IRU und BGL warnen vor „Schönrechnungen“ der Bahnen

Güterverkehrsverbände legen neue Studie über den Einfluss der Lkw-Maut auf den Modal Split zwischen Schiene und Straße vor. Danach sind die Verlagerungspotenziale eher bescheiden.
Torsten Buchholz
Nach einer McKinsey-Studie, die von der deutschen und französischen Staatsbahn in Auftrag gegeben wurde, soll die Anhebung der Lkw-Maut auf „Schweizer Niveau“ eine signifikante Erhöhung des Modal-Split-Anteils der Schiene bewirken. In letzter Zeit wurde an die Verkehrspolitik deshalb immer wieder gefordert, die Maut deutlich anzuheben, um so die Entwicklung der Eisenbahnen in Deutschland und Europa zu födern. Die International Road Transport Union (IRU) hat nun gemeinsam mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) die Aussagen von Bahnvertretern zum Anlass genommen, das Bahnberatungsunternehmen TransCare AG, Wiesbaden, mit einer neutralen Studie zu beauftragen, um den Einfluss der Höhe der Lkw-Maut auf den Modal-Split zu untersuchen. Mit Hilfe empirischer Methoden und Marktstudien hat TransCare den Einfluss der Lkw-Maut in den drei Kernländern, Deutschland, Frankreich und Schweiz, die sich selbst auch als Eisenbahnländer verstehen, untersucht. Um eine vollständige Verlagerung des „preissensiblen“ Straßengüterverkehrsvolumens auf die Schiene zu bewirken, müsste laut der Studie eine durchschnittliche Zusatzbelastung von einem Euro pro Kilometer eingeführt werden. Nach den Berechnungen von TransCare könnte damit jedoch nur 1,2 Prozent des Straßengüterverkehrsvolumens verlagert werden. Sofern auf Qualitätsverbesserungen und strukturelle Maßnahmen im Eisenbahnangebot gesetzt wird, erhöht sich der Anteil des verlagerbaren Straßengüterverkehrs auf 4,1 Prozent. Staatlich induzierter, preispolitischer Eingriffe in den Wettbewerb der Verkehrsträger bedürfte es dafür allerdings nicht. Neben den möglichen, insgesamt eher bescheiden ausfallenden Verlagerungspotenzialen hat TransCare die Frage untersucht, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen durch die Erhebung einer Zusatzmaut von einem Euro pro Kilometer entstehen würden. Wie TransCare errechnet hat, würde sich eine derartige Mautanhebung in Deutschland und Frankreich auf rund 50 Milliarden Euro jährlich summieren. Die Gesamtkostensteigerung für die gewerbliche Wirtschaft und den Handel als Aufraggeber der Transportwirtschaft betrüge 1,6 Prozent und würde zu einem entsprechenden Inflationsdruck in der Europäischen Gemeinschaft führen. Ohne Überwälzung der Mehrkosten an die Endverbraucher würde in den meisten europäischen Ländern die Umsatzrentabilität der gewerblichen Wirtschaft um mehr als die Hälfte reduziert und damit die Wettbewerbsfähigkeit vieler mittelständischer Wirtschaftsbereiche gänzlich in Frage gestellt. IRU und BGL verbinden die Übergabe und Präsentation der Studie in Berlin mit dem Appell, Verkehrspolitik mit Augenmaß zu betreiben und offenkundige Schönrechnungen der Bahnen über mögliche Verlagerungspotenziale faktenorientiert zu bewerten. Die Standorte Deutschland und Europa bräuchten Beschäftigungsimpulse und keine allgemeine Verteuerung des Warenaustauschs, nur weil bislang lediglich mangelhafte Fortschritte zur Steigerung der Eisenbahneffizienz zu verzeichnen sind. Schließlich entfielen 70 Prozent aller Transportleistungen auf den Verkehrsträger Straße, während die Schiene mit 15 Prozent Modal-Split-Anteil trotz höchster Mittelzuwendungen in den letzten Jahrzehnten Marktanteilsverluste verzeichnet. Dies sei nicht Schuld des vermeintlichen Konkurrenten Straße, sondern Ergebnis der fehlenden Markt- und Wettbewerbsorientierung der Schiene. „Es wäre der falsche Weg, mittelständische Transportunternehmen für Versäumnisse einer nicht genügend marktorientierten Schienenpolitik abstrafen zu wollen“, meint BGL-Präsident Grewer.
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