit entlohnt werden, wie es vertraglich und im Rahmen des Gesetzes festgelegt ist. Alle Straßenverkehrsunternehmen müssen sich an die Rechtsstaatlichkeit halten. Alle Verstöße oder illegalen Aktivitäten müssen von den zuständigen Vollzugsbehörden sanktioniert werden.“
Auch BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt verurteilt die Bedingungen unter denen die Fahrer teilweise unterwegs sind.
„Vorfälle wie der jetzige in Gräfenhausen zeigen deutlich, dass trotz Verbesserungsbemühungen wie dem EU-Mobilitätspaket 1 unlautere und marktverzerrende Praktiken im Straßengüterverkehr teilweise immer noch Realität sind. Diese Praktiken gefährden die Existenz von Fahrern und ihren Familien, zerstören aber auch Märkte für die allermeisten gesetzestreuen Unternehmen im Straßengüterverkehr, die ihren Fahrern faire Bedingungen bieten. Der BGL wird sich gemeinsam mit den deutschen Gewerkschaften und der IRU weiterhin für eine bessere Durchsetzung bestehender Gesetze in Deutschland und in ganz Europa einsetzen.“
Der Präsident des ZMPD (Polen), Jan Buczek, betonte: „Europa braucht Berufskraftfahrer aus Drittländern außerhalb der EU, um den zunehmend gravierenden Fahrermangel zu bewältigen, und gleichzeitig Bemühungen, den Fahrerberuf für Europäer mit unterschiedlicherem Hintergrund, insbesondere junge Menschen und Frauen, zu öffnen. Allerdings müssen alle Fahrer, einschließlich der Fahrer aus Drittstaaten, die von EU-Unternehmen beschäftigt werden, respektiert und ihre vollen Rechte gemäß den EU-Vorschriften verteidigt werden."
Bundestagsabgeordneter Udo Schiefner spricht gar von "katastrophalen Bedingungen", die in Teilen des Transportgewerbes herrschen und bekundet seine Solidarität mit den Lkw-Fahrern.
"Leider beauftragen auch namhafte deutsche Unternehmen Speditionen zu Dumpingreisen und verschließen die Augen davor, dass solche Angebote bei fairer Bezahlung und Einhaltung aller Regeln nicht möglich wären. Die Koalitionsfraktionen im Verkehrsausschuss werden in der kommenden Woche einen Antrag im Bundestag einbringen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, wettbewerbsverzerrende und unfaire Arbeitsbedingungen stärker zu bekämpfen."
Das Mindestlohngesetz müsse im grenzüberschreitenden Verkehr und im Kabotageverkehr für inländische und gebietsfremde Unternehmer noch wirksamer kontrolliert werden.
"Die Überwachungsbehörden müssen gestärkt und mehr Personal für Kontrollen bereitgestellt werden, die Auswertungen digitaler Kontrollgeräte noch effektiver genutzt und ausgeweitet werden und die relevanten Bußgelder empfindlich angehoben werden, um den wirtschaftlichen Vorteil tatsächlich erkennbar zu übersteigen. Der Bund und bundeseigene Unternehmen müssen mit gutem Beispiel vorangehen und für Transportleistungen nur Unternehmen beauftragen, die Tariftreue nachweisen", so Schiefner weiter.
Die Lkw-Fahrer solidarisieren sich derweil auf ihre Art mit den Kollegen. Viele binden eine Warnweste an ihren Außenspiegel und posten auf sozialen Medien unter dem Hashtag "Stay strong #Gräfenhausen".
Lkw , Lkw-Tests , Newsletter für Transportbranche und Speditionen , Wirtschaftsnachrichten , KEP-Dienste , Container, Paletten , Schienengüterverkehr , Lkw-Maut , Seehäfen , Luftfrachtverkehr , Transport-Recht , Elektromobilität , Europapolitik , Fuhrpark- und Flottenmanagement , Temperaturgeführte Transporte , Fahrzeugbeschaffung (Leasing, Miete, Kauf) , Frachtschifffahrt , Verkehrspolitik, Infrastruktur , Logistik- bzw. Transport-Dienstleistungen , Speditionen , Straßengüterverkehr , Lkw-Fahrer , Trailer (Sattel-Auflieger) , Lkw-Reifen , Kombinierter Verkehr
Mehr als 750 aktuelle Jobangebote aus der Transportbranche, vom Lkw-Fahrer über Fuhrparkmanager bis zu Disposition, Teamleitung und vieles mehr mit individueller Suchfunktion und Kartenansicht bieten wir Ihnen ab sofort in unserem Job-Bereich: Ihr nächster Schritt auf der Karriereleiter?