Arag-Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer zufolge hat grundsätzlich jeder Arbeitnehmer Anspruch auf vier Wochen bezahlten Erholungsurlaub im Jahr. Bei einer Sechs-Tage-Woche seien dies 24 Werktage pro Kalenderjahr, bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage Urlaub.
Nach Angaben von Klingelhöfer sollte nach Möglichkeit der Jahresurlaub im laufenden Kalender genommen werden. Denn er soll laut dem Rechtsexperten dazu dienen, dass sich Arbeitnehmer erholen.
Lägen jedoch dringende persönliche oder betriebliche Gründe vor, weshalb der Urlaub nicht vollständig genommen werden konnte, dürfe der Resturlaub bis zum 31. März ins Folgejahr mitgenommen werden. Diese Tage würden dann zum neuen Jahresurlaub hinzugezählt, so die Angaben der Arag.
Können restliche Urlaubstage verfallen?
Klingelhöfer bezieht sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vor einigen Jahren (Az.: C 619/16 und C 684/16), demzufolge Urlaubsansprüche am Jahresende nicht mehr automatisch verfallen dürfen, wenn Arbeitnehmer nicht alle Tage ausgeschöpft haben.
Es liege seitdem in der Verantwortung von Arbeitgebern, die Mitarbeiter explizit und nachweislich darauf hinzuweisen, dass nicht genutzte Urlaubstage am Jahresende verfallen. Zugleich müsse den Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt werden, die restlichen Urlaubstage im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Erst dann könne der Resturlaub verfallen.
Ende Dezember 2022 stehe jedoch eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichtes darüber an, ob Resturlaub überhaupt verjähren darf. Das Urteil könnte sogar rückwirkend gültig sein, Arbeitnehmer hätten dann noch Anspruch auf jahrealten Urlaub.
Müssen nicht genommene Urlaubtage ausgezahlt werden?
Klingelhöfer erklärt, dass Resturlaub grundsätzlich nicht finanziell abgegolten werden darf. Es solle verhindert werden, dass Arbeitnehmer durch finanzielle Anreize auf ihren Erholungsurlaub verzichten.
Man habe dann einen Anspruch darauf, sich seinen Resturlaub auszahlen zu lassen, wenn man beispielsweise aus dem Unternehmen ausscheidet und noch alten Urlaub übrig hat. In diesem Fall spreche man von Urlaubsabgeltung.
Und Überstunden?
Überstunden hingegen verfallen nach Aussage des Arag-Rechtsexperten in der Regel erst nach drei Jahren. Es gebe allerdings keine gesetzliche Regelung darüber, bis wann Überstunden abgebaut oder bezahlt werden müssen. Der Anspruchszeitraum könne daher durch entsprechende Klauseln in Arbeits- oder Tarifverträgen auf bis zu drei Monate verkürzt werden.
Im Normalfall müssen laut Klingelhöfer Arbeitgeber Überstunden vergüten. Doch oft zögen es Arbeitgeber vor, die Überstunden ihrer Angestellten durch einen sogenannten Freizeitausgleich abzubauen. Dieser müsse vertraglich festgehalten sein, um rechtsgültig zu sein. Steht im Arbeitsvertrag eine Klausel, die den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich untersagt, muss der Arbeitgeber dem Rechtsexperten zufolge für geleistete Überstunden bezahlen.
Recht auf halbe Urlaubstage?
Arbeitgeber sind nach Aussage von Klingelhöfer nicht dazu verpflichtet, halbe Urlaubstage zu gewähren, auch wenn grundsätzlich Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien. In einem konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer über viele Jahre durchschnittlich zehn halbe Urlaubstage pro Jahr gewährt bekommen, um seiner Familie bei der Weinernte zu helfen.
Irgendwann genehmigte der Chef nur noch maximal sechs halbe Urlaubstage im Jahr. Der Arbeitnehmer legte Klage ein und argumentierte, dass es von Beginn an diese Regelung gegeben habe und daher eine betriebliche Übung entstanden sei. Laut Klingelhöfer ist dies aber erst der Fall, wenn alle Betriebsangehörigen oder zumindest eine große Gruppe der Arbeitnehmer davon Gebrauch machen (Az.: 4 Sa 73/18).
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