Mercedes-Benz Vito: Über die Brücke mit guter Pflege
Knapp zehn Jahre alt ist der Mercedes-Benz Vito, Baureihe 639 nun alt. Und böse Zungen behaupten, er habe ohnehin auch einiges von seinem 2005 präsentierten Vorgänger, Kürzel 638, an Technik übernommen. Dann wäre er in etwa altersgleich mit dem VW T6 Transporter, der ebenfalls 2005 neu kam – und mittlerweile nicht mehr bestellbar ist. Die beiden deutschen Erzrivalen auf dem Kompakt-Van-Feld quält ein Problem: Der späte Einstieg in die Elektromobilität erfordert lange Planungsphasen und passt überhaupt nicht in die üblichen Lebenszykluskalkulationen der Anbieter. Die sind in Zeiten der Transformation aber obsolet und kaum mehr durchzuhalten. Es braucht dedizierte Elektro-Fahrzeuge, die von Anfang an darauf hin entwickelt wurden.
Wie etwa den VW ID. Buzz, der aber leider die Mittelklasse mit mauer Nutzlast und nur 3,9 Kubikmeter Volumen nicht abdecken kann. Die nach dem aktuell schwächelnden Pionier Renault (und Nissan) früh vorgepreschten Stellantis-E-Vans auf einer Multiantriebsplattform fahren zwar sich gut, kranken aber chronisch an Reichweite und Effizienz. China drängt mit Marken wie Maxus und dem eDeliver3, bald dem eDeliver7 mächtig in diese Nische, die auch Ford erst 2024 mit Erscheinen des Nachfolgers des Transit Custom schließen kann. Bei Mercedes wird der eVito eher noch länger durchhalten müssen, ab 2026 soll der Van.EA-Baukasten mit seiner modularen Architektur von Mittel bis Groß dann soweit sein. Drei Jahre sind in der aktuellen Zeit natürlich „eine Welt“ – und es wird einem ein wenig bang um die einst stolzen Teutonen.
MBUX und ADAS: Mehr Konnektivität und mehr Infotainment
Damit der Vito so lange durchhält, erhält er jetzt eine weitere der schon zahlreichen Modellpflegen, die allerdings nicht den Diesel-Antrieb oder den dank der 2021er-Pflege deutlich verbesserte E-Antrieb (60 kWh-Akku, 85 kW Motor, 50-80 kW DC/11 kW AC) oder das generelle Line-up (bis 3,2 Tonnen, zwei Radstände, 5,5-6,6 m³) betreffen, die bereits vorletzten Jahr „gemopft“ wurden, wie es im Jargon heißt (MOPF für Modellpflege).
Die Verbesserungen betreffen aber die Konnektivität, den Komfort und die Fahrerassistenz, wo dringend auch Nachbesserungsbedarf bestand, beim der Mittelklasse mit Stern. So hält konsequenterweise endlich auch beim Vito im ansonsten diskret bei ein paar Ablagen und induktives Ladeschale (Option) modifizierten Cockpit das moderne MBUX-Infotainment mit Sprachbedienung und Telematikanbindung Einzug. Hier in Ausprägung eines völlig ausreichend großen und wie gewohnt knackscharfen 10,25-Zoll-Touchscreens in der Mitte. Im Zentraldisplay informiert wahlweise ein 5,5-Zoll-Farbfensterchen zu den weiterhin (und völlig ausreichenden) analogen Instrumenten. Das MBUX serviert dem eVito-Fahrer/Fahrerin dann auch elektrospezifische Kriterien, wie Reichweite, Akkustand, Ladedauer und Ladeleistung. Und kann dem Vernehmen nach eine „intelligente“ Routenplanung inklusive Ladestopps oder eine Vorklimatisierung vornehmen.
Hey Mercedes: Der Stern spricht immer besser
Stolz ist man beim Stern auch auf die Sprachbedienung, die man für eine der besten im Markt hält und die sich per „Hey Mercedes“ aktivieren lässt. Auch die Navigation mit „Live Traffic“, also Echtzeitinfomationen erwies sich im Sprinter bereits als sehr präzise und schnell, wird also auch im Vito ein Gewinn sein. Mittlerweile „state of the art“ und jetzt auch beim Vito möglich: Die Anbindung des Fahrzeugs an die hauseigne App für Fernabfrage diverser Fahrzeugzustandsdaten. Mit MBUX einher geht auch das griffige und ergonomisch recht gut gemachte Multifunktionslenkrad. Schön, dass Mercedes diese Features gleich zur Serienausstattung erklärt.
Was ebenso konsequent ist, wie die Abschaffung des Schlüssels zum Starten, besonders absurd beim elektrischen Modell: Keyless Go ist jetzt Standard. Ganz konsequent wäre dann noch die Ergänzung der elektrischen Parkbremse gewesen, beim eVito immerhin Standard. Beim „Base“ ist dafür die teilautomatische Klimaanlage, Regensensor und Fahrlichtassistent mit an Bord. Apropos Licht: Die optisch auffälligste Änderung neben ein bisschen „Grill-Kosmetik“ sind die LED-Leuchten am Heck (Serie) und an der Front (Option), hier als aufwändiger Multibeam-LED (84 Einzel-LED).
Fahrerassistenz: Zeit wird's für ein Update
Wenn man schon dabei ist: Auch bei der Fahrerassistenz legt der Vito nach und bündelt in Serie den Tempomat, aktiver Brems-Assistent mit Kreuzungsfunktion, Totwinkel-Assistent, Aktiver Spurhalte-Assistent, Intelligenter-Geschwindigkeits-Assistent und Rückfahrkamera. Wer weiter aufstocken will, kann mit dem neuen FAS-Paket den aktiven Abstands-Assistenten Distronic, jetzt mit streckenbasierter Geschwindigkeitsanpassung und erweitertem automatischen Wiederanfahren im Stau ergänzen. Mit im Paket ist dann auch der aktiven Lenk-Assistent und der aktiven Geschwindigkeitslimit-Assistent.
Für leichteres Einparken ist das neue Park-Paket mit 360-Grad-Kamera erhältlich, ob man die 360-Grad-Visualisierung bei kameraunterstütztem Parken mithilfe von 3D-Bildern braucht, um sich zurechtzufinden, sei dahingestellt. Das Park-Paket wiederum umfasst den aktiven Park-Assistenten, die Querverkehrswarnung hinten, die Fußgänger-Notbremsung und den Wegfahr-Assistenten. Zusätzlich beinhaltet das Park-Paket mit 360° Kameraeinen Anhängerrangier-Assistenten in Kombination mit Anhängerkupplung und Automatikgetriebe. Alles Goodies und Features, die man schon von anderen Herstellern kennt. Der Vito fährt damit also wieder auf Augenhöhe – und über die Brücke. Das muss er auch: Bis 2026.
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