Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine sind die Hauptursachen für weiter angespannte globale Lieferketten. Flugverbote, eine starke Nachfrage nach Frachtkapazitäten und nicht zuletzt Containerstaus in der Seefracht sorgen dafür, dass der Luftfracht eine noch größere Bedeutung für die Versorgung zukommt. Doch der Fachkräftemangel macht der Branche zu schaffen. Der Aircargo Club Deutschland (ACD) traf sich in Berlin und sprach mit Vertretern der Branche über Herausforderungen und Perspektiven für die deutsche Luftfrachtbranche in Zeiten der Krise.
Umfliegen von Russland nötig
Rund ein Fünftel der gesamten Luftfracht von und nach Deutschland kommt aus Asien. Doch durch Sanktionen gegen Russland müssen europäische Frachtairlines Umwege in Kauf nehmen, die laut Markus Burchard, Senior Director Sales Frankfurt bei der Lufthansa Cargo, jeden Flug um bis zu zwei Stunden verlängern. Höherer Treibstoffverbrauch, der zu einer verringerten Ladekapazität von bis zu 20 % führt, macht Luftfrachtkapazitäten noch rarer und teurer. Darüber hinaus kommen die Sanktionen beispielsweise internationalen Fluggesellschaften zugute, die weiterhin den russischen Luftraum überqueren dürfen. Dies verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten.
Schon die vergangenen zwei Jahre erforderten größtmögliche Flexibilität der Fluggesellschaften. Allein 2021 mussten wir fast 400 Flugpläne veröffentlichen, um uns der Situation anzupassen. (Burchard)
Pandemie trieb Digitalisierung voran
Die Pandemie führte nicht nur zu einem Boom von Luftfrachtsendungen, sie trieb auch die Digitalisierung in einem beispiellosen Tempo voran. Die Digitalisierung hilft derzeit vor allem dabei, Prozesse zu beschleunigen und Personal effizienter einzusetzen.
Die Luftfracht hat lange gebraucht, um die Digitalisierung voranzutreiben. Doch wir sehen spätestens seit der Pandemie, dass es hier große Fortschritte beispielsweise im Zollbereich gegeben hat. In den nächsten vier bis fünf Jahren werden die Prozesse noch weitaus digitaler gestaltet werden. (Dr. Andreas Schröter, Geschäftsführer der Customs Support Group)
Neben der Digitalisierung von Frachtbriefen wickeln wir mittlerweile Frachtbuchungen zu 90 % über digitale Plattformen ab. Dies beschleunigt den Prozess und reduziert Fehlerquellen. (Burchard)
Auch Jens Oechler, Geschäftsführer der Prime Aircargo Services GmbH, bestätigte, dass Digitalisierung dabei helfe Personal effizienter einzusetzen:
Die Frachtabfertigung ist nach wie vor ein Peoples-Business. Jedoch ist es derzeit eine große Herausforderung, geeignetes Personal zu finden.
Personalmangel dringendstes Problem
Die Luftfrachtexperten sind sich einig, dass der Personalmangel derzeit das dringendste zu lösende Thema der Branche ist. Viele Beschäftigte in der Luftfahrt konnten während der Pandemie nicht gehalten werden und sind beispielsweise in Jobs im Einzelhandel gewechselt, die keine Schichtarbeit erfordern und auch körperlich weniger anstrengend sind. Verschärft wird die Situation laut Oechler durch die lange Vorlaufzeit: Bewerber müssen größtenteils zwei bis drei Monate gehalten und vorab qualifiziert werden, um eine Zulassung zum Arbeiten in sicherheitssensiblen Bereichen eines Flughafens zu erhalten, bevor sie letztendlich von den Unternehmen eingestellt werden können.
Prof. Christopher Stoller, Präsident des Aircargo Club Deutschland, appellierte, dass hier die Politik gefragt sei, damit der Standort Deutschland, keine Fracht verliert:
Entscheidungen müssen viel schneller getroffen und bürokratische Hürden wo immer möglich abgebaut werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
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