IVOTY-Fahrbericht Renault Master: Ein (Aero)Van und zwei Welten
Ob irgendetwas gleich geblieben ist zum Vorgänger? Die Türgriffe, antwortet die Projektleiterin wie aus der Pistole geschossen. Stimmt, die sind noch immer bärentatzen-tauglich dick und kommen einem spontan bekannt vor. Sonst ist (fast) alles anders als beim alten Master, behauptet zumindest der Hersteller. Es kommt vielleicht alle 10 vor, dass es mal eine komplette Neuentwicklung bei den Vans gibt, die Arbeitstiere müssen 15 Jahre durchhalten, bevor die Anbieter sich neu ans Werk machen.
Jetzt war der alte Master aber nach diversen Modellpflegen fällig, denn man wollte einen deutlichen Schritt in Richtung Zukunft gehen, in Sachen CO2-Emissionen, versteht sich. Das betrifft sowohl das Design, das mit der Optik des Vorgängers bricht und mit der massigen Truck-Front so gegen die Sehgewohnheiten bürstet, dass man sich vorstellen kann, es auch noch in ein paar Jahren modern zu finden. Das genau war das Ziel der Designer. Die ansonsten hart mit den Konstrukteuren rangen, um einen Trade-Off zwischen Optik, Praktik und Aerodynamik zu finden.
Mehr Ladelänge, bessere Aerodynamik
Am Ende wurde es sogar zehn Zentimeter mehr Laderaumlänge als zuvor, dank einer konsequenten Verlagerung der Kabine nach vorn – und der nahtlose Abschluss der Trennwand mit der seitlichen Öffnung erleichtert das Beladen mit Stapler enorm. Die wuchtige Front lässt gar nicht vermuten, dass der von den Franzosen schwungvoll „Aerovan“ titulierte Transporter glatte 20 Prozent windschnittiger sein soll als der Vorgänger, was beim Verbrenner (Internal Combustion Engine) ICE in einem um 1,5 l/100 km gesenkten Verbrauch resultieren soll – und beim Stromer sogar um 27 Prozent bessere Effizienz. Ein glatter Unterboden, Lufteinlässe im Stoßfänger, eine abfallende Dachlinie, gefeilte Spiegelgehäuse und sorgsam konturierte Seiten verraten die Aero-Arbeit.
400 Kilometer könnten klappen
Wobei das so eine Sache ist, mit den WLTP-Werten. 460 Kilometer Reichweite sind die selbstbewusste Ansage der Ingenieure, was bei einem moderat dimensionierten 87 kWh-Akku 19 kWh/100 km bedeuten würde, sensationell für einen noch so glatt geschliffenen "Kastenwagen". Nach einer ersten 95-Kilometer-Tour im Umland von Bordeaux mit vielen Ortsdurchfahrten, Überlangpassagen mit 70 km/h und kurzem Autobahnstück mit 110 km/h lässt sich sagen: Grau ist nicht nur die Wagenfarbe, sondern auch alle Theorie. Trotz dieses BEV-freundlichen Fahrprofils kamen wir nicht unter 22,3 kWh/100 km raus, die anfangs 420 Kilometer im Zähler waren auf 297 geschrumpft, 73 Prozent verblieben in den Speichern.
Das ist durchaus anständig und standhaft, aber eben ein Stück vom WLTP-Wert entfernt, der die Realität auch nicht wirklich abbildet. Wobei sich natürlich die Aerodynamik eher oberhalb von 80 oder 100 km/h auswirkt, sprich bei Überland- oder Autobahnfahrten, für die wiederum der BEV für die meisten Anwender nicht erste Wahl sein dürfte, sondern der Diesel.
Der Verbrenner "raucht" ab im Vergleich
Die dem Vernehmen nach neuentwickelte 2,0-Liter-Maschine in 125-kW-Einstellung, die mit einem Sechsganghandschalter kombiniert wird, gefällt mit recht ruhigem und vibrationsarmem Lauf, passablem Temperament sowie akzeptablem Verbrauch von 7,7 l/100 km, über eine Mix-Runde mit wenig Autobahnanteil und mit 400 Kilo Ballast an Bord. Sensationell ist das aber nicht. Zudem lassen sich die sechs Stufen nur langhubig und unpräzise sortieren, wem es zu sehr eilt, der wird von Knarzen bestraft. Zudem nackelt und rumort es doch hörbar aus dem Antriebsstrang, die Motorkraft portioniert man über eine eher undefinierte Kupplung. Vielleicht ist man das aber einfach nicht mehr gewohnt.
Elektro ist überlegen
Denn im direkten Kontrast verwöhnt der E-Antrieb mit leisem, stets elektrisch-sirrenden Lauf und nötigenfalls recht flottem Antritt. Ein Reißer wie die Synchron-Maschine im E-Transit ist das Renault-eigene Aggregat aber mit seinen 105 kW und 300 Nm Drehmoment nicht. Muss es in einem Nutzfahrzeug aber auch nicht sein und das passt gut zum eher gediegenen Gesamteindruck des Fahrzeugs: Guter Komfort, leises Abrollen, natürliches Lenkgefühl ohne größere Agilitätsambitionen, ein zum unhandlichen Vorgänger deutlich kleineren Wendekreis und nötigenfalls stramme Bremsen, die sich dynamisch auf den Befrachtungszustand einstellen und schneller reagieren sollen.
