Handelsblatt Jahrestagung Nutzfahrzeuge 2024: Wer bringt den E-Truck zum Fliegen?

Die Hersteller haben längst ein breites Angebot an Null-Emissions-Fahrzeugen. Flottenbetreiber finden Lösungen für jeden Einsatzfall. Doch die Herausforderungen für die Dekarbonisierung des Verkehrs sind nicht kleiner geworden.  

VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Nutzfahrzeuge sind da, wenn man sie braucht.“ (Foto: Handelsblatt Nutzfahrzeuge 2024 / Willi Noters)
VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Nutzfahrzeuge sind da, wenn man sie braucht.“ (Foto: Handelsblatt Nutzfahrzeuge 2024 / Willi Noters)

Nutzfahrzeugindustrie und Transportunternehmen sind sich einig wie selten: Wenn es um die Transformation geht, drückt es derzeit ganz gewaltig bei der Frage: Wie sieht es mit der Ladeinfrastruktur für E-Lkw in Europa aus? Hinzu kommt, dass der komplette Wegfall der Förderung für emissionsfreie Fahrzeuge die Kauflust der Unternehmen fast auf null abbremst. Dennoch sind die Hersteller bereit und setzen bei der Entwicklung neuer Lkw einen klaren Fokus auf Emissionsreduktion.

Das sind die wichtigsten Botschaften auf der Handelsblatt Jahrestagung Nutzfahrzeuge 2024, die vergangene Woche in München stattfand. Die Industrie investiere massiv in die Klimaneutralität, betonte VDA-Präsidentin Hildegard Müller in ihrer Keynote zur Eröffnung der Veranstaltung. Die Branche sei bereit.

„Die Nutzfahrzeuge sind da, wenn man sie braucht.“

Müller betonte aber auch, dass es jetzt auf die richtigen Rahmenbedingungen ankomme. Und hier sieht sie die größte Herausforderung bei der Ladeinfrastruktur. Angesichts der ehrgeizigen EU-Vorgaben gebe es hier noch viel zu tun. Schließlich seien die Anforderungen an Ladestationen für Lkw ganz andere als für Pkw. Insbesondere bei der Netzanbindung sind die Anforderungen deutlich höher.

Müller kritisierte aber auch die mangelnde Förderung in Deutschland. Als die KsNI-Förderung im vergangenen Jahr von einem Tag auf den anderen eingestellt wurde, hat das viele Transportunternehmen, aber auch die Fahrzeughersteller kalt erwischt - eine Kritik, die auch die nachfolgenden Referenten aus Industrie und Transportunternehmen immer wieder untermauerten.

Lediglich Dr. Hendrik Haßheider, Referatsleiter Klimafreundliche Nutzfahrzeuge und Infrastruktur im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), sieht dies dezidiert anders. Mit der Förderung wäre der Hochlauf der Elektromobilität im Schwerlastverkehr nicht finanzierbar gewesen. Deshalb „brauchen wir die CO2-Maut“, so Haßheider. Diese müsse der Hebel sein, um die TCO des E-Lkw ins Positive zu drehen.

Haßheider rechnet vor, dass der E-Truck Mautkosten in Höhe von rund 30.000 Euro pro Jahr einspart. Auf vier Jahre gerechnet wären das 120.000 Euro. Damit wären die Mehrkosten für das BEV bezahlt, so der BMDV-Vertreter.

Ganz anders beurteilt Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher dees Bundesverband Güterkraftverkehr – Logistik und Entsorgung (BGL), die Situation. Er hält die Lenkungsfunktion der CO2-Maut für verfehlt, weil die Förderkulisse für emissionsfreie Lkw nicht existiere. Derzeit hätten alle Mitgliedsunternehmen ihre Pläne für Elektrofahrzeuge wieder in die Schublade gelegt.

„Ohne Förderung wird das nichts mit der Antriebswende“, warnte er.

Auch Stephan Unger, Vorstandsmitglied der Daimler Truck Holding AG, betonte, dass die Dekarbonisierung viel Geld kosten werde. Es brauche aber Lösungen, damit Transport auch in Zukunft bezahlbar bleibe - denn ohne Lkw könne eine Gesellschaft heute nicht mehr funktionieren. Außerdem brauche es jetzt eine gute Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen, denn:

„Der Cashflow von heute muss den Cashflow von morgen finanzieren.“

MAN-Chef Alexander Vlaskamp betonte, dass die Klimawende im Verkehr nur durch die Verbindung von Produkten mit der passenden Ladeinfrastruktur, den dafür notwendigen erneuerbaren Energien und einer für die Unternehmen positiven TCO erreicht werden könne. Um die EU-Ziele zur Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs zu erreichen, bräuchte es 45.000 Ladepunkte bis 2030, rechnete Vlaskamp vor - eine Herkulesaufgabe. Zwar will Milance, an dem auch MAN beteiligt ist, bis 2030 1.700 Ladepunkte errichten. Eine große Lücke bleibt, die auch nicht dadurch geschlossen wird, dass laut Studien rund 80 Prozent der Ladevorgänge im Depot stattfinden werden.

„Viele Länder in Europa kommen ihren Aufgaben beim Aufbau der E-Ladeinfrastruktur nicht nach“, kritisiert daher Vlaskamp.

Letztlich - auch darin waren sich alle einig - führt kein Weg an der Dekarbonisierung des Verkehrssektors vorbei. Nur wäre es fahrlässig, die Unternehmen auf diesem Weg allein zu lassen.

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