Vor nicht einmal ganz zwei Jahren hat Freitag nach eigenen Angaben beschlossen, die Entwicklung einer neuartigen, kreislauffähigen Plane anzustoßen, damit diese – wie auch die Taschen, die es einmal daraus geben soll – nicht nur rezykliert, sondern auch endlos rezyklierbar sind. Das heißt, die Planen müssen zuerst den harten Bedingungen auf der europäischen Transitstrecke standhalten. Später sollen sich daraus wie aus den bisherigen Freitag Unikate schneiden lassen. Aber am Ende ihrer (Taschen-)Tage soll man sie nicht verbrennen müssen, sondern sie sollen sich in ihre Grundstoffe zerlegen lassen können, damit daraus wieder Neues entstehen kann.
Kreislauffähig und robust
Wie die konventionelle wird laut Unternehmen auch die neue kreislauffähige Plane aus einem robusten Gewebe und einer wasser- und schmutzabweisenden Beschichtung aufgebaut sein. Woraus diese beiden Komponenten genau bestehen werden, sei die alles entscheidende Frage. Zuerst muss die neue Plane den Anforderungen auf der Straße standhalten und zum Schluss muss man sie wieder in ihre Grundbausteine zerlegen können, damit diese wieder für Neues verwendet werden können. Im Laufe des Projektes haben sich verschiedene Entwicklungsstränge mit unterschiedlichen Partnern und verschiedenen Kombinationen von Gewebe und Beschichtungen herausgebildet, die von den involvierten Parteien weiterentwickelt, geprüft, verworfen und ergänzt wurden.
Aktuell liegen vier vielversprechende Teilprojekte für eine kreislauffähige Lkw-Plane auf dem Tisch – alle in ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien:
Die Monolithische
Zusammen mit einem Partner aus der Zubehör- und Materialentwicklung wird an einer Plane aus PET gearbeitet. Das Ziel – und auch die grosse, technische Herausforderung dabei – ist die Monomaterialität, das heißt, eine Plane, die nur aus einem einzigen Material besteht und deshalb am Ende des Lebenszyklus ohne aufwendige Trennung von Gewebe und Beschichtung rezykliert werden kann.
«Das ist nicht nur theoretisch eine elegante Lösung, sondern auch attraktiv und kosteneffizient fürs Recycling», sagt Bigna Salzmann, Circular Technologist bei Freitag, und freut sich auf die ersten Testverbindungen, die in diesen Tagen in Zürich eintreffen werden.
Die Biobasierte
Zusammen mit dem deutschen Fraunhofer Institut, der Firma Linotech und der Planenproduzentin Heytex sind verschiedene biobasierte Planenprototypen entstanden. Die Verbindungen von biobasierten Kunstfasern und einer Beschichtung aus stärkebasierten Kunststoffen sind jedoch noch nicht bereit für eine erfolgversprechende Testfahrt auf einem Lastwagen.
«Eine Plane aus nachwachsenden Rohstoffen wäre nicht nur für die Transportindustrie ein grosser Schritt in eine grünere Zukunft», meint Anna Blattert, ebenfalls Circular Technologist bei Freitag, und hofft, bald auf die passende biobasierte Verbindung zu stoßen.
Die vielleicht einmal Revolutionäre
Während die ersten beiden Planenvorhaben noch nicht so weit sind, dass sie schon von den Kreislaufexperten der EPEA getestet werden konnten, hat das Beschichtungsmaterial aus TPU (thermoplastischer Kunststoff) des dritten Entwicklungsstrangs die Materialgesundheitsprüfung bereits bestanden.
«Als Chemieunternehmen stellen wir mit unseren Materialien die Basis Tausender Produkte und sehen uns in der Pflicht, den Weg zu einer Circular Economy zu beschleunigen. Daher war für uns sofort klar, dass wir bei einem so interessanten Kooperationsprojekt wie dem von Freitag von Anfang an dabei sein wollen», meint Mark Scheller von Covestro, zusammen mit Planenproduzentin Heytex Haupttreibende dieses Teilprojekts.