Dazu kommen 20 ADAS-Systeme, wobei die Basis nur mit dem gesetzlich nötigen kommt, sprich, Notbrems- und Spurassistent. Wahlweise rüstet man den Master dann auf Level 2 des automatisierten Fahrens hoch, inklusive Abstandstempomat und Stop-and-Go-Funktion, was wir aber bei den ersten Serienfahrzeugen noch nicht ausprobieren konnten.
Milder Eco-Modus, eine Rekustufe
Weiter geht die Fahrt: Noch milder geht es dann im Eco-Modus zu, der das Tempo auf 90 statt 130 km/h drosselt und per Kickdown des langwegigen und etwas indifferent reagierenden Strompedals überstimmt werden kann. Der Renault schlägt eine ruhigere Gangart an als der Marktführer in der großen Van-Stromklasse. Wodurch er auch nicht in größere Traktionsnöte gerät, trotz klassischem und Renault-typischem Frontantrieb und Frontmotor. Ob das Konzept auch noch passt, wenn das Fahrzeug voll beladen ist mit bis zu für einen BEV sehr beachtlichen 1.625 Kilogramm (4,25-Tonner-Version) oder einer Anhängelast bis 2,5 Tonnen, wird man sehen müssen. Ford und neuerdings auch Mercedes setzen hier auf Heckmotoren.
Schneller laden: 130 kW sind beim großen Akku Standard
Ladetechnisch legt man auch nach, gegenüber dem „lahmen“ Vorgänger keine Kunst: Bei der 100-kW-Version sind 130 kW-DC-Standard, 11 kW in AC. Für die vernünftigerweise angebotene 40-kWh-Version mit kleinerem Speicher und 96-kW-Motor ist ein 50 kW-DC-Lader Standard, was für einen kleinen Speicher auch genügt. Zudem gibt es optional die 22-kW-AC-Option.
Die Rekuperation ist ebenfalls eher von der milden Sorte, lässt sich per klobig abstehendem Fahrmodushebel auf „B“ und damit in einer Stufe strammer stellen. One-Pedal-Drive bietet der Master aber nicht, sodass man rechtzeitig aufs Bremspedal steigen sollte. Nach Lösen der ebenfalls klobigen und für einen E-Van anachronistischen Handbremse und Tritt aufs Fahrpedal surrt der Transporter wohltemperiert los.
Fehlt noch: Elektrische Parkbremse und schlüsselloser Start
Eine elektrische Parkbremse soll später noch optional erhältlich sein, ebenso ein Desiderat wie ein schlüsselloses Startsystem. Denn wer dreht denn im E-Zeitalter noch gerne einen Zündschlüssel. Und die dicke Konsole für den Schaltknauf braucht der Stromer natürlich auch nicht. Man ist aber dran, heißt es von der Projektleitung … Auch eine Vehicle-to-Load-Funktion (V2L) sowie V2G (Vehicle to Grid) soll es noch geben, selbstredend auch einen externen Stromanschluss mit 3,5 kW.
Digitale Instrumente
Standard beim Stromer wird dagegen ein digitales Instrumentencluster, das matt wirkt und speziell bei Gegenlicht weniger gut ablesbar ist als der analoge Tacho, der im ICE gesetzt bleibt. Das Google-basierte Infotainmentsystem dagegen ist knackscharf und funktioniert flüssig. Wobei die Integration in die Android-Dienste des US-Riesen in die Fahrzeugelektronik auch die E-Routenplanung inklusive Akkustand am Zielort erlaubt. Die Maps-Navigation ist gewohnt flott und präzise, hat allerdings die Eigenheit, dass bei Verpassen eines Zwischenziels immer wieder an selbiges zurückgeleitet wird.
Aufbauer-Apps werden integriert
Stolz ist man bei Renault auch auf die Integration der ohnehin programmatisch und mit zahlreichen Werkslösungen auch für den BEV forcierten Auf- und Umbauer ins elektronische Rückgrat („Convertert Companion), sodass man auf dem Screen auch alle möglichen Nebenaggregate mit ihren Funktionen und Hersteller-Apps gespiegelt sieht.
Ansonsten ist der größte Fortschritt in der Kabine zu besichtigen: Ablagen en masse und jeder Größe, ansehnliche Materialien, gute Verarbeitung und endlich bequeme Sitze mit ebenso angenehmen Stoffen. Selbstredend gibt es Staufächer unter der Bank sowie eine Klapptischfunktion mit einer Aussparung für den Laptop. Der Boden ist recht eben, der Durchstieg gelingt bis auf die Schaltkonsole leicht. Die Aussicht über die kurze Front ist gut, zudem helfen die fast quadratisch formatierten Rückspiegel sowie wahlweise der digitale Innenspiegel, der einen aber im Zweifel immer etwas mehr in „Panik“ versetzt als nötig. Distanzen einzuschätzen, fällt einem mit echtem Spiegelglas doch noch leichter.
Auch umwelttechnisch will man Akzente setzen: Die Akkus bestehen aus 8 oder 12 Modulen, die einzeln tausch- und reparierbar sind. Zudem will man 90 Prozent des Lithiums aus den Speichern wiedergewinnen. So soll der Master fit sein für die nächsten 15 Jahre.
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