Logistikforum: Handeln bevor die Lkw stehen
Digitalisierung - das war das Schlagwort unter dem das Webinar „Digitales Logistikforum 2023" von SVG und Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stand. "Zukunft digital: So qualifizieren sich die Fachkräfte von Morgen", hieß die Einstiegsveranstaltung, doch bereits beim Grußwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Digitales und Verkehr (BMDV), Oliver Luksic, wurde klar: Qualifizierung ist das Eine, Rekrutierung das Andere. Denn qualifizieren lässt sich nur, was da ist und das ist gerade bei den Berufskraftfahrern das große Problem. Stichwort Fahrermangel. Die Firmen finden schlichtweg kein oder kaum Personal. Und das, wie Luksic betonte, obwohl ganz Deutschland "auf die Logistik angewiesen" ist. Deshalb werde man auch weiterhin massiv in die Infrastruktur investieren und habe im Bundeshaushalt 2023 ein "Rekordniveau" an Geldern zur Verfügung gestellt - 4,6 Milliarden Euro sollen in den Erhalt, 2,9 Milliarden Euro in den neuen Ausbau fließen.
"Gleichzeitig wollen und müssen wir Planungs- und Genehmigungsverfahren grundlegend beschleunigen, damit wir das auch alles verbaut bekommen", so Luksic weiter.
Verkehrsmix statt Ausspielerei
Wichtig sei zudem, die Verkehrsträger nicht gegeneinander auszuspielen, sondern auf Intermodalität, Technologieoffenheit und Wettbewerb zu setzen. Denn Fakt sei - wie in der Verkehrsprognose (wir berichteten) belegt:
"Für den Güterverkehr bleibt die Straße auch in Zukunft entscheidend und gewinnt sogar relativ an Bedeutung, weil es auf vielen Destinationen gar keine Alternative zum Lkw gibt."
Der Mix sei hierbei entscheidend. In Sachen alternative Antriebe sieht Luksic zunächst die Hersteller in der Pflicht. Auch, wenn man seitens des Ministeriums mit Fördergeldern nachhelfe. Daneben werden aber auch erneuerbare Kraftstoffe "eine zentrale Rolle spielen".
"Deshalb setzen wir uns für eine europäische Lösung für E-Fuels ein."
Ein erster Erfolg sei dabei die Zulassung von reinem Biokraftstoffen zur Reinvertankung. Damit solle etwa HVO100 auch in Deutschland komplett und nicht nur als Beimischung erhältlich werden.
Und auch in Sachen Digitalisierung in der Berufskraftfahrer-Qualifikation wolle man Gas geben und damit den Nachwuchs locken, so Luksic. So sei der Einsatz digitaler Lernsysteme - auch in Fremdsprachen - bereits möglich. Mit dem Entwurf zur Änderung der Berufskraftfahrer-Qualifikationsverordnung soll digitaler Unterricht auch in der Weiterbildung ermöglicht werden.
Fahrermangel und kein Ende in Sicht
Diesen Ansatz griff Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher BGL, sogleich in der anschließenden Podiumsdiskussion unter Moderation von Miriam Schwarze, Leiterin Wirtschaftliche Grundsatzfragen und Berufsbildung beim BGL, auf. Über 100.000 Fahrer fehlten der Branche im Moment - jedes Jahr werden es circa 15.000 mehr.
Die Kernprobleme seien immer noch:
- schlechtes Image
- schlechte Rahmenbedingungen
- schlechte Entlohnung - auch wenn sich hier in letzter Zeit einiges getan habe.
Eine sehr "angespannte Situation", bekräftigt Engelhardt.
Gas geben bei Reformen
Martina Englhardt-Kopf, Berichterstatterin für Güterverkehr und Logistik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, pochte diesbezüglich auf Geschwindigkeit. "Es geht viel zu langsam", so die Abgeordnete. Politik dürfe nicht nur Probleme beschreiben, sondern müsse Lösungen schaffen.
"Wir können es uns nicht leisten, Jahre für Reformen zu brauchen", betonte sie.
Direkt aus der Praxis berichtete Kerstin Seibert, Geschäftsleitung der Spedition Hans Adam Schanz GmbH & Co. KG. Ihre Mitarbeiter blieben meist sehr lange - oft über das Rentenalter hinaus - somit seien sie nicht so stark getroffen. Dennoch: Neue Fahrer seien Mangelware, Nachwuchs sowieso. Drei Auszubildende im zweiten Lehrjahr habe man derzeit.
"Das können die wenigsten von sich behaupten, das war großes Glück", erzählte Seibert.
Qualifikations-Hürden und Führerscheinreform kosten Nachwuchs
Ob auch die Qualifikations-Hürden, die der BGL jahrelang nach oben trieb um den Beruf attraktiver zu machen, inzwischen ein Problem seien, fragte Moderatorin Schwarze bei ihrem Chef Engelhardt nach. Diesen Schuh müsse man sich wohl anziehen, so der BGL Vorstandssprecher.
"Rückblickend war die Einschätzung fehlerhaft."
Nun wolle man vor allem für Entbürokratisierung und Vereinfachung einstehen. So zum Beispiel in Sachen Weiterbildungspflicht. Diese sei doch beispielsweise bei Rentnern, die etliche Jahre auf dem Bock unterwegs waren, unnötig. Und auch die Führerscheinreform 1999, bei der die Klassen neu eingeteilt und die Pkw-Fahrerlaubnis auf Fahrzeuge mit maximal 3,5 Tonnen beschränkt wurde - koste nun Kraftfahrer-Nachwuchs, so Engelhardt. Es sei zu überdenken, ob man die alte Fahrerlaubnis - etwa mit Beschränkung auf Solobetrieb ohne Anhänger - wieder in Kraft setze.
Und auch in Sachen Digitalisierung seien uns andere EU-Länder bereits weit voraus, meinte Engelhardt. Das sah auch Gerald Hartwig, Leiter Operatives Geschäft, SVG-Akademie GmbH, so.
"Die technischen Möglichkeiten gibt es längst, warum sie nicht nutzen?", fragte er.
Diese Frage wurde an diesem Tag mit Sicherheit noch öfter diskutiert, denn bis nachmittags berichteten Experten über Themen rund um Digitalisierung und die Zukunft der Branche.
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