SCM: Teure Transporte aus Fernost belasten Importeure
Die politischen Spannungen im Nahen Osten treiben die Frachtraten für Seecontainer auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Und kurzfristig wird sich daran wohl nichts ändern. So lauten die Resultate einer Studie des Kreditversicherers Allianz Trade. Nachdem laut den Experten die Frachtraten zu Jahresbeginn drei Monate in Folge gesunken sind, haben sie seit Mai zu einem neuen Höhenflug angesetzt – und zwar auf den höchsten Stand seit August 2022. Die durchschnittliche Rate für einen 40-Fuß-Container sei auf 5.901 US-Dollar angezogen, das seien 121 Prozent mehr als zu Jahresbeginn und 297 Prozent mehr als im Vergleicht zum Vorjahreszeitraum, heißt es in der Studie.
Der Nahost-Konflikt und vor allem die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer sind Allianz Trade zufolge der wohl größte Preistreiber bei den Frachtraten. Das sieht auch Patrick Merkel, Geschäftsführer von Prologue Solutions aus Hamburg so:
„Weil die Schiffe einen langen Umweg um die Südspitze Afrikas machen müssen, sind die Lieferketten gestört und die Transportzeiten verlängern sich. Zudem sind aktuell viele Schiffe ausgebucht, Container ungleich verteilt und einige Häfen am Ende ihrer Kapazitäten“, so Merkel.
Transitzeiten liegen deutlich höher
Welche Auswirkung die Störungen haben, zeigt eine Analyse des Bochumer IT-Spezialisten Setlog, über die eine Pressemitteilung vom 7. August berichtet. Demnach waren im ersten Halbjahr dieses Jahres Textilien und andere schnelldrehende Konsumgüter aus Fernost im Schnitt 47,8 Tage unterwegs. Das sind verglichen mit dem Vorjahreszeitraum 12,2 Tage mehr. Im Detail analysierten die Spezialisten die Transportzeit zwischen 18 asiatischen Ports und den Westhäfen – vom Ablegen des Schiffes am Hafen bis zum Eintreffen am Zentrallager. Basis der Stichprobe von Setlog waren 50 Marken aus dem Bereich schnelldrehende Konsumgüter.
Das Delta wäre laut den Fachleuten von Setlog noch größer, wenn viele Importeure nicht auf die Fahrplanänderungen von Reedereien und Spediteuren reagiert hätten.
„Die führenden Unternehmen arbeiten eng mit allen Partnern zusammen, digitalisierten die Steuerung der Lieferkette und nutzen Planungs- sowie SCM-Software“, sagt Ralf Düster, Managing Director bei Setlog.
Noch etwas lässt sich aus den Daten ablesen: Die analysierten Firmen optimierten auch den Nachlauf. Die Transportzeit sank im Untersuchungszeitraum von im Schnitt 5,9 auf 4,9 Tage. „Diesen einen Tag haben die Unternehmen vor allem durch den intelligenten Wechsel von früher angefahrenen Entladehäfen und Verkehrsträgern im Nachlauf aufgeholt“, erläutert Düster.
Schwächelnder Konsum in Deutschland
Die Setlog-Daten spiegeln auch den aktuellen Stand der Konsumgüterwirtschaft in Deutschland wider: Die Stückzahlen lagen im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,8 Prozent niedriger. „Das liegt sicher am schwächelnden Konsum in Deutschland und der EU, aber marginal auch an Produktionsverschiebungen in Richtung Osteuropa, Türkei und Nordafrika“, erläutert Düster.
Die Entwicklung bei den Frachtraten für Seecontainern ähnelt laut der Setlog-Anylse jener, während der Covid-19-Pandemie, wenngleich die Ursachen ganz andere sind: Damals trieben die Shopper durch vermehrte Einkäufe im Internet die Transportpreise in die Höhe, auch deshalb, weil nicht genug Containerschiffe zu Verfügung standen. Und für einen sprunghaften Anstieg der Frachtraten sorgten 2022 die hohen Ölpreise.
2024 sind die Energiekosten nicht der Haupttreiber der gestiegenen Frachtraten, sondern die politischen Unruhen. Dazu kommt, dass der Anstieg des Welthandels bei der Preisentwicklung ebenfalls eine gewisse Rolle spielt. Die Experten von Allianz Trade betonen jedoch, dass dieser Faktor maximal 15 Prozent Anteil an den Raten habe.
Reeder als Nutznießer der Entwicklung?
Nutznießer der aktuellen Situation sind die laut der Pressemitteilung die Reedereien. In den vergangenen drei Monaten verbesserten sich ihre Ertragsaussichten. Und Fachleute gehen davon aus, dass die Reeder die aktuelle Situation dazu nutzen, das Preisniveau künstlich oben zu halten.
„Dafür sprechen gleich mehrere Fakten: Seit vier Wochen stagniert die Ratenentwicklung im Bereich der Verkehre zwischen Asien und Europa und ist zum Teil schon gesunken. Das ist ein Anzeichen, dass die Peak Season beendet ist. Es gibt zwar noch einen Rückstau, dieser dürfte aber bis Mitte September weitgehend abgebaut sein“, erläutert Patrick Merkel.
Es bleibe spannend, ob die Reeder die Preise auf einem hohen Niveau halten können. „Die meisten kündigten schon an, ihre Blank-Sailing-Programme, also das Streichen von geplanten Schifffahrten oder Hafenanläufen, bis Ende September weiterlaufen zu lassen.“ Der Lieferketten-Fachmann ist sich sicher, dass die politischen Krisen der Strategie der Reeder massiv in die Hände spielen. „Sollte der Konflikt in Nahost beigelegt werden und die Angriffe der Huthi-Rebellen enden, werden die Preise sofort stark sinken“, prognostiziert Merkel.
Temu blockt Luftfracht-Kapazitäten
Wie schaut es mit Alternativen für Importeure aus? Vom Schiff auf andere Verkehrsträger zu wechseln, ist für Unternehmen laut der Setlog-Analyse nur im Notfall eine Option. Es gibt zwar Düster zufolge wieder vermehrt Nachfragen nach Transporten mit dem Güterzug aus China. Doch die Optionen sind teurer als das Schiff und auch hier sind freie Kapazitäten mittlerweile stark nachgefragt und endlich. Noch tiefer müssen Importeure bei Luftfracht in die Tasche greifen:
„Chinesische Unternehmen wie Temu oder Shein blocken immer noch die Frachter-Kapazitäten, sodass Luftfracht oftmals nur in Passagiermaschinen gebucht werden kann“, berichtet Düster. Nach Daten von Branchenexperten fliegen Shein und Temu jeweils 4.000 bis 5.000 Tonnen Waren täglich aus. Anders formuliert: Jeden Tag müssen allein dafür mehr als Hundert Frachtflieger vom Typ Boeing 777 abheben.
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