Jürgen Mindel: „Die IAA Transportation wird die große Plattform für Logistik“

Jürgen Mindel führt beim Verband der Automobilindustrie VDA ab Januar 2022 die neu vereinten Geschäftsbereiche Kommunikation/Medien/IAA und Verbandsmanagement/Mitgliederservice. Im Interview spricht er über neue Aufgaben des VDA, neue Mobilität in der Gesellschaft sowie die neue IAA.

Jürgen Mindel ist beim Verband der Automobilindustrie e.V. als Geschäftsführer unter anderem verantwortlich für die Messe IAA. | Bild: VDA
Jürgen Mindel ist beim Verband der Automobilindustrie e.V. als Geschäftsführer unter anderem verantwortlich für die Messe IAA. | Bild: VDA
Redaktion (allg.)
(erschienen bei LOGISTRA von Tobias Schweikl)

Herr Mindel, ihr Geschäftsführungskollege Andreas Rade führt ab Januar 2022 neu den Geschäftsbereich Politik und Gesellschaft. Gleichzeitig will der VDA seine Vertretung in Brüssel stärken. Woran haperte es bisher?

Der VDA hat vor eineinhalb Jahren auf Wunsch seiner Mitglieder und auf die Initiative unserer neuen Präsidentin Hildegard Müller hin eine Strukturreform eingeleitet. Mit dem neuen Team wollen wir diese Reformen umsetzen und vor allem einen noch größeren Mehrwert für unsere Mitglieder schaffen. Gleichzeitig wird auch der Bedeutung des Standortes Brüssel Rechnung getragen. Viele politische Themen, die uns bewegen, beruhen auf Vorgaben der Europäischen Union.

Wie wollen Sie in Brüssel mehr Einfluss gewinnen?

Mit dem „Fit for 55“-Paket, aber auch Dossiers wie „Taxonomie“ stehen große Aufgaben und Herausforderungen für die Branche an. Über das Ziel der Klimaneutralität besteht Einigkeit, der Weg dahin, die konkreten Maßnahmen sind nun aber entscheidend. Nur wenn die Klima- und Transformationspolitik gleichzeitig Job,- Wachstums- und Wirtschaftsmotor ist, dabei die Lebensrealitäten der Menschen berücksichtigt und sozial ausgestaltet wird, wird sie erfolgreich sein. Dieser Erfolg ist entscheidend - nicht nur für die 14 Millionen Arbeitsplätze die in der EU an der Autoindustrie hängen - sondern auch für das Klima. Nur wenn unser Weg international kopiert wird, können wir die globalen Ziele erreichen. Mit dieser Überzeugung werden wir alle Prozesse in Brüssel frühzeitig, aktiv und konstruktiv begleiten.

Was sind Ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung?

Wir sehen im Koalitionsvertrag, dass die neue Bundesregierung das Ziel hat, den Standort Deutschland zu stärken. Und wir freuen uns darüber, dass in der Transformation nun endlich eine Chance gesehen wird. Es geht nicht mehr um das "Ob", sondern um das "Wie". Im Klartext: Es geht um konkrete Instrumente und Maßnahmen. Fakt ist: nur wenn wir die besten Standortbedingungen der Welt haben, können wir auch die ambitioniertesten Klimaziele der Welt realisieren. Unsere Transformation kann weltweites Paradebeispiel und exportiert werden. Genau das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Das Regierungsprogramm ist ambitioniert - gemessen wird es letztlich an seiner Umsetzung. Dabei ist eines besonders wichtig: Die Transformation darf die Gesellschaft auf keinen Fall weiter spalten oder Konfliktlinien verstärken. Deswegen sind konstruktiver, offener Dialog und soziale Ausgestaltung entscheidend.

Unter Ihrer Leitung wurden die Geschäftsbereiche Kommunikation und Mitgliederservice zusammengelegt. Was sind kommende Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Wir wollen zunächst unseren Mitgliedern ein größeres und breiteres Dienstleistungsangebot machen. Gleichzeitig haben wir bereits im letzten Jahr die Kommunikation des Verbandes deutlich verstärkt und sind inzwischen tatkräftiger Treiber der Transformation, z.B. bei der Ladeinfrastruktur. Das werden wir weiter ausbauen. Wichtig ist es mir auch, dass wir verstärkt in den Dialog treten: Das heißt, dass wir alte Feindbilder hinter uns lassen und gemeinsam, in konstruktiver Debatte mit allen Beteiligten, differenzierte Lösungen für eine klimaneutrale Mobilität für jeden entwickeln und ermöglichen.

Und natürlich wollen wir unsere Messen IAA Mobilityund IAA Transportation weiterentwickeln. Hier wollen wir für unsere bisherigen, aber auch für neue Aussteller noch attraktivere und modernere Veranstaltungen organisieren.

Die IAA Mobility fand 2021 in München schon im neuen Konzept statt. Ein kurzes Fazit?

