Logistik- und Transportwirtschaft: Dealgeschehen ausgebremst
Das fragile wirtschaftliche und geopolitische Umfeld sowie die gestiegenen Kapitalkosten haben das Dealgeschehen in der Transport- und Logistikbranche im ersten Halbjahr 2023 stark ausgebremst, das stellen das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland und Strategy& in der aktuellen Ausgabe des „Transport & Logistics Barometer“ fest.
Für die Studie analysiert die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft halbjährlich die aktuellen Entwicklungen, Mergers & Acquisitions (M&A), Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie.
Demnach wurden in der ersten Jahreshälfte 2023 nur 85 Fusionen und Übernahmen mit einem Volumen von mindestens 50 Millionen US-Dollar angekündigt. Im Vorjahreszeitraum seien es mit 144 deutlich mehr gewesen. Das gesamte Dealvolumen fiel laut PwC auf 34,3 Milliarden US-Dollar – den niedrigsten Stand seit zehn Jahren.
Zum Vergleich: In diesen zehn Jahren erreichte das Volumen durchschnittlich 67,5 Milliarden US-Dollar pro Halbjahr, in den vergangenen fünf Jahren 75,1 Milliarden US-Dollar pro Halbjahr.
„Infolge der wirtschaftlichen Abkühlung Ende 2022 sind die Fusionen und Übernahmen in allen Branchen rückläufig – auch im Transport- und Logistiksektor spiegelt sich dies wider“, sagt Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland. „Besonders Finanzinvestoren haben sich in den ersten Monaten des Jahres spürbar zurückgehalten.“
Laut Analyse entfielen nur 38 Prozent des Dealvolumens in der ersten Jahreshälfte auf Finanzinvestoren – ein signifikanter Rückgang im Vergleich zu 2022, als diese noch für 64 Prozent des Dealvolumens verantwortlich waren. Dr. André Wortmann, Koordinator Transport & Logistik Deals bei PwC Europe, zu den Gründen:
„Besonders für Finanzinvestoren, die in der Regel stärker auf Fremdkapital angewiesen sind als strategische Investoren, sind die Finanzierungsbedingungen durch die steigenden Zinsen aktuell schwierig. Sie agieren entsprechend selektiv und fokussieren sich auf kleinere Transaktionen, bei denen weniger Fremdkapital nötig ist und die Risiken geringer sind.“
Die Zurückhaltung der Finanzinvestoren war vor allem bei den Megadeals zu spüren: In der ersten Jahreshälfte kam es nur zu fünf Megadeals mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar und Finanzinvestoren waren lediglich an zwei dieser großen Mergers and Acquisitions beteiligt.
Zum Vergleich: Von Januar bis Juni 2022 gab es 19 Megadeals, im Gesamtjahr 2022 waren es 32 (2021: 46). Der Anteil der Finanzinvestoren an den Megadeals lag in diesen Jahren bei 47 Prozent. Es wurden zwar insgesamt weniger Deals angekündigt, die Transaktionen erzielten im Schnitt jedoch deutlich höhere Preise. Der Sales Multiple stieg im Median von 1,7 im Gesamtjahr 2022 auf 3,1 im ersten Halbjahr 2023.
„Investoren fokussieren sich auf qualitativ hochwertige Targets und sind bereit, dafür in einem aktuell sehr volatilen Geschäftsumfeld höhere Preise zu zahlen“, so die Einschätzung von Ingo Bauer.
Mit 40 Deals sei der Bereich Logistik und Güterverkehr in der ersten Jahreshälfte erneut das aktivste Segment bei den M&A-Deals und strategischen Partnerschaften. Wie in den vergangenen Jahren fand knapp die Hälfte der Transaktionen in diesem Subsektor statt. Aber auch hier gilt PwC zufolge: Sowohl die Anzahl als auch das Volumen der Deals liegen deutlich unter dem Schnitt der Vorjahre.
Auffällig sind aus Sicht von Ingo Bauer einerseits die Beteiligung von Unternehmen außerhalb der Transport- und Logistikbranche an zahlreichen Deals und andererseits einige interessante Joint Ventures und Allianzen:
„Im Paketbereich beobachten wir zum Beispiel, dass große Branchenakteure Joint Ventures oder strategische Allianzen eingehen, um die Lieferperformance und den Kundenservice zu verbessern. Ein aktueller Schwerpunkt von Kooperationen sind KI-gestützte Lösungen, die dazu beitragen, die Transparenz der Lieferketten zu verbessern.“
Auf den Subsektor Schifffahrt entfielen mit 19 Deals immerhin 22 Prozent der angekündigten Transaktionen, wobei insbesondere Ziele rund um die Hafeninfrastruktur attraktiv bleiben. Auch die bisher größte Übernahme des Jahres fand in diesem Subsektor statt: Das französische Schifffahrts- und Logistikunternehmen CMA CGM kündigte an, Bolloré Logistics für 5,1 Milliarden US-Dollar zu kaufen.
Die Übernahme stehe exemplarisch für die Expansionsstrategien vieler Reedereien, die sich zu voll integrierten Logistikanbietern weiterentwickeln wollen. Burkhard D. Sommer, stellvertretender Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland, geht von weiteren Übernahmen durch Reedereien aus, die ihre Diversifizierung vorantreiben möchten. Akquisitionen in der Größenordnung der Bolloré-Transaktion werden in Zukunft aber seltener werden – aus einem einfachen Grund:
„Es mangelt schlichtweg an geeigneten Übernahmezielen im Markt, auch wenn das Kapital vorhanden wäre“, so Sommer.
Mit Blick auf die künftige Entwicklung der Branche geht Ingo Bauer von einer „vorübergehenden Abschwächung, nicht jedoch von einer langfristigen Rezession“ aus. Aus seiner Sicht bestehen jedoch nach wie vor zahlreiche Abwärtsrisiken.
„Insbesondere eine weitere Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, eine anhaltend hohe Inflation und eine fortschreitende geoökonomische Fragmentierung würden die Branche und das Transaktionsgeschehen negativ beeinflussen.“
In puncto Fusions- und Übernahmetätigkeiten müsse man laut André Wortmann damit rechnen, dass diese auch in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der schwierigen Finanzierungsbedingungen und dem allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld auf einem niedrigen Niveau verharren werden.
„Dennoch rechnen wir mit einer Reihe kleiner bis mittelgroßer Transaktionen, die darauf abzielen, neue Kompetenzen aufzubauen, um Innovationen zu beschleunigen. Die großen Akteure werden zudem weiterhin damit beschäftigt sein, vergangene Übernahmen zu integrieren und ihr Kostenmanagement zu verbessern. Denn nur so können sie den schwindenden Gewinnmargen die Stirn bieten“, so das Fazit des Experten.
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