Steyr Automotive: Comeback als Lkw-Hersteller?

Visite in Steyr: Wir sprachen mit Günther Heiden, dem CEO von Steyr Automotive über die Zukunft der Marke und des Standortes. Klar ist: Die wird perspektivisch elektrisch sein.

 

Komplett gebaut in Steyr: Das Chassis von Volta Trucks plus der Aufbau von Mut - alles rein elektrisch. | Foto: Johannes Holzleitner/Steyr Automotive
Komplett gebaut in Steyr: Das Chassis von Volta Trucks plus der Aufbau von Mut - alles rein elektrisch. | Foto: Johannes Holzleitner/Steyr Automotive
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

2021 übernahm der ehemalige Magna-Manager Siegfried Wolf das MAN-Werk Steyr und firmierte es zu Steyr Automotive um. Dieses möchte er ähnlich wie Magna im Pkw-Bereich zu einer „verlängerten Werkbank“ für Lkw-Auftragsfertigungen machen. Erster Kunde ist Volta Commercial Vehicles aus London mit dem elektrischen Low-entry-18-Tonnen-Verteiler Volta Zero. Dazu sollen perspektivisch wieder elektrische Lastwägen wie der SuperPanther aus China kommen.

Außerdem integrierte man den Aufbauhersteller MUT Spezialfahrzeuge, der einst in Wien Stockerau Abfallsammelaufbauten und Kehrwagen fertigte im Werk Steyr und betreibt mit Steyr Paint eine von Europas größten Lackieranlagen für Lkw-Kunststoffteile, eine Metall-Lackiererei sowie eine manuelle Lackierlinie, in der bis zu drei Millionen Teile jährlich lackiert werden. Ein weiteres Standbein ist die Montage von Palfinger-Mitnahmestaplern für den nordamerikanischen Raum.

Wir waren in Steyr und sprachen mit Geschäftsführer Günter Heiden – ein einstiges Steyr-Daimler-Puch- und ebenfalls Magna-Urgestein – exklusiv über die Elektrifizierung der Nutzfahrzeugbranche und die Zukunft des Standortes in Oberösterreich.

Steyr Automotive steht derzeit auf vielen Beinen. Welche sind das und wie sind die aufgeteilt?

Günther Heiden: Wir haben vier Business-Units, denen wir ihre Kostenblöcke je direkt zuordnen können. Die aktuell größte ist Steyr Paint, wo wir aktuell im Zweischicht-Betrieb fahren und weiterhin Aufträge für MAN abwickeln, aber auch für neue Kunden, z.B. im Bereich Landmaschinen. Dazu kommen die Sonderaufbauten von MUT, die Auftragsfertigungen für Volta und Palfinger sowie Entwicklungsaufträge für neue externe Partner.

Wie groß sind aktuell die Umsätze der einzelnen Business-Units? Können Sie uns da Zahlen oder zumindest prozentuale Angaben geben?

Heiden: Stand Januar 2025 macht Steyr Paint ganz grob gesprochen rund 50 Prozent aus, MUT rund 30 Prozent, die Auftragsfertigung rund 15 und die Entwicklung rund fünf Prozent. Wobei sich das perspektivisch dramatisch ändern soll, denn gerade in der Auftragsfertigung haben wir noch riesiges Potenzial.

Der Standort Steyr hatte auch unter MAN immer eine eigene Entwicklungsabteilung. Die ist für Projekte wie die Weiterentwicklung des MUT-Programms und den SuperPanther auch nötig, oder?

Heiden: Die eigene Entwicklung ist essenziell wichtig für uns, denn nur so bleibt man unabhängig! Und sie ist wichtig für unsere Partner, denn gerade auch aus Asien, speziell aus China, kommen viele Anfragen nach EU-spezifischen Features, Zertifizierungen und Homologationen. Die Idee, die da im Raum steht, ist prinzipiell immer die Gleiche: Wir haben ein Produkt – meist ein Nutzfahrzeug, das aber in Europa nicht zugelassen werden kann und auch nicht für jeden Einsatzzweck gedacht ist. Hier geht es dann darum, es auf diverse Einsätze zu testen, EU-spezifisch umzurüsten, zu homologieren und zu zertifizieren.

So wie es mit dem SuperPanther geschieht?

Heiden: Wir bieten unseren Kunden an, in Branchen und Märkte mitzuwachsen und wenn sich das gut anlässt, können wir uns auch vorstellen, wieder Lkw unter Steyr-Label zu bauen.

Die letzten originären Steyr-Trucks liefen 1998 von den hiesigen Bändern, MAN pflegte die Marke noch bis 2007 mit umgelabelten MAN-Modellen, bevor am 25.9.2023 der letzte MAN vom Band lief. Gibt es da überhaupt noch Interesse an Steyr-Lkw?

Heiden: Und wie! Wir waren erstaunt, wie stark die Strahlkraft des Namens noch ist. Und das nicht nur in Österreich, wo man das noch als „Heimatverbundenheit“ werten könnte, aber auch in Deutschland und der Schweiz – und auch aus dem übrigen europäischen Ausland war das Feedback immer gleich: Toll, dass Steyr wieder Lkw bauen möchte.

Welche Versionen wären denn beim SuperPanther perspektivisch geplant?

Heiden: Wir starten mit der 4x2- und dann der 6x4-Sattelzugmaschine, bevor wir dann die verschiedenen Fahrgestelle angehen würden.