Wir sind mehr als zufrieden.  Man darf nicht vergessen, dass wir in einer sehr komplexen Zeit diese Veranstaltung sicher und erfolgreich durchgeführt haben. Über 400.000 Besucher aus 95 Ländern sowie 744 Aussteller und 936 Redner sind für uns eine deutliche Bestätigung unseres neuen Konzepts. Zudem haben wir die Veranstaltung mit einem neuen Partner und an einem neuen Standort unter Coronabedingungen vorbereitet. Die Teams von uns und der Messe München haben sich vor eineinhalb Jahre einmal live vor Ort getroffen. Ab dann lief das alles per Videokonferenz. Genauso wie alle Gespräche mit Ausstellern und Kunden. Und wir hatten bis zum Schluss nicht die Sicherheit, ob nicht doch noch etwas passiert, das die Veranstaltung verhindert.

Wie ist ihr Eindruck, ist man auch in München zufrieden?

400.000 Besucher in sechs Tagen sind ein starkes Signal für den Erfolg der IAA Mobility. Ich habe auf dem Open Space in der Münchener Innenstadt die Begeisterung und Neugier der Bevölkerung an den vielseitigen Angeboten der Aussteller tagtäglich erlebt. Das bestätigt auch die Besucherbefragung: 86% der befragten Besucher fanden unser neues Konzept gut bis sehr gut. Über 7.000 Probefahrten auf der Blue Lane zeigen, dass das Interesse der Gesellschaft die neue Vielfalt der klimafreundlichen Mobilität zu erleben groß ist. Gleichzeitig reflektiert man sein eigenes Konzept immer nach einer Veranstaltung. Gemeinsam mit der Messe München überlegen wir jetzt, wie wir das IAA Erlebnis für 2023 weiter optimieren können. Dabei nehmen wir auch die Debatte in München ernst und greifen den Input aus der Stadtgesellschaft auf.

Was sind die ersten Ideen für 2023?

Wir wollen auf den drei Säulen Open Space, Messegelände und der verbindenden Blue Lane aufbauen und das Konzept weiterentwickeln. Einen großen Schwerpunkt legen wir auch wieder auf die IAA Conference. Die vergangene IAA Conference hat gezeigt, wie dynamisch und ideenreich die Zukunft Mobilität ist. Diese Zukunft ist zu gleich relevant für jedes Mitglied unserer Gesellschaft, denn Mobilität ist in unserem Alltag entscheidend für die Teilhabe.  Die IAA Mobility bringt Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zusammen und schafft einen produktiven Raum des Austauschs. Dies wollen wir in 2023 ausbauen. Die IAA Mobility ist und wird weiterhin die Plattform, wo dieser notwendige gesellschaftliche Dialog stattfinden wird.

Was ist im kommenden Jahr das Konzept der aus der IAA Nutzfahrzeuge hervorgegangenen IAA Transportation?

Mit der IAA Transportation wollen wir zeigen, dass auch Transport, Logistik und Nutzfahrzeuge bereits erfolgreich auf dem Weg zur Klimaneutralität sind und über weltweit führende Innovationen zum Erreichen des Pariser Klimaziele einen großen Beitrag leisten. Das ist eine große Säule. Die zweite Säule ist die Digitalisierung. Wie entwickelt sich das Nutzfahrzeug, aber wie entwickelt sich auch die Branche weiter? Auch das wollen wir auf der IAA in Hannover zeigen.

Und wo liegen die Unterschiede zur IAA Nutzfahrzeuge?

Die IAA Transportation ist keine komplette Neuausrichtung, wie wir sie mit dem Umzug der IAA Mobility von Frankfurt nach München vollzogen haben. Es ist eine Weiterentwicklung eines vorhandenen Konzeptes. Wir wollen mit den Änderungen den Bereich Logistik, aber auch Busse, stärken und die Themen Digitalisierung und Klimaneutralität in den Fokus nehmen. Und wir wollen mit der Conference die gesellschaftliche Debatte aufgreifen. Deshalb setzen wir auch hier einen Schwerpunkt auf das Thema Infrastruktur, sowohl beim Laden, als auch für die Herausforderungen in den Ballungszentren. Wir wollen unseren Anspruch als Leitplattform in Hannover unterstreichen.

Welchen Einfluss hat Corona auf die Planung?

Was die Auswirkungen von Corona auf die Messeplanung angeht, hat der VDA im vergangenen Jahr viele Erfahrungen gesammelt. Wir starten in das Jahr 2022 genauso optimistisch wie in das Jahr 2021 und hoffen, dass der September wieder ein guter Zeitpunkt für eine Messe ist.

Was wäre denn ein typischer Besucher der IAA Transportation?

Als B2B-Veranstaltung haben wir viele Fachbesucher aus den Bereichen Nutzfahrzeug, Handwerk, Bus und Logistik. Dazu kommen traditionell auch sehr viele Fahrer. Wir sind wegen der beeindruckenden Fahrzeuge aber, gerade auch am Wochenende, ein Ziel für Familienausflüge. Was wir neu adressieren ist der ganze Bereich Infrastruktur und damit auch die Öffentliche Hand bzw. die Kommunen.

Wie passen Infrastruktur-Themen auf eine IAA?