Aktuell wird das Beschichtungsmaterial aus TPU noch mit einem Gewebe aus PES (Polyester) getestet. Da es noch einige Jahre dauern kann, bis Verbindungen von PES und TPU wieder getrennt werden können, arbeitet das Projektteam parallel an einem ganz neuartigen, revolutionären Planenaufbau, der diese Hürde einfach umfahren könnte.
«Es geht um die Plane der Zukunft. Wir sind dankbar, bei diesem Projekt dabei sein zu dürfen, denn es passt zur Nachhaltigkeitsstrategie von Heytex. Die gemeinsame Entwicklung mit Industriepartnern ermöglicht die ganzheitliche Sicht über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg - dies ist für eine kreislauffähige Zukunft unabdingbar», gibt sich Henning Eichhorn von Heytex optimistisch.
Die Quereinsteigerin
Einen großen Schritt weiter ist die vierte und jüngste Entwicklung, die eigentlich mehr eine Entdeckung ist: In der Recherchephase wurde das Projektteam auf ein bereits fertig entwickeltes Material des niederländischen Unternehmens Rivertex aufmerksam. Bei diesem sind Gewebe und Beschichtung aus Polypropylen, das als einer der nachhaltigsten unter den erdölbasierten Kunststoffen gilt. Die Entwickler von Rivertex sind ebenfalls zum Projektteam gestossen und haben sich bereit erklärt, die Kreislauffähigkeit ihres Produktes prüfen zu lassen.
«Es hat uns sehr gefreut, dass der Product Circularity Passport der EPEA unserem Produkt höchste Materialgesundheit und Rückgewinnbarkeit bescheinigt, denn wir arbeiten seit Jahren an einer robusten, preislich interessanten und rezyklierbaren Planenalternative. Und wir sind überzeugt, dass sich unsere nächste Produktgeneration noch besser als Lastwagenplane eignen wird – auch dank den Erkenntnissen aus den Testfahrten», sagt Roef Gaasbeek von Rivertex.
Weil eine Plane eben noch lange keine Lkw-Plane ist, kam der Schweizer Planenkonfektionär Bieri ins Spiel: Hier wurde das Material von Rivertex bedruckt und mit Gurten und Ösen ausgerüstet, damit die potenzielle Planenrevolution auch auf den kleinen Lastwagen geschnallt werden kann. Jetzt dreht sie bei Sonne, Wind und saurem Regen ihre Runden. Dabei wird sich zeigen, wie gut sich das Polypropylen-Material als Lkw-Plane behauptet – ob es z. B. nicht zu schnell spröde wird und nicht zuletzt, ob und wie gut die Planenbeschriftung haftet. Dies ist nicht nur für die Speditionsunternehmen, sondern auch für Freitag zentral, denn am Ende des Tages sollen ja schließlich einmal begehrte Taschenunikate aus der Plane entstehen.
Wer macht das Rennen?
Welches der vier Teilprojekte mit welchen Materialien einmal zur ersten kommerziellen, kreislauffähigen Lkw-Plane wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht voraussagen. Vielleicht wird es auch mehr als nur eine Alternative zur bestehenden PVC-Plane geben, denn schließlich führen viele Autobahnen nach Milano und niemand weiß, auf welcher man gerade am schnellsten und am günstigsten nach Rom kommt.
«Während für den einen Entwicklungsstrang die höhere Kreislauffähigkeit spricht, wird der tiefere Materialpreis das Hauptargument für einen anderen sein», relativiert Blattert den aktuellen Stand der verschiedenen Teilprojekte.
Vom Know-how, das man jetzt mit dem ersten Prototyp gewinnt, werden auch die anderen Entwicklungen schon sehr bald profitieren, denn auch diese werden weiter mit Hochdruck weitergetrieben. Parallel dazu werden die Gespräche über passende zirkuläre Geschäftsmodelle und Prozesse intensiviert. Schliesslich muss sichergestellt werden, dass das kreislauffähige Material am Ende des einen Lebenszyklus die Einfahrt in den nächsten findet und die innovativen zirkulären Planen im endlosen Kreislauf bleiben, statt im Müll zu landen.
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