In der Vorweihnachtszeit könnten Leerfahrten, sogenannte Blank Sailings deutlich zunehmen, da die Reedereien mehr Dienste streichen, um das Angebot an die Nachfrage anzupassen und den rapiden Verfall der Frachtraten aufzuhalten. Zu diesem Ergebnis kommt das IT-Unternehmen Project44 in seinem Bericht zum „Status des globalen Containerschiffsmarktes November 2022“: Daten der SCM-Plattform deuteten darauf hin, dass die Reedereien in der Vorweihnachtszeit bis zu 64 Prozent der Fahrten im Transatlantikverkehr streichen werden. Im transpazifischen Fahrtgebiet werden laut Project44 voraussichtlich fast die Hälfte aller Fahrten gestrichen, im Fahrtgebiet Europa-Asien sind es 38 Prozent.
„Wir beobachten eine langsame Normalisierung der globalen Lieferkette. Es gab einige offensichtliche Gewinner und Verlierer infolge des pandemiebedingten logistischen Stillstands, den wir letztes Jahr um diese Zeit erlebt haben. Trotz einiger verbleibender Engpässe, längerer Verweilzeiten und Verspätungen ist es offensichtlich, dass die Frachtführer jetzt die Karten neu mischen, da sich der Markt wieder zum Vorteil der Verlader verschiebt“, so Josh Brazil, VP, Supply Chain Insights bei Project44
Nach einer für die Reedereien enttäuschenden Hochsaison, in der sie im Oktober 74 Prozent der Dienste im Transatlantikverkehr und 56 Prozent im Transpazifikverkehr gestrichen hätten, sei im November eine Verbesserung der Verbindungen zu verzeichnen, die jedoch nur von kurzer Dauer sein dürfte, heißt es vonseiten des Anbieters.
Kapazitätsverschiebung von China nach Südostasien
Reedereien und Verlader scheinen laut Project44 auch in Asien die Karten neu zu mischen, indem sie mehr Tonnage nach Busan, Südkorea, verlagern. Die starken Volumenschwankungen in Chinas industriellem Kernland seien ein Teil des Problems, argumentiert der Anbieter. Die anhaltenden Spannungen zwischen den Regierungen der USA und Chinas in Bezug auf die Chiptechnologie und die ständigen Störungen der Lieferkette infolge der chinesischen Null-COVID-Politik hätten die Verlader dazu veranlasst, sich abzusichern und ihre Produktionszentren zu diversifizieren. Dies habe dazu geführt, dass Verlader und Seefrachtführer nach den neuesten Daten von project44 Kapazitäten in Südostasien aufgebaut haben.
Die Daten von Project44 zur Supply Chain Visibility zeigen, dass die TEU-Kapazität im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat um fünf Prozent gestiegen ist, was einen Anstieg von fünf Prozent gegenüber dem September bedeutet. Der Gesamtanstieg im Oktober war hauptsächlich auf die Kapazitätserweiterung der Reedereien im Fernen Osten und in Südostasien zurückzuführen, wobei Busan einen ungewöhnlichen Zuwachs von 451.194 TEU (14 Prozent mehr als im Vormonat) verzeichnete, da im Oktober 148 zusätzliche Schiffe im Vergleich zum September eingesetzt wurden. Dieser Anstieg der nominalen TEU-Kapazität machte acht Prozent des gesamten Kapazitätszuwachses von 5,8 Millionen TEU zwischen September und Oktober aus.
Ausblick: Von der „just in time“ zur „just in case“-Lieferkette
Die Gesamtnachfrage in der Containerindustrie ist Project44 zufolge rückläufig, da die Einzelhändler nach der Umstellung von einer „just in time“- auf eine „just in case“-Lieferkette auf Rekordbeständen sitzen. Für die Seeverkehrsunternehmen sei dies keine erfreuliche Nachricht, aber für Verlader, die noch auf dem Markt sind und ihre Lieferkette optimieren wollen, biete diese Entwicklung Chancen, so das Unternehmen. Und für die Verbraucher dürfte die vorweihnachtliche Einkaufssaison weniger holprig verlaufen. Es sei klar, dass die Verlader darauf drängten, die Risiken zu diversifizieren und zu mindern, indem sie sich von der einst so mächtigen Handelsachse zwischen China und der US-Westküste abwendeten. Dieser Trend wird sich fortsetzen, da die Unternehmen versuchen, ihre Risiken global zu streuen.
Unterdessen gibt es Project44 zufolge kaum Anzeichen für eine baldige Verbesserung der makroökonomischen Lage. Eine Rezession in den USA in Verbindung mit den wirtschaftlichen Problemen in Europa und China dürfte den Nachfragerückgang bei Containergütern nur fortsetzen und weltweit für mehr Unsicherheit sorgen, da die Auswirkungen einer Abschwächung der größten Volkswirtschaft der Welt auch in anderen Ländern zu spüren sind.
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