Gräfenhausen: Unternehmer bezahlt streikende Trucker

(dpa) Im Streik der Lkw-Fahrer in Gräfenhausen keimt Hoffnung auf. Ein österreichischer Unternehmer hat seine Ladung jetzt direkt bezahlt. Der Streit mit einem polnischen Spediteur geht weiter.

„Einer für alle, alle für einen" - das ist das Motto der Streikenden. (Foto: Faire Mobilität)
„Einer für alle, alle für einen" - das ist das Motto der Streikenden. (Foto: Faire Mobilität)
Christine Harttmann

Die seit mehr als sechs Wochen streikenden Lkw-Fahrer auf dem südhessischen Rastplatz Gräfenhausen haben am Donnerstag erstmals Geld erhalten. Allerdings hatte nicht der polnische Spediteur eingelenkt, für den die Fahrer Waren quer durch Europa transportieren. Ein österreichischer Spediteur, der ebenfalls Teil der Lieferkette ist, habe sich entschlossen, die für den betreffenden Transport fällige Summe von 20.000 Euro direkt an den Fahrer auszuzahlen, sagte der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema, der von den Fahrern mit der Verhandlungsführung beauftragt worden war.

Einige der nun etwa 90 streikenden Fahrer aus Usbekistan, Georgien, der Ukraine und anderen Staaten reagierten euphorisch auf die Nachricht.

„Das ist ein erster kleiner Sieg – und dann kommt hoffentlich der große“, sagte Fakhriddin Salimov und reckte den Daumen in die Höhe.

Der Usbeke war von den Streikenden zum „Buchhalter“ bestimmt worden. Denn die Gesamthöhe der ausstehenden Löhne wird mit mehr als einer halben Million Euro beziffert. Er selbst warte auf mehr als 11.000 Euro, habe mehr als ein Jahr lang nicht mehr seinen korrekten Lohn erhalten, berichtete er.

Die Männer streiken seit mehr als sechs Wochen, um ausstehende Löhne einzufordern. Die polnische Spedition wirft ihnen Erpressung vor und hat vor einigen Wochen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt erstattet.

Als der österreichische Unternehmer am frühen Nachmittag eintraf, übergab er zunächst die Ladung und dann im Beisein von Zeugen das Geld an den Fahrer, der den Lkw mit der Ladung gefahren hatte. Dieser sollte die ihm zustehenden 4.000 Euro erhalten, der Rest des Geldes sollte zu gleichen Teilen unter allen Fahrern aufgeteilt werden. Alle seien entschlossen, so lange zu bleiben, bis jeder sein Geld erhalten habe, versicherte Salimov.

„Einer für alle, alle für einen, das ist unser Motto.“

Er hoffe, einen Stein ins Rollen zu bringen, sagte der mittelständische österreichische Unternehmer, der anonym bleiben wollte. Für seinen Kunden sei es höchste Eile, an die durch den Streik blockierten Waren zu kommen.

„Da geht es leicht auch um Arbeitsplätze und die Zukunft eines Unternehmens.“

Verständnis hatte der österreichische Spediteur aber auch für den Kampf der Trucker:

„Man sollte von seiner Arbeit nicht nur überleben können, sondern seinen Familien auch ein gutes, normales Leben ermöglichen können.“

Er zeigte sich erschüttert über die Bedingungen, unter denen die streikenden Fahrer leben, die mehrere Monate in den Führerhäusern ihrer Lastwagen verbringen.

„Wir hoffen, dass das einen Dominoeffekt auslöst“, sagte Atema bei einer Streikversammlung in Gräfenhausen.

Entsprechende Signale anderer Unternehmen gebe es schon – noch müssten allerdings Taten folgen, vor allem von den großen Generalunternehmen.

„Das ist heute ein kleiner Fisch, aber wir brauchen auch die großen Fische“, betonte er.

Angesichts der Gesamtsumme, die die Fahrer fordern, sei die Bezahlung von 20 000 Euro vielleicht ein kleiner Schritt, „aber strategisch ein wichtiger Schritt“, sagte Atema.

Während nach der Geldübergabe viele Fahrer jubelten und so gut gelaunt wie selten seit Streikbeginn wirkten, zog ein Georgier nachdenklich an seiner Zigarette.

„Der Rest des Geldes muss erst noch kommen – wir haben es noch lange nicht geschafft“, dämpfte er den Optimismus mit Blick auf die feiernden Kollegen.

Bereits im Frühjahr hatten über 60 georgische und usbekische Lkw-Fahrer der gleichen Firma in Gräfenhausen für ausstehende Löhne gestreikt und schließlich eine Zahlung durchgesetzt. Auch der damalige Streik hatte die Arbeitsbedingungen im internationalen Güterverkehr in den Fokus gerückt. Wie damals werden die Fahrer auch diesmal von Gewerkschaften, Kirchen und dem Beratungsnetzwerk Faire Mobilität unterstützt.

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