Auf die man auch MUT-Aufbauten setzen könnte?

Heiden: Das wäre in der Tat ein USP, der auch bei potenziellen Kunden gut ankommt – dass wir Lkw und Aufbau aus einer Hand anbieten könnten.

Können Sie uns kurz etwas zur Übernahme der MUT-Aktivitäten erzählen?

Heiden: Das war ein Asset-Deal, in dem wir alles, was für die Fortführung des Geschäfte notwendig und sinnvoll war, übernahmen. Wobei es uns hier darum geht, perspektivisch Qualität und Effizienz zu steigern und zusätzlich Produktinnovationen zu integrieren.

Inwiefern?

Heiden: Grundsätzlich sind Abfallsammelaufbauten und Kehrfahrzeuge Sonderaufbauten mit geringen Stückzahlen, oft in der Losgröße eins, speziell nach Kundenwunsch in Manufaktur-Manier aufgebaut. Dieses riesige Know-How samt seiner Kundenkenntnis galt es jetzt in eine effizientere Serienentwicklung und -montage, wie wir sie in Steyr seit jeher kennen, zu überführen. Aber das ist uns, glaube ich, ganz gut gelungen. Die Resonanz auf unsere IFAT-Neuheiten war jedenfalls sehr gut!

Auch hier wurde viel in elektrisch angetriebene Produkte investiert?

Heiden: Innerhalb von Städten und Gemeinden macht es absolut Sinn, alles elektrisch zu betreiben. Die Fahrzeuge und Aufbauten sind viel energieeffizienter, leiser und haben sehr überschaubare Strecken. Weshalb wir hier beim Grundfahrzeug und Aufbau „elektrisch-elektrisch“ denken! Zumal mittlerweile praktisch alle Lkw-Hersteller entsprechende Basisfahrgestelle anbieten. Und natürlich denken wir auch darüber nach, ein SuperPanther-Fahrgestell mit MUT-Aufbau zu versehen.

Gibt es dafür schon einen konkreten Zeitplan?

Heiden: Grundsätzlich wollen wir kundenfähige Prototypen bis Ende 2025 aufgebaut haben, die dann in Tests gehen. Denn Kundentests sind das A und O, wenn man zuverlässige Qualität anbieten will. Das Ganze werden wir anfangs eher regional starten, da man dann schneller reagieren kann. Da wird es extrem viel Feedback aus der Praxis geben, mit dem wir dann in die nächste Entwicklungsschleife gehen. Gleiches gilt für den SuperPanther, bei dem wir aktuell schon den Antrieb der nächsten Generation verbauen.

Für eine Lkw-Marke braucht man auch ein Händler- und Servicenetz. Wie wird das geregelt?

Heiden: Die Grundlage unserer Zusammenarbeit mit SuperPanther ist ihre „Enabler“ Strategie. Um auch außerhalb Chinas erfolgreich zu sein sucht SuperPanther gezielt nach Partnern mit Kompetenzen und Stärken, die ihr eigenes Knowhow ergänzen. Unsere größten Stärken sind neben der Fertigung auf jeden Fall Tests, Homologationen und Zertifizierungen. Aber über die genaue Aufgabenteilung im Rahmen unserer Partnerschaft können wir noch keine Details nennen.

Bei Volta ist man da einen Schritt weiter, oder?

Heiden: Grundsätzlich ja. Dass hier eine Insolvenz zu verkraften war, sah so keiner kommen und wir hatten hier auch bittere Einschnitte in unserer Belegschaft vorzunehmen. Mittlerweile hat Volta auch die künftigen Stückzahlen realistischer angesetzt und wir konnten das erste Los mit 30 Fahrzeugen, die im Prinzip dem finalen Serienstand entsprechen, zur Praxiserprobung bei den Kunden abliefern. Ein weiteres Los mit 20 Einheiten entsteht gerade und wird 2025 abgeliefert und wir hoffen, dass wir dann nach den Kundenrückmeldungen und finalen Anpassungen ab 2026 in eine Fließfertigung übergehen können. Wichtig ist immer das Skalieren der Produkte – aber das Klavier vom Prototyp bis zur Serienstückzahl, das spielen wir perfekt!

Auch mit den Energie- und Lohnkosten am Standort? Das scheint aktuell ein gesamteuropäisches Problem zu sein?

Heiden: Tatsächlich sind Energie- und Arbeitskosten in Westeuropa im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen zu hoch. Aber hier gilt es, Lösungen zu finden und noch effizienter zu werden. Für 2025 und die Folgejahre sind wir jetzt jedenfalls sehr gut vorbereitet. Jetzt müssen wir unsere Strategien auch umsetzen. Aber Macher waren wir in Steyr und bei Steyr immer schon!

Das Interview führte Gregor Soller

Zur Person:

Günther Heiden begann seine berufliche Laufbahn 1989 bei Steyr-Daimler-Puch. Danach sammelte er Erfahrungen bei Unternehmen wie Magna Steyr und Peguform. Es folgte die Position als COO bei Russlands Nutzfahrzeughersteller GAZ, mit dem Steyr Automotive einst eine Kooperation anstrebte, die durch den Überfall Russlands auf die Ukraine hinfällig wurde. Günther Heiden gilt als Vertrauter von Eigentümer Siegfried Wolf und bildet gemeinsam mit Florian Mayrhofer die Doppelspitze von Steyr Automotive.

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