HVO100: Alternativer Kraftstoff mit Potenzial?

Seit Ende Mai gibt es an einigen Tankstellen die „Alternative zum Diesel“, von manchen Befürwortern auch „Wunderdiesel“ genannt. Doch ist er auch tauglich für den Masseneinsatz? Horst Fehrenbach, Bereichsleiter Ressourcen und Themenleiter Biomasse hat da große Zweifel.

Ist HVO der Klimaretter im Verkehr? Eher nein, befindet der Wissenschaftler Horst Fehrenbach vom ifeu-Institut. (Foto: Pixabay)
Ist HVO der Klimaretter im Verkehr? Eher nein, befindet der Wissenschaftler Horst Fehrenbach vom ifeu-Institut. (Foto: Pixabay)
Christine Harttmann

HVO100 wird als „grüner Diesel“ vermarktet. Von bis zu 90 Prozent CO2-Einsparung ist die Rede. Zwei Aussagen, die Horst Fehrenbach, Bereichsleiter Ressourcen und Themenleiter Biomasse am ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, ebenso kritisch hinterfragt wie den tatsächlichen Klimaeffekt.

Nicht ohne Bekenntnis zum Verbrennerausstieg

Letztlich, so sein Fazit, sei HVO100 - ein Synonym für Hydrotreated Vegetable Oils - zwar eine gut greifbare und kurzfristig umsetzbare Maßnahme, aber keine Lösung für das große Ganze. Denn es sind viel zu wenig Rohstoffe auf dem Markt, um einen nennenswerten Klimaeffekt zu erzielen. Der Einsatz muss daher mit einem klaren Bekenntnis zum Ausstieg aus dem ineffizienten Verbrennungsmotor und einer weiteren deutlichen Förderung des effizienten Batterieantriebs einhergehen.

 

Entscheidend für Fehrenbachs Einschätzung ist zum einen die Frage, ob der Kraftstoff tatsächlich rein aus Altölen oder -fetten hergestellt wird. Denn nur dann stimmen die 90 Prozent CO2-Reduktion. Mit frischen Pflanzenölen - egal ob Raps, Soja oder Palmöl - seien die 90 Prozent bei weitem nicht zu erreichen, sagt der Wissenschaftler.

Geamtbilanz muss stimmen

In der Gesamtbilanz müsse man auch berücksichtigen, welche Nutzungen mit möglicherweise höheren Einsparungen als beim Kraftstoff verloren gehen.

„Diese Abfallöle werden in den meisten Fällen nämlich schon anderweitig genutzt.“, erläutert Fehrenbach.

Woher kommt's?

Da HVO jedoch noch neu auf dem Markt ist, sind die Informationen über die Herkunft noch sehr diffus. Die letzten verfügbaren Zahlen stammen laut Fehrenbach aus dem Jahr 2022. Damals waren es 80 Prozent Altspeiseöl und 20 Prozent Palmöl. Im Jahr 2021 war das Verhältnis noch umgekehrt.

Altspeiseöl und tierische Fette werden als die Stoffe genannt, die in den vergangenen Jahren die größten Anteile ausmachten. Allerdings werden diese Fette laut Fehrenbach häufig eher zu Biodiesel als zu HVO verarbeitet. Dies liege vor allem daran, dass die konventionelle Umesterung einfacher und billiger sei als die teure Hydriertechnologie zur Herstellung von HVO.

Begrenztes Potenzial

Letztere wurde eigentlich speziell für Palmöl erfunden, da dessen Qualität als Biodiesel nicht optimal ist. Erst durch die Hydrierung wird es massiv aufgewertet. Inzwischen wendet sich der Markt jedoch zunehmend Abfallölen zu. Damit kommen Stoffe ins Spiel, die vorher niemand so richtig auf dem Schirm hatte: Fettabscheiderinhalte, Flotatfette und inzwischen auch so etwas wie der Ölschlamm, der auf den Abwasserteichen der Palmölmühlen schwimmt und vor sich hin gärt.

Dennoch bleibt das Potenzial für Biokraftstoffe aus mehreren Gründen begrenzt. Zum einen ist die Anrechnung von Biokraftstoffen aus Altölen und -fetten gesetzlich gedeckelt. Zum anderen sind auch die Rohstoffe nur begrenzt verfügbar und müssen häufig anderen Nutzungen entzogen werden.

Derzeit liegt die gesetzliche Obergrenze bei 1,9 Prozent des Energieverbrauchs im Verkehr, das sind laut Fehrenbach rund 1,25 Millionen Tonnen. Das Potenzial an Altspeiseölen in Deutschland wird auf 320.000 Tonnen geschätzt - ein Viertel der zulässigen Menge.

„Wir müssen somit drei Viertel so oder so irgendwo her importieren. Gleichzeitig steigt in allen Ländern der Bedarf zur Nutzung dieser sekundären Rohstoffe“, führt der Wissenschaftler aus.

Nachfrage anderer Industrien

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Nachfrage nach solchen biogenen Altölen durch andere Industrien in Deutschland wie Waschmittel, Schmierstoffe und andere stoffliche Anwendungen sei etwa so groß wie das Potenzial in Deutschland, sagt Fehrenbach. Deshalb sei es wichtig, die Rohstoffe für diese so genannte Oleochemie zu sichern.

„Sonst verlagern wir das Problem der Abkehr vom fossilen Rohstoff nur von Branche zu Branche ohne Klimanutzen.“

In die Luft, nicht auf die Straße

Dennoch hält Fehrenbach den Umstieg auf HVO100 in einigen Bereichen für sinnvoll. Dazu zählt er vor allem die Luftfahrt. Die Straße hält er für weniger geeignet. Und ohnehin sei der Einsatz auf kleine Mengen begrenzt.  

„Speziell HVO100, sei es ein Premiumkraftstoff, bleibt dann sowieso eine Marginalie. Der Effekt in der Klimabilanz insgesamt ist vernachlässigbar“, so Fehrenbach.

Für wirklich gefährlich hält er aber vor allem, wenn durch HVO100 der Umstieg auf die E-Mobilität verzögert wird.

„Nichts gegen ‚Technologieoffenheit‘ an sich“, erklärt der Wissenschaftler. „Aber hier spielt sich die andere Seite des psychologischen Effekts ab: Wird suggeriert, dass wir noch lange mit tollen ‚klimaneutralen‘ Kraftstoffen Verbrenner fahren können, habe ich noch weniger Anreiz auf Elektro umzusteigen.“

Genau das wäre aber aus seiner Sicht völlig falsch.

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