Fahrbericht: Fiats Elektro-Vans kommen unter Strom

Schon bis 2027 will Fiat zur Elektro-Marke werden, dabei sollen Synergien im Stellantis-Konzern helfen. Den neuen Großraumkombi Ulysse gibt es bald nur noch elektrisch. Beim Nutzfahrzeug Scudo bleibt der Diesel parallel. Mittelfristig soll die Fuel-Cell den Selbstzünder ersetzen. CNG hat dagegen keine Zukunft.

Flott in der City und im Umland: Der Ulysse kommt nur noch als Stromer und soll die meisten Bedarfe von gewerblichen Shuttle-Diensten abdecken können - eher keine Langstrecken. | Foto: Fiat
Flott in der City und im Umland: Der Ulysse kommt nur noch als Stromer und soll die meisten Bedarfe von gewerblichen Shuttle-Diensten abdecken können - eher keine Langstrecken. | Foto: Fiat
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die Stellantis-Tochter Fiat hat sich ehrgeizige Elektrifizierungsziele gesetzt und will nun schon bis 2027 zur Strommarke werden. Dabei sollen vor allem die Synergien im Stellantis-Konzern helfen. Als nächsten und schnellen Schritt folgt auf diesem Weg jetzt das binnen kürzester Zeit umgesetzte 3,0-Tonnen-Van-Projekt Fiat Ulysse sowie der Kastenwagenbruder Fiat Scudo. Der Kombi ist nach dem Fiat 500e der zweite BEV der Pkw-Sparte der Marke und kommt konsequent nur als Stromer. Der Kastenwagen wiederum ist nach dem noch von Fiat in Eigenregie entwickelten E-Ducato das zweite Nutzfahrzeug, dass es auch rein elektrisch gibt. Er übernimmt daneben aber auch das Diesel-Programm der Stellantis-Geschwister alias Opel Vivaro, Citroen Jumpy und Peugeot Expert, bestehend aus einem 1,5-Liter-Selbstzünder mit 100 und 120 PS sowie einem 2,0-Liter-Diesel mit 145 und 180 PS. Die Verbrenner erfüllen selbstredend die Euro 6D-Final-Norm und zielen auf eine Klientel, die weitere Strecken zügiger und unter Umständen auch öfter mit Anhänger absolviert.

Preislich sortieren sich die Stromer etwa 10.000 Euro über dem günstigsten Verbrenner ein, mit 37.900 Euro Netto für einen E-Scudo Kastenwagen mit 50 kWh-Akku und kürzester der drei Längen. Abzüglich Prämie herrscht also Preisparität. Beim gut ausstaffierten 8-Sitzer-Kleinbus E-Ulysse, der ab Version lang startet, geht es dann bei  55.900 Euro Netto los, für die 50-kWh-Variante, 6.000 Euro Aufschlag muss man für die 75