Wir müssen künftig Mobilität als Ganzes denken. Wenn wir den Transport klimaneutral organisieren wollen, muss die Branche die entsprechenden Produkte auf den Markt bringen. Dazu braucht man die passende Infrastruktur – Elektroladestationen ebenso wie Wasserstofftankstellen. Alle Unternehmen, die sich an diesem Projekt beteiligen, laden wir ein zur IAA Transportation. Als Aussteller, aber auch zur Diskussion auf der IAA Conference.

Das bedeutet aber auch, dass andere Verkehrsträger auf der IAA eine Rolle spielen müssen – Lastenräder, Bahnverkehr und Luftfracht etwa.

Absolut kein Widerspruch. Wenn die Deutsche Bahn auf die IAA Transportation kommt, dann ist sie uns herzlich willkommen. Genauso wie die Lufthansa und jedes andere Unternehmen aus diesem Bereich. Wichtig ist, dass wir künftig verkehrsträgerübergreifend denken. Ein einzelner Verkehrsträger wird die Herausforderungen der Zukunft nicht lösen.

Die IAA Transportation soll in vier Bereiche gegliedert werden. Welche sind das?

Die IAA Exhibition ist das klassische Messekonzept mit Besuchern und Ausstellern. Die IAA Experience haben wir die vergangenen Jahre auf der IAA in Hannover ebenfalls schon gehabt, wenn auch in kleinerem Rahmen. Der Besucher kann hier die Produkte live erleben etwa bei Fahrsicherheitsdemonstrationen. Die IAA Conference wurde in Hannover – ebenfalls in kleinem Rahmen – in 2018 neu gestartet. In München auf der IAA MOBILITY wurde das Format dann stark erweitert. Einen ähnlichen Rahmen wird es auch auf der IAA Transportation geben. Wir wollen mit allen am Transport beteiligten Stakeholdern – Bahn, Luftfracht, Politik, Energiewirtschaft – diskutieren, wie wir den klimaneutralen Transport erreichen. Wir wollen dazu auch gesellschaftliche Gruppen einladen, die uns kritischer gegenüberstehen.

Welchen Gruppen wären das?

Wir sind offen für Gespräche mit allen klassischen NGOs wie Greenpeace und BUND. Wir würden aber auch Fridays for Future begrüßen. Wer bereit ist zu einer offenen, konstruktiven und gewaltfreien Diskussion, der ist uns herzlich willkommen.

Wie offen ist man in Hannover für einen Open Space, wie es ihn in München gab?

Die IAA Mobility und die IAA Transportation unterscheiden sich in einem zentralen Punkt – der Fokus in Hannover liegt auf dem Fachbesucher. Deshalb werden wir die IAA Transportation auch auf dem Messegelände durchführen. Open Spaces wie in München sind in Hannover nicht geplant.

Was bietet die IAA Transportation konkret für Logistiker?

Auf der IAA Conference geht es auch darum, wie sich Logistik weiterentwickeln kann. Und als B2B-Messe bieten wir eine große Plattform für den Logistikbesucher. Nicht zuletzt der Last-Mile-Logistik wollen wir Raum geben. Nicht nur als Standfläche, sondern als Teil der gesamten Messe.

Sehen wir dann auch Lastenräder in Hannover?

Alles ist uns willkommen. Wir denken auf der IAA Transportation verkehrsträgerübergreifend und wollen niemanden ausschließen. Lastenräder gehören zur Logistik der Zukunft ebenso wie elektrisch betriebene Lieferwagen.

Lastenräder, Bahntransporte, Luftfracht – man kommt da schnell zur Planung multimodaler Transportketten. Ist das auch noch IAA Transportation?

Wenn sie unseren Ansatz so weiterdenken, werde ich Ihnen nicht widersprechen. Das Messegelände in Hannover bietet die optimalen Voraussetzungen für die sukzessive Weiterentwicklung unseres Formats. Wir sind somit gut aufgestellt für die Zukunft.

Mit der Transport Logistic gibt es ja in München schon eine Messe, die genau diese Themen aufgreift...

Wir sind mit der Messe München Partner bei der IAA Mobility. Und wir können zwischen den beiden Veranstaltungen sehr klar trennen. In den geraden Jahren, in denen die IAA Transportation stattfindet, sind wir in Hannover und entwickeln dort unser Messekonzept weiter. Das entspricht dem Wunsch vieler unserer Mitgliedunternehmen, aber das hören wir auch in ersten Gesprächen mit weiteren Partnern. Der Bedarf an einer Messe, die Transportmöglichkeiten der Zukunft vernetzt darstellt, ist überall vorhanden.

Ein Fazit: was erwartet den Besucher 2022 und warum soll er nach Hannover kommen?

In Hannover wird man sehen und erleben, wie sich Transport, Logistik und Nutzfahrzeuge weiterentwickeln. Und wir werden ein sehr attraktives Konferenzprogramm haben, in dem wir nicht nur zwei oder drei Jahre in die Zukunft schauen. Hier diskutieren wir auch wie Transport und Logistik im Jahr 2030 aussehen werden. Wir werden zeigen, was wir schon erreicht haben und was wir noch brauchen.

Das Interview führte Tobias Schweikl

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