Modernisierungspaket: Kompromiss mit Licht und Schatten
Ausgesprochen sauer stößt dem Bundesverband Güterkraftverkehr und Entsorgung (BGL) die Verdoppelung der Lkw-Maut ab dem kommenden Jahr auf. Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhard empfiehlt Robert Habeck, dass er sich sein Rhabarber-Schorle doch künftig mit der Bahn vor die Haustüre liefern lassen solle.
„Denn die vom Koalitionsausschuss beschlossene Verdoppelung der Lkw-Maut ab 2024 ist politisches Harakiri! Ohne am Markt verfügbare Alternativen zum Diesel-Lkw und ohne Ladeinfrastruktur fehlt jedwede Lenkungswirkung zugunsten des Klimaschutzes. Damit belastet die Ampel nur den Endverbraucher, ohne es ehrlich dazu zu sagen!“
Insbesondere aber erbost Engelhardt, dass die zusätzlichen Milliarden in die Schiene fließen sollen, „obwohl Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer jeden Abend verzweifelt freie Stellplätze suchen“.
Die Mauterhöhung schmeckt auch dem DSLV Bundesverband Spedition und Logistik nicht so ganz. Dies werde zu einem erheblichen Anstieg der Frachtkosten im kommenden Jahr führen, der am Markt in den Lieferketten auf Industrie, Handel und am Ende auf die Verbraucher überwälzt werde. Dennoch befand DSLV-Präsident Axel Plaß:
„Es ist offensichtlich, dass Null-Emissions-Logistik nicht zum Null-Tarif erfolgen kann.“
Sowohl Straßen als auch Schienenwege seien überlastet und notleidend. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stabilisieren, müssten sämtliche Verkehrswege bedarfsgerecht geplant werden.
„Von einer auskömmlichen Finanzierung und Verfahrensbeschleunigung müssen alle Verkehrsträger profitieren, damit sie übergreifend zusammenarbeiten und den Blutkreislauf der Wirtschaft erhalten können. Verkehrsträgerbezogenes Silodenken ohne Konnektivität der Systeme führt in eine Sackgasse."
Eines allerdings vermisst Plaß im Koalitionskompromiss: Das sind Aussagen zur Stärkung der Wasserstraßen.
Ausdrücklich lobende Worte fand der Verband der Automobilindustrie (VDA). Dessen Präsidentin Hildegard Müller erklärte:
„Die Entscheidungen des Koalitionsausschuss enthalten einige wichtige und richtige Weichenstellungen, die für eine erfolgreiche Transformation zwingend notwendig sind.“
Insgesamt habe die Ampel-Koalition ambitionierte Punkte beschlossen, die das Potenzial hätten, die Transformation und somit das Tempo beim Klimaschutz zu beschleunigen und gleichzeitig längst notwendige Infrastrukturprojekte voranzubringen. Müller forderte, dass die Ampel jetzt allerdings mit dem neuen „Deutschlandtempo“ vom Ankündigungs- in den Umsetzungsmodus zu kommen müsse. Explizit lobte sie den stärkeren Marktwirtschaftlichen Ansatz und die Planungsbeschleunigung beim Infrastrukturausbau.
Eine Stärkung für emissionsfreie Lkw und Pkw will der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) in den Beschlüssen erkennen. Geschäftsführer Alexander Jess ist überzeugt:
„Das Modernisierungspaket der Bundesregierung kann den emissionsfreien Antrieben beim Pkw und Lkw weiteren Schub geben. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung mit ihren Beschlüssen die Technologieoffenheit im Verkehr stärkt. Damit ermöglicht sie, dass verschiedene klimafreundliche Antriebstechnologien und Kraftstoffe ihren Beitrag leisten können. Gerade für die CO2-Reduzierung des Fahrzeugbestands sind E-Fuels besonders wichtig.“
Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der Güterbahnen, begrüßte, dass die Ampel das Markanteilsziel von 25 Prozent Schiene im Güterverkehr bis 2030 bekräftigt und zur Richtschnur gemacht hat. Er beklagte jedoch mangelnde Transparenz:
„Selbst wir als Nutzer und Kunden der DB-Infrastruktur wissen nicht, welche Maßnahmen die DB mit den von der Koalition bewilligten 45 Milliarden Euro bis 2027 umsetzen will. Wir benötigen einen schnelleren güterverkehrsorientierten Zubau von Gleisen und Verladeeinrichtungen als bisher – und zwar neben der Sanierung des Bestandsnetzes.“
Kerkeling sieht hier auch das Bundesverkehrsministerium in der Pflicht:
„Die Uhr für die Errichtung der gemeinwohlorientierten Schieneninfrastrukturgesellschaft und eines leistungsfähigen Kontrollapparats tickt immer lauter. Beim hoch defizitären DB-Konzern einfach das Eigenkapital um zig Milliarden Euro zu erhöhen, ohne strukturell etwas zu verbessern, wäre fahrlässig und naiv.“
Dass zukünftig mehr Investitionen in die Bahn fließen wollen, stößt insgesamt bei Bahnverbänden auf ein positives Echo, auch beim Verband deutscher Verkehrsunternehmer (VDV).
„Erhöhte Investitionen ins Netz, Ausbau von Terminals im Kombinierten Verkehr und Beschleunigungen bei der Planung sind zentrale Ergebnisse, die das Gesamtsystem in den kommenden Jahren deutlich voranbringen werden. Das begrüßen wir, jetzt kommt es auf eine schnelle Umsetzung dieser Beschlüsse an“, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.
Deutliche Kritik kommt schließlich noch von Umweltverbänden, wie dem ökologischen Verkehrsclub VCD - wenn auch aus ganz anderem Grund, als beim BGL. Der VCD moniert, dass SPD und FDP die Sektorziele schleifen und den Klimaschutz im Verkehr begraben würden. Auf „nichts als faule Kompromisse“ habe man sich einigen können, heißt es in einer Pressemeldung.
„Statt die Herausforderungen des Klimawandels zügig anzugehen und vor allem das Sorgenkind Verkehr endlich auf Kurs zu setzen, will die Koalition die verbindlichen Sektorziele streichen. Künftig werden alle anderen Sektoren in Haftung genommen und müssen zusätzlich Emissionen verringern, damit auf den Straßen weiterhin die Verbrenner ohne Tempolimit rasen dürfen. Damit wird jeglicher Druck von Verkehrsminister Wissing genommen, selber ambitionierte Maßnahmen umzusetzen“, lautete das Fazit der Bundesvorsitzenden Kerstin Haarmann.
Erst gestern hatten SPD, FDP und Grüne ihr Modernisierungspaket nach 30-stündiger Debatte im Koalitionsausschuss präsentiert. Es waren wohl vor allem die Grünen, die mit ihrem Beharren auf Klimaschutz die Verhandlungen in die Länge zogen. Sie wollten noch weiter gehende Abschwächung das Klimaschutzgesetzes verhindern. Wie es aus internen Kreisen der Grünen hieß, war das Ziel von FDP und SPD das Klimaschutzgesetz noch deutlich stärker zu entkernen. Auch dass jetzt endlich mehr in die Bahn als in die Schiene investiert werden soll, haben demnach die Verhandler der Grünen durchgesetzt, die sich eigentlich noch mehr gewünscht hätten. Aber so ist es mit jedem Kompromiss: so ganz zufrieden ist am Ende keine Seite.
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