Ladeinfrastruktur: Master- oder Desasterplan?

Im Rahmen des Masterplans Ladeinfrastruktur II hat das Kabinett 68 Maßnahmen für den schnelleren Aufbau von Ladeinfrastruktur beschlossen. Der VdiK betont, der Aufbau der Ladeinfrastruktur müsse schneller vorangehen. Wirtschaftsverbände kritisieren die planwirtschaftlichen Vorgaben – und dann wäre da noch die Verbraucherfreundlichkeit, so CSU-Europaabgeordneter Markus Ferber.

Das Kabinett beschloss, die Branchenverbände antworteten: Wie sieht der Plan zum schnelleren Aufbau von Ladeinfrastruktur aus - und ist er umsetzbar?(Symbolbild: Pixabay)
Das Kabinett beschloss, die Branchenverbände antworteten: Wie sieht der Plan zum schnelleren Aufbau von Ladeinfrastruktur aus - und ist er umsetzbar?(Symbolbild: Pixabay)
Anna Barbara Brüggmann

Bundesminister Dr. Volker Wissing hat am 19. Oktober in Berlin den vom Kabinett beschlossenen Masterplan Ladeinfrastruktur II vorgestellt. Rund 80 Akteure, darunter Bundesländer, Kommunen, Verbände und Unternehmen haben sich an der Entwicklung der knapp 70 Maßnahmen eingebracht.

„Wie wir uns künftig fortbewegen, ist eine der drängendsten Fragen unserer Zeit. Und die Welt schaut hierbei auf Deutschland. Darum müssen wir jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und unsere Infrastruktur weiter fit für klimafreundliche Mobilität machen. Der Masterplan Ladeinfrastruktur II schafft die Grundlage für eine flächendeckende, bedarfsgerechte und nutzerfreundliche Pkw- und Lkw-Ladeinfrastruktur“, so Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, und fügt hinzu: „Unser Ziel: den Ausbau von Ladeinfrastruktur beschleunigen, den Ladeprozess vereinfachen und so den Umstieg für die Menschen erleichtern.“

Die wichtigsten Handlungsfelder des Masterplans im Überblick:

  • Ladeinfrastruktur und Stromsystem integrieren: Mithilfe der Bedarfsplanung der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur sollen der Ausbau von Ladeinfrastruktur und Stromnetz optimal und vorausschauend aufeinander abgestimmt werden. Mit der Bundesnetzagentur sowie den Netz- und Ladeinfrastrukturbetreibern sollen die Prozesse für den Netzanschluss einfacher, transparenter und effizienter organisiert werden. Neben der Beschleunigung von Prozessen sei das oberste Ziel, die Netze für die wachsenden Anforderungen zu rüsten.
  • Ladeinfrastruktur durch Digitalisierung verbessern: Künftig sollen Daten, wie der Belegungszustand von Ladepunkten in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Es soll sichergestellt werden, dass die Planung des Ladeinfrastrukturaufbaus auf der Basis solider Daten und Analysen über die Verteilung und Nutzung der Ladepunkte erfolgt. Dazu sollen erstmals auch private, nichtöffentliche Ladepunkte erhoben und einbezogen werden.
  • Kommunen als Schlüsselakteure befähigen und stärker einbinden: Der Masterplan enthält laut Wissing ein Unterstützungspaket für die Kommunen zur Planung, Umsetzung und Finanzierung von Ladeinfrastruktur. Dazu zählen unter anderem lokale Masterpläne, regionale Ladeinfrastrukturmanager, digitale Beratungs- und Schulungsinstrumente sowie Leitfäden und Muster zur Optimierung von Planungs- und Genehmigungsprozessen.
  • Ladeinfrastruktur für E-Lkw initiieren: Der batterieelektrische Lkw soll sowohl regional als auch auf der Langstrecke verstärkt zum Einsatz kommen, so die Aussage vom BMDV. Dafür soll zeitnah eine passende Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. 2023 soll ein initiales öffentliches Lkw-Ladenetz ausgeschrieben werden. Ein Maßnahmenbündel soll speziell die Herausforderungen bei der Errichtung und dem Betrieb von Ladeinfrastruktur für E-Lkw berücksichtigen, zum Beispiel auf privaten Betriebsgeländen oder bei der Abgabe von Strom an betriebsfremde Fahrzeuge. 
  • Ladeinfrastrukturaufbau vereinfachen und beschleunigen: Nach Angaben des BMDV soll es für Unternehmen leichter werden, Ladeinfrastruktur zu errichten. Die Bundesregierung teilte mit, gemeinsam mit den Kommunen Hindernisse in Planungs- und Genehmigungsprozessen beseitigen und rechtliche Grundlagen etwa im Bau- und Immissionsrecht anpassen zu wollen. 

Tempo, Tempo

Der Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller Reinhard Zirpel sieht im Masterplan wichtige Instrumente und Maßnahmen benannt.

„Nun kommt es entscheidend auf das Tempo der Umsetzung an. Denn der bei weitem größte Teil, der für die bis 2030 angestrebten 15 Millionen E-Fahrzeuge benötigten Ladepunkte, muss erst noch aufgebaut werden. Die Ladeinfrastruktur darf für den Erfolg der Elektromobilität nicht zum Flaschenhals werden“, meint Zirpel.

Zahlreiche Einzelmaßnahmen müssten laut Zirpel miteinander verknüpft werden. Der entscheidende Beitrag der Automobilindustrie seien überzeugende Elektrofahrzeuge. Die im VDIK vertretenen Marken böten aktuell über 180 marktreife Elektro-Modelle an. Zudem leisten internationale Hersteller ihren Anteil beim Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur, so Zirpel. Die VDIK-Mitgliedsunternehmen und ihre Partner hätten bisher schon mehrere Tausend Ladepunkte errichtet.

Um den Masterplan schnell umsetzen zu können, gehöre auch ein Nachfolgeprogramm für die erfolgreiche Wallbox-Förderung des Bundes dazu. Zudem müsse der der Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur für schwere Lkw dringend in Fahrt kommen. Nach derzeitiger Planung würden einige der vorgesehenen Maßnahmen zu spät kommen, um die Verbreitung vollelektrischer schwerer Lkw signifikant zu unterstützen.

Zeitverzug

Auch die Geschäftsführerin vom Deutschen Verkehrsforum Dr. Heike van Hoorn begrüßt einerseits die Weiterentwicklung des Masterplans, sieht jedoch bei wichtigen Maßnahmen Zeitverzug, etwa bei der Vorbereitung auf den elektrifizierten Lkw-Fernverkehr, der Flächenbereitstellung, der Verfügbarmachung von Echtzeitdaten und bei problemfreien Bezahlverfahren.

„Die Gründe dafür liegen nicht zuletzt in der komplexen Regulierung, den fragmentierten Zuständigkeiten und dem uneinheitlichen Vollzug bei Netzanschlüssen, Zulassungsanforderungen und technischen Anschlussbedingungen. Diese Themen müssen jetzt mit Nachdruck angegangen werden“, so van Hoorn.

Planwirtschaftliche Ziele

Wirtschaftsverbände sehen vor allem auch die planwirtschaftlichen Vorgaben des verabschiedeten Masterplans kritisch. Adrian Willig, Hauptgeschäftsführer beim en2x - Wirtschaftsverband Fuels und Energie, zufolge sehe der Masterplan vor, dass bis zum Ende des Jahres 2022 25 Prozent der Tankstellen mindestens einen Schnellladepunkt mit mehr als 150 kW Leistung bereithalten sollen. Ende 2024 sollten es 50 Prozent, Ende 2026 sogar 75 Prozent sein.

"Zum einen kommen diese Ziele für uns sehr überraschend. Denn die Mineralölbranche baut bereits auf eigene Initiative die Ladeinfrastruktur umfangreich aus. Dabei geht es nicht nur um das Laden an Tankstellen, sondern zum Beispiel auch auf Parkplätzen etwa von Einkaufszentren, bei Arbeitgebern und zuhause", so Willig.

Statt höhere Ziele zu formulieren, fordert er den raschen Abbau der zahlreichen Hürden beim Aufbau entsprechender Ladeinfrastruktur. Andernfalls seien die Ausbauziele nicht erreichbar. Denn trotz Investitionsbereitschaft der Mineralölwirtschaft seien die von der Regierung gewünschten Ziele so kaum zu schaffen.

"Grund dafür sind vor allem die bestehenden Hürden bei Ausschreibungen von Flächen, fehlende Netzanschlüsse, langwierige Genehmigungsprozesse sowie viel zu umständliche Förderprogramme", äußerte sich Willig. "Unsere Branche will entscheidend daran mitarbeiten, Deutschland zum globalen Leitmarkt für Elektromobilität zu machen. Doch dafür braucht es nicht höhere Ziele, sondern die Unterstützung der Politik insbesondere beim Abbau bestehender administrativer Hemmnisse auf bundes-, landes- und kommunaler Ebene", verdeutlicht Willig.

Notwendig seien beim Ausbau der Ladeinfrastruktur mehr Wettbewerb und keine Planwirtschaft.

An einem Strang ziehen

Anlässlich der Abstimmung im Europäischen Parlament zum Infrastrukturausbau für alternative Kraftstoffe unterstreicht CSU-Europaabgeordneter und verkehrspolitischer Sprecher der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament Markus Ferber die Verbraucherfreundlichkeit.

„Um das Henne-Ei Problem der E-Mobilität ein für alle Mal zu lösen, braucht es eine verlässliche Ladeinfrastruktur. Neben flächendeckender Verfügbarkeit in ganz Europa und Tempo beim Ausbau der Ladesäulen, ist die Akzeptanz der Verbraucher entscheidend für eine erfolgreiche Mobilitätswende“, betont Ferber.

Für die Wende hin zur E-Mobilität seien vor allem die Akzeptanz und Benutzerfreundlichkeit elementare Bestandteile, denn ohne die Akzeptanz der Verbraucher gelänge keine Mobilitätswende. „ Ohne Verbraucherfreundlichkeit droht die Verkehrswende zum Rohrkrepierer zu mutieren“, formulierte Ferber.

Für den CSU-Europaabgeordneten seien auch beim Bezahlen Zuverlässigkeit, umfassende Information, Transparenz und Komfort bei der Infrastruktur das A und O. Nach Aussage von Ferber sollte sich das Laden eines E-Fahrzeugs nicht komplizierter gestalten als das Tanken konventioneller Kraftstoffen. Es sei kein Anreiz für E-Mobilität, wenn man erst im Besitz verschiedener Ladekarten und Apps sein müsse, meint er.

Zugleich betont er die wichtige Bedeutung einer kohärente EU-Verkehrspolitik angesichts der hoch gesteckten Ziele für Emissionsabbau im Verkehrssektor.

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