Im Gespräch mit Christoph Huber von MAN Truck & Bus über "Fahren für Deutschland" — eine Image-Kampagne für Lkw-Fahrer
Zeitung Transport: Warum sind zwei Jahre Pandemie notwendig, damit die Menschen begreifen, wie wichtig die Logistikbranche ist?
Christoph Huber: Ich glaube, wir, die in der Transport- und Logistikbranche zu Hause sind – und ich bin das jetzt schon seit über 30 Jahren –,wissen, dass es ohne Fahrerinnen und Fahrer nicht geht. Wir wissen auch, dass es zukünftig nicht ohne Fahrerinnen und Fahrer gehen wird. Es ist aber richtig, dass die breite Öffentlichkeit und damit die Gesellschaft insgesamt diese Pandemie brauchte, um zu erkennen, dass es der Lastwagen ist, der die Waren ins Supermarktregal liefert, wo wir sie dann abholen können. Sicher – wenn man einen Moment länger darüber nachdenkt, dann ist das alles klar. Aber die Pandemie hat es noch einmal verdeutlicht. Jetzt geht es darum, diesen Grundgedanken von „Wer versorgt eigentlich unser Land?“ oder „Wer sorgt dafür, dass Fahren läuft?“ aufzugreifen.
Wir wollen mit dem Slogan „Fahren für Deutschland“ unsere Kunden als Entscheider ansprechen und dafür sorgen, dass das Bild der Fahrerin und des Fahrers in der breiten Öffentlichkeit ein anderes wird. Es geht vor allem auch darum, dass ihnen mehr Wertschätzung und Respekt entgegengebracht werden.
Als MAN stehen wir ja morgens nicht nur auf, um einfach Lastwagen und Busse zu bauen. Wir stehen morgens auch auf, damit Fahren läuft. Also damit Waren zuverlässig transportiert und Personen befördert werden können. Deswegen wollen wir den Fahrerinnen und Fahrern zur Seite stehen und sie mit ihren Problemen auf der Straße nicht alleine lassen. Das gilt sowohl für das Fahrzeug als solches als auch für unseren Service. Überall muss der Fahrer willkommen sein. Er muss respektvoll behandelt werden. Dazu gehört, dass er vernünftige Sanitäranlagen vorfindet und an der Rampe nicht angeschrien wird. Und dies gilt selbstverständlich auch für all unsere Bereiche, wo wir als MAN Kontakt zu Fahrern haben, sei es im Servicebetrieb oder am Werkstor.
In den zwei vergangenen Jahren wurde oft betont, wie wichtig die Fahrerinnen und Fahrer sind, sogar geklatscht haben wir. Trotzdem – das Fahrerimage bleibt problematisch. Können wir daran etwas ändern?
Die Pandemie hat uns mal kurz gezeigt, wie wichtig die Fahrerinnen und Fahrer sind. Aber dann kam die alte Normalität zurück. Jetzt wird der Fahrer wieder angebrüllt, wenn er nicht pünktlich ist. Offene Toiletten- und Sanitäranlagen an Abladestellen et cetera sind auch nicht überall, obwohl wir das damals öffentlich debattiert und diskutiert hatten. Das ist ja auch der Grund, warum wir uns überlegt haben, dass wir etwas ganz Besonderes tun, damit wir den Job als solches aufwerten können.
Für uns stellt sich die Frage: Wie bringen wir die breite Gesellschaft dazu, dass sie die Fahrerin oder den Fahrer respektvoller und wertschätzender behandelt? Letztlich geht es darum, dass der Job als solches einen anderen Stellenwert bekommt und Anerkennung findet. Genau das bezwecken wir mit unserer Initiative „Fahren für Deutschland“.
Mit welcher Motivation haben Sie – als Nutzfahrzeughersteller – die Initiative gestartet?
Die Frage ist doch: Was können wir als Lkw-Hersteller tun? Wir können einen tollen Lastwagen bauen. Das tun wir. Da haben wir bei Komfort und Sicherheit sehr auf die Belange der Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer geachtet. Aber was können wir darüber hinaus tun? Da lautet die Antwort: Wir können noch viel stärker darauf aufmerksam machen, dass die Fahrerinnen und Fahrer in Deutschland den Laden am Laufen halten – egal um welches Gewerbe oder welche Industrie es geht oder ob es nur der Kühlschrank zu Hause ist. Dafür können wir unser Netz mit der ganzen Breite der Kundschaft, die wir haben, nutzen.
Aus diesem Grund haben wir diese Initiative angestoßen. Wir wollen damit keine Werbung für uns machen. Wir wollen einfach alles, was wir haben, in die Waagschale werfen, um Aufmerksamkeit zu schaffen – ob es die 100 beklebten Gesamtzüge mit dem Slogan „Wir bewegen Deutschland“ unserer Kunden sind, die Social-Media-Kanäle oder ganz andere Dinge.
Was ist Ihre wichtigste Zielgruppe?
Die gesamte Gesellschaft von Jung bis Alt ist unsere Zielgruppe. Mit unserer Initiative wollen wir dem Transport ein Gesicht geben. Wir wollen den Menschen dahinter sichtbarer machen. Wir wollen deutlich machen, dass die Lkw-Fahrerin und der Lkw-Fahrer, über die beziehungsweise den wir uns heute ärgern, wenn er auf der Autobahn die Überholspur blockiert, auch der ist, der das Bier, das wir morgen Abend in Hamburg trinken, aus Bayern hochgefahren hat. Letztendlich wollen wir damit Verständnis für die Fahrerinnen und Fahrer schaffen.
Indem wir dieses Verständnis schaffen, wollen wir erreichen, dass auch in den Familien anders über den Job des Fahrers gesprochen wird. Am Ende hoffen wir natürlich, dass wir, indem wir für mehr Respekt im Umgang mit Fahrerinnen und Fahrern sorgen, deren Alltag ein bisschen besser machen. Deswegen geht es auch nicht darum, eine kurze Kampagne zu starten, die sechs Wochen läuft und wieder vorbei ist. Wir wollen mit dieser übergreifenden Initiative wirklich dauerhaft in die breite Öffentlichkeit hinein.
Welche Aktionen wurden bisher bereits umgesetzt?
In einem ersten Schritt haben wir unsere Partner und Kunden angesprochen und deren Gesamtzüge mit einem einheitlichen Design und einer klaren Message beklebt: Vorne auf den rund 100 Fahrzeugen steht „Fahren für Deutschland“. Auf der Seite steht „Wir bewegen unser Land“, gehalten in den Farben Schwarz-Rot-Gold sowie im jeweiligen Firmendesign der Kunden.
Im nächsten Schritt folgten dann Aktivitäten auf Social Media, die langfristig auf allen Kanälen berichten. Uns geht es besonders darum, dass wir positive Geschichten hineinbringen, Gesichter zeigen und von konkreten Transporten erzählen.
Und natürlich muss auch die breite Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür bekommen, dass ohne Trucker die Regale im Supermarkt leer wären und die Lieferketten in Deutschland stillstehen würden und darum dringend etwas gegen den aktuellen Fahrermangel getan werden muss. Hierfür haben wir Anfang dieses Jahres gemeinsam mit unserem Partnerverein TSV 1860 München Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer anstelle der sonst üblichen Kinder als Einlaufeskorte mit den Spielern auf den Rasen geschickt.
Führen Sie auch konkrete Aktionen durch, die weit über Werbung hinausgehen?
Ja, vor Weihnachten haben wir an ausgewählten Autohöfen „Danke“-Plakate initiiert, um den Fahrern für ihren Job zu danken. Flankiert haben wir dies mit der Verteilung von Verzehrgutscheinenfür Autohöfe an Fahrerinnen und Fahrer. Hier geht es vor allem um das Thema Wertschätzung.
Aber wir gehen auch die Fahrergesundheit an. Dazu haben wir ein Gesundheitswebinar angeboten und werden unsere MAN-eigenen Servicestandorte als Parkplätze für die medizinische Unterwegsversorgung von DocStop öffnen, damit Fahrer während ihres Arztbesuchs ihren Lkw sicher bei uns parken können – egal welche Marke der Lkw hat. Außerdem haben wir eine Art „Thinktank“ für Truckerinnen ins Leben gerufen: Mit einer Reihe von Workshops wollen wir herausfinden, was wir als Lkw-Hersteller tun können, um den Beruf der Lkw-Fahrerin attraktiver zu machen und welche Rolle das Fahrzeug dabei spielt.
Zuletzt möchte ich auch noch auf unseren Hilfsfonds „Fahrer helfen Fahrer“ hinweisen, den unser Fahrerclub Trucker’s World bereits 2007 gegründet hat und der seitdem schon unzähligen Fahrerinnen, Fahrern und deren Familien in Notsituationen geholfen hat.
Haben Sie eine Erklärung, warum es bisher kaum Frauen in der Branche gibt? Und wie kann man das ändern?
Das ist ein wichtiger Punkt, weil es hier ja wirklich Potenzial gibt, dem Fahrermangel ein Stück entgegenzuwirken. Ich bin überzeugt, dass viele Frauen durchaus Interesse hätten, wenn die Rahmenbedingungen besser wären. Auch deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Sanitäreinrichtungen verbessert werden – denn die meisten Rastplätze sind nachts alles andere als einladend – und im Dunkeln allein vom Truck zur Raststation zu gehen, ist alles andere als komfortabel. Das ist daher auch eine wichtige Intention, die wir mit unserer Initiative verfolgen. Darüber hinaus müssen die Arbeitszeitmodelle optimiert werden.
Für Mütter beispielsweise braucht es Teilzeitmodelle. Schließlich reden wir bei Weitem nicht nur über die klischeemäßig harten Jobs, in denen man richtig hart anpacken muss. Im Gegenteil. Wenn Sie heute in so einen Lkw hineinschauen und sehen, wie man ihn bedienen und fahren muss, ist viel Sensibilität gefragt. Heutzutage geht es oft viel mehr darum, dass die Fahrerin oder der Fahrer konzentriert bei der Arbeit ist. Das Fahren des Lkw selbst ist ja wirklich viel, viel leichter geworden im Vergleich zu früher.
Der Fahrerberuf hat sich ja sehr gewandelt in den vergangenen Jahren. Und die Transformation geht weiter. Was erwarten Sie in den kommenden Jahren? Stichwort autonomes Fahren.
Ich sehe das durchaus positiv. Autonomes Fahren heißt ja nicht, dass wir morgen keine Lkw-Fahrer mehr brauchen. Der Fahrermangel ist so groß. Wir sprechen heute von 100.000, die fehlen. Jedes Jahr gehen zudem circa 30.000 Berufskraftfahrer in Rente, demgegenüber stehen nur rund 15.000 neue Berufseinsteiger. Und das autonome Fahren ist als Ergänzung zu sehen.
Es soll dem Fahrer Arbeit abnehmen, und zwar in dem Bereich, in dem die Aufgaben nicht so attraktiv sind. Wir wollen die Technik Ende dieses Jahrzehnts auf die Straße bringen und sogenannte Hub-to-Hub-Verkehre autonom fahren lassen. Die große Chance ist dann, den Fahrerinnen und Fahrern die attraktiven Jobs anzubieten, beispielsweise im Nahbereich oder im kurzen Fernverkehr, wo sie am Abend zu Hause sind. Für die jungen Leute könnte dabei spannend sein, dass der Lkw heute eine digitale Maschine ist – mit vielen Features, bei denen Cleverness gefragt ist. Für sie macht es das, glaube ich, interessanter, weil Fahren damit smarter wird.
Christoph Huber wechselte 2016 von der Volvo Group zu MAN Truck & Bus. Seit dem 1. Oktober 2019 fungiert er als Vorsitzender der Geschäftsführung der MAN Truck & Bus Deutschland. Zuvor leitete er bereits den deutschlandweiten Vertrieb von Lastwagen und Transportern. Auch bei Volvo hatte er mehrereleitende Positionen inne und war dort zuletzt als Geschäftsführer der Volvo Group Truck Center Nord West tätig.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Magazin VISION TRANSPORT Ausgabe 2023 veröffentlicht.
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