Schienengüterverkehr: Vorrang für Energietransporte
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat zusammen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) eine Rechtsverordnung erarbeitet, die Energietransporte auf der Schiene Vorrang einräumt. Ziel sei, den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen sicherzustellen, schreiben die Ministerien in einer gemeinsamen Presseerklärung dazu.
Es gehe darum, sich so schnell wie möglich aus der „Klammer der russischen Energieimporte“ zu befreien, betonte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).
„Vorübergehend heißt das, dass wir russisches Gas im Stromsektor auch durch Kraftwerkskohle und Mineralöl ersetzen müssen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir dafür auch die Lieferwege umstellen. Das verlangt eine sehr anspruchsvolle Logistik, die es notwendig macht, Energietransporte auf der Schiene zu priorisieren.“
Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) fügte hinzu:
„Die Versorgung der Kraftwerke abzusichern und so die Energieversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Denn die Binnenschifffahrt kann bedingt durch das Niedrigwasser nur reduzierte Lasten transportieren und die wichtigen Bahntrassen sind auch ohne zusätzliche Energietransporte teilweise bereits über-, zumindest aber stark ausgelastet.“
Wie der Verkehrsminister weiter darlegte, müssen die Transporte daher überlegt und in sorgfältiger Abwägung priorisiert werden.
„Das ist keine leichte Entscheidung, weil es im Zweifel bedeutet, dass in diesen Fällen andere Züge warten müssen. Umso wichtiger ist es, bereits heute klare Regeln zu schaffen, bevor der Energiebedarf und damit die Nachfrage nach Energietransporten in Herbst und Winter steigt.“
Die DB Netz AG wird zusätzlich kurzfristig die Nutzungsbedingungen des Schienennetzes so anpassen, dass Mineralöl- und Kohletransporte auf der Ebene der Disposition, also bei der betrieblichen Abwicklung der Züge, bevorzugt behandelt werden. Mit der Rechtsverordnung können Mineralöl- und Kohletransporten auch auf Ebene der Trassenzuweisung vorrangig behandelt werden.
Hintergrund für die Verordnung ist die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verursachte Energiekrise. Dadurch haben sich grundlegende Veränderungen im deutschen Energiesystem ergeben. So arbeitet Deutschland daran, unabhängig von russischen Energieträgern (Kohle, Gas und Öl) zu werden und die Lieferungen zu diversifizieren. Entsprechend wurden und werden Lieferketten und -wege umgestellt.
Die Rechtsverordnung basiert auf der Grundlage des novellierten Energiesicherungsgesetzes (§ 30) und wird auf sechs Monate befristet. Sie sieht vor, dass Energieträgertransporte per Bahn und der schienengebundene Transport von Großtransformatoren bei Gefährdung des sicheren und zuverlässigen Betriebs der Elektrizitätsversorgung und bei Gefährdung des Betriebs von Raffinerien und der Mineralölversorgung Vorrang bei der Nutzung des Schienennetzes haben sollen. Dabei geht es um Transporte von Erdöl und Erdölerzeugnissen sowie von festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern. Großtransformatoren sind Kernelemente für Energieversorgungsnetze, die sich wegen ihrer Größe nur auf der Schiene transportieren lassen. Bei Ausfall oder Zerstörung von Transformatoren ist ein schneller Ersatz oder eine schnelle Reparatur notwendig, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten.
Die Eingriffe in den Schienenverkehr sollen so gering wie möglich gehalten werden, um auch andere Güterarten weiterhin den Bedarfen entsprechend transportieren zu können und Ausfälle oder Verspätungen im Personenverkehr weitestgehend zu vermeiden. Die Priorisierung erfolgt innerhalb eines klar definierten Energiekorridor-Netzes. Diesem liegen die Transportbedarfe der Energie- und Mineralölwirtschaft zugrunde (zum Beispiel vom Hafen zum Kraftwerk). Sollte eine Beschränkung anderer Schienenverkehre nötig sein, wird ein abgestuftes Priorisierungsverfahren vorgesehen, um den betrieblichen Vorrang von Energieträgertransporten und Großtransformatoren zu gewährleisten. Entschädigungen richten sich nach dem Energiesicherungsgesetz.
Zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung und aufgrund bestehender Kapazitätsengpässe auch beim Wagenmaterial kann es erforderlich sein, auch solche Güterwagen einzusetzen, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen. Die Vorschriften des Schienenlärmschutzgesetzes werden daher in diesem besonderen Ausnahmefall von der Anwendung ausgeschlossen.
Regulierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur. Sie überprüft, ob die Priorisierung rechtmäßig ist. Um eine Verzögerung des Zuweisungsverfahrens und also der Transporte auszuschließen, geschieht die Prüfung nachträglich.
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