Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard will die in die Jahre gekommene Köhlbrandbrücke im Hafen durch eine neue Brücke und nicht durch einen Tunnel ersetzen.
„Nach Abwägung aller unterschiedlichen Querungsalternativen überwiegen die Vorteile einer Brücke“, sagte die SPD-Politikerin am Montag bei der Präsentation einer entsprechenden Drucksache für die Senatssitzung am Dienstag.
Das Bauwerk soll mit einer Durchfahrtshöhe für Schiffe von mehr als 70 Metern rund 20 Meter höher werden als die alte Brücke, zwischen 4,4 und 5,3 Milliarden Euro kosten und 2042 für den Verkehr freigegeben werden. Die alte Brücke soll laut Drucksache 2046 abgerissen sein.
Die 1974 fertiggestellte und für den Hafen wichtige Brücke wird nach jüngsten Daten täglich von rund 34.000 Fahrzeugen genutzt, darunter 12.700 Lastwagen.
„Darüber hinaus ist von großer Bedeutung, dass die Lkw in den vergangenen Jahrzehnten immer schwerer geworden sind und auch immer höhere Achslasten haben“, sagte Leonhard.
Deswegen gebe es bereits heute auf der Brücke ein Überholverbot und ein Abstandsgebot von 50 Metern für Lastwagen. Dennoch stiegen die Unterhaltungskosten immer weiter, laut Drucksache von 3,3 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 10,7 Millionen Euro im Jahr 2029.
„Trotz dieser intensiven Wartungsmaßnahmen kann man davon ausgehen, dass die Brücke absehbar das Ende ihrer Lebensdauer erreichen wird“, sagte Leonhard.
Vor allem der Mittelteil der Brücke leide unter Materialermüdung, die Rampen seien von Betonkrebs und einer Chloridbelastung betroffen. Hinzu komme, dass die in den 1960er Jahren konzipierte Brücke für die heutigen Schiffsgrößen nicht mehr geeignet sei.
„Sie stellt heute schon ein erhebliches Hindernis dar und schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten südlich des Querungsbauwerks ein.“
Das gelte insbesondere für den geplanten Umbau des Hafens hin zum Import, zur Herstellung und zum Weitertransport von erneuerbaren Energien und flüssigem Massengut.
Ursprünglich sollte die rund 50 Jahre alte Brücke einem Tunnel weichen. Das hatte Leonhard jedoch bereits im vergangenen Jahr wieder infrage gestellt, nachdem in Untersuchungen festgestellt worden war, dass der Bau komplexer würde als gedacht und die Kosten deutlich höher ausfallen würden als geplant.
„Wir treffen hier eine Entscheidung für ein Jahrhundertbauwerk“, betonte die Senatorin.
Entsprechend seien noch einmal alle Varianten verglichen worden. Und allein bei den auf das dritte Quartal 2023 berechneten Kosten habe sich gezeigt, dass ein Tunnel im günstigsten Fall 6,1 Milliarden Euro und bei Problemen bis zu 7,1 Milliarden Euro kosten werde, sagte Leonhard. Selbst ein abgespeckter Tunnel wäre noch rund eine Milliarde Euro teurer als eine Brücke.
Bereits 2020 hatten der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verabredet, dass sich der Bund mit bis zu 50 Prozent an den Nettobaukosten beteiligt. Dazu wurde die Brücke 2021 zu einer Bundesstraße aufgewertet.
Leonhard geht davon aus, dass die Zusage weiter steht. Das Bundesverkehrsministerium halte sowohl die Brücke als auch die Autobahn A26 Ost, die nur wenige Kilometer entfernt die Autobahnen A1 und A7 verbinden soll, von großer Bedeutung, sagte sie – und hat auch schon eine Summe im Kopf.
„Zwei Milliarden werden das sicher werden.“
Nach Leonhards Ansicht spricht gegen einen Tunnel auch, dass der Bau länger dauern, deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) verursachen und auch mehr Grund und Boden benötigen würde. Bei einer Brücke dagegen „muss nichts großartig zugeschüttet werden“. Und nicht zu vergessen: Die Köhlbrandbrücke ist ein Wahrzeichen der Stadt Hamburg. Verschwände sie vollständig, wäre das ein erheblicher Eingriff in das Stadtbild, sagte die Senatorin.
Referenz für die Höhe der neuen Brücke sind laut Drucksache die Suezkanal-Brücke sowie die Stonecutters Bridge im Hafen von Hongkong.
„Alles, was durch den Suezkanal fährt, ist für uns relevant. Was dort nicht durchpasst, ist auch für eine Passage durch den Köhlbrand nicht mehr von Relevanz“, sagte Leonhard.
Dass die Köhlbrandbrücke mit einer von Schiffen passierbaren Höhe von 73,5 Metern noch etwas höher werde als die Suezkanal-Brücke, liege daran, dass in Hamburg noch der Tidenhub zu beachten sei. Am Dienstag will sich der rot-grüne Senat mit der Drucksache befassen und darüber entscheiden.
„Ich gehe davon aus, dass das Ergebnis (...) einstimmig wird. Ich habe auch keinen Anlass etwas anderes zu glauben“, sagte Leonhard.
Anschließend werde die Drucksache der Bürgerschaft zugeleitet. Eigentlich wollte der Senat die Pläne am vergangenen Dienstag vorstellen. Doch das scheiterte am Veto der vom grünen Senator Jens Kerstan geführten Umweltbehörde. Ihr stieß dem Vernehmen nach vor allem die Eile auf, mit der das Projekt nach jahrelangen Diskussionen nun zur Entscheidung gebracht werden sollte. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Götz Wiese, zeigte sich skeptisch.
„Die Finanzierung der neuen Köhlbrandbrücke ist nicht gesichert, die Fertigstellung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, die konkrete Planung ist bislang kaum mehr als eine Computeranimation.“
Sein Fraktionschef Dennis Thering sprach mit Blick auf die seit Jahren laufenden Planungen und jüngsten Streitereien von einem unwürdigen Senats-Schauspiel. Der Hafenexperte der Linken, Norbert Hackbusch, kritisierte, dass eine zweite Brücke neben der bestehenden Querung gar nicht erst geprüft worden sei und sprach von einem ärgerlichen Oster-Präsent des Senats.
Die Umweltorganisatoren Nabu und BUND favorisieren einen Tunnel und stören sich vor allem an der Höhe der neuen Brücke.
„Der Köhlbrand braucht eine solide, keine windanfällige Querung, die ständig gesperrt ist. Ein Tunnel hätte den Vorteil, dass dieser etwa doppelt so lange hält wie eine Brücke“, erklärten sie.
Handelskammer-Präses Norbert Aust sagte, der Senat müsse nun auch die Frage beantworten, wie er bis zur Fertigstellung einen zuverlässigen Zugang zum Hafen sicherstellen wolle.
„Selbst bei günstiger Planungs- und Bauzeit befürchten wir weitere Einschränkungen und noch mehr Sperrungen der vorhandenen Brücke.“
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