Schienengipfel: Erfolgreiche Infrastruktur-Operation?

Nach dem  sogenannten Schienengipfel am 15. September regten sich die Stimmen verschiedener Branchenverbände. Die Bahnindustrie begrüße das finanzielle Bekenntnis, es brauche jedoch Verbindlichkeit, Planungssicherheit und Tempo. Eile fordert auch Wissing - von der Bahn. Und die Güterbahnen die notwendigen Bypässe.

Lichten sich die Wolken am Schieneninfrastruktur-Himmel? Für Mobilitätsbranche und Politik gilt es, einige Herausforderungen zu meistern. (Symbolbild: Pixabay)
Lichten sich die Wolken am Schieneninfrastruktur-Himmel? Für Mobilitätsbranche und Politik gilt es, einige Herausforderungen zu meistern. (Symbolbild: Pixabay)

Am 15. September fand auf Einladung von Bundesminister Dr. Volker Wissing der 5. Schienengipfel 2023 in Frankfurt statt. Das Motto lautete „Bauen, Ausrüsten und Digitalisieren für die leistungsfähige Schiene der Zukunft“. Vor Ort haben Vertreterinnen und Vertreter der Bahn- und Baubranche über den effizienten Einsatz der vom Bund bereitgestellten Mittel beraten - um möglichst schnell die dringend notwendigen Verbesserungen für Fahrgäste und Güterverkehrsunternehmen zu erreichen, so das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).

Bundesminister Dr. Volker Wissing appellierte an die Bahn und Baubranche, bei der anstehenden Bahnsanierung an einem Strang zu ziehen: „Die Schieneninfrastruktur wurde jahrzehntelang vernachlässigt und an ihre absoluten Grenzen gebracht. Das ist nicht mehr hinnehmbar und einer fortschrittlichen Wirtschaftsnation unwürdig. Wir brauchen die Bahn als klimafreundlichen Verkehrsträger. Diese Aufgabe kann Sie aber nur erfüllen, wenn sie wieder zuverlässig, effizient und modern unterwegs ist. Dafür schaffen wir nun den organisatorischen und regulatorischen Rahmen“, so Wissing.

Zusagen des BMDV

Bis 2027 plane man, rund 40 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Dies sei „ein Kraftakt und ein klareres Bekenntnis zur Schiene“, betonte der Minister. Die finanziellen Voraussetzungen seien nun geschaffen und die Prioritäten mit den Hochleistungskorridoren, der Modernisierung von Bahnhöfen, der Digitalisierung sowie dem Neu- und Ausbau der Infrastruktur gesetzt.

„Jetzt erwarte ich von der Bahn, dass sie ihre Zusagen einhält und die Sanierung in der gebotenen Eile umsetzt. Mit der neuen gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft werden wir den Sanierungsprozess transparent machen und genau kontrollieren. Sie wird planmäßig zum 1. Januar 2024 an den Start gehen“, fuhr Wissing fort.

Auch an die Bau- und Bahnindustrie wandte er sich eindringlich mit den Worten "Nutzen Sie ihre Chance, stellen sie Kapazitäten bereit, machen Sie die Bahn zu einem Konjunkturprogramm“. Zugleich versprach der Minister Planungssicherheit. Im Entwurf für den Haushalt 2024 und der Finanzplanung bis 2027 sind im Einzelplan des BMDV zusätzliche 11,5 Milliarden Euro für die Schiene vorgesehen – auch aufgrund von Einnahmen aus der erweiterten Lkw-Maut, heißt es.

Weitere Mittel für die Schiene in Höhe von 12,5 Milliarden Euro kämen aus dem Klima- und Transformationsfonds. Und die Deutsche Bahn erbringe einen Eigenbeitrag von drei Milliarden Euro. Weitere 12,5 Milliarden Euro sollen über eine weitere Eigenkapitalerhöhung zur Verfügung gestellt werden, so das BMDV.

Branchenstimmen

Doch wie äußerte sich die Bahnbranche selbst zum Schienengipfel und zu den Aussagen Wissings? Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. zeigt sich einerseits zuversichtlich:

Das finanzielle Bekenntnis des Bundes für die Schiene, der angekündigte Bundeshaushalt 2024 sei VDB-Präsident Andre Rodenbeck zufolge als ein starkes Signal für die Schiene zu werten, die Basis sei gelegt. Andererseits müssten nun alle ihre Hausaufgaben machen.

„Politik, Bau- und Bahnbranche müssen gemeinsam ehrlich und praxisnah das „Wie“ festlegen“, so Rodenbeck.

Vorschläge vom VDB

Es komme nun auf Verbindlichkeit, Planungssicherheit und Tempo an. Rodenbeck setze auf die Zustimmung des Bundestags zum Entwurf des Bundeshaushalts. Die angekündigten Mittel seien notwendig. Der Bundestag sowie stellenweise die EU-Kommission, müssten aber erst noch ihre Zustimmung geben.

Damit Gelder schneller genutzt werden könnten, müssten außerdem überkomplexe Finanzierungsmechanismen im Bahnverkehr optimiert werden. Nach Angaben des VDB seien vor der europaweiten Ausschreibung noch detailreiche Einzelverträge zu jedem Projekt zwischen Bund und Infrastrukturunternehmen abzuschießen – was teilweise Jahre in Anspruch nehme.

Den Zugang zu bestehenden Mitteln erleichtern könnte der Beschleunigungskommission Schiene zufolge eine Fondslösung. Ein Schienenfonds würde außerdem eine Überjährigkeit der Gelder gewährleisten, so der Verband.

Denn bisher würden Schieneninvestitionen - mit Ausnahme der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung - von Jahr zu Jahr und Haushalt zu Haushalt eingestellt. Es sei eine verbindlich gesicherte Finanzierung über mehrere Jahre notwendig.

„Die Bahnindustrie setzt auf eine langfristige Finanzierungsperspektive und damit auf eine unternehmerische Planungssicherheit über die gesamte Dauer der Projekte, um Kapazitäten entsprechend planen und gegebenenfalls notwendige Ressourcen aufbauen zu können“, unterstrich Rodenbeck. „Wir wissen, dass es gelingen kann. Jetzt müssen Politik, Betreiber und Industrie die nächsten Schritte der geplanten Projekte abstimmen“, zeigte sich der VDB-Präsident dennoch zuversichtlich.

Die Güterbahnen

Hoffnungsvoll zeigte sich zwar auch Peter Westenberger, Geschäftsführer der Güterbahnen, ob der bis 2027 zugesagten Zusatz-Milliarden. Doch ging er auf Wissings bildlichen Vergleich der „Operation am offenen Herzen“ ein und betonte, das beschriebene Großprojekt müsse noch besser vorbereitet werden.

„Bisher hat der DB-Netzdoktor noch nicht vor, die dem Patienten vom Minister versprochenen Bypässe zu legen. Ohne leistungsfähig gemachte Umleiterstrecken gefährdet die Vollsperrung die industrielle Produktion und die Ziele des Bundes für mehr Schienengüterverkehr“, äußerte sich Westenberger.

Westenberger zeigte sich außerdem besorgt, dass der parallel notwendige kapazitätssteigernde Neu- und Ausbau in Frankfurt keine Rolle gespielt habe.  Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. - die Güterbahnen empfehle, von den rund 45 Milliarden 30 Milliarden Euro für Neu- und Ausbau auszugeben und 15 Milliarden für den Bestandserhalt.

Nur die Sanierung dürfte nicht die nötigen Kapazitäten im Netz schaffen, um die vom Verkehrsministerium und der Branche anvisierten Wachstumsziele bis 2030 stemmen zu können, mahnt der Verband.

Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft

Anlässlich des Tags der Schiene mit zahlreichen Veranstaltungen, die vom 15. bis zum 17.9. stattfanden – so auch der Schienengipfel – äußerte sich auch Martin Burkert, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).

Es brauche länderübergreifende Verkehrskonzepte, um die Verkehrswende voranzutreiben – „auch im Sinne der Arbeitnehmerschaft“, machte er deutlich. Die Arbeitskraft werde künftig ein noch knapperes Gut, so Burkert.

„Mobilitätsangebote und vor allem die Mobilitätswende sind nur mit gut ausgebildeten, hoch motivierten und mit notwendig genügend Personal realisierbar“, äußerte sich der EVG-Chef. Mobilitätsbranche und Politik seien gleichermaßen gefordert, lautet sein Resümee.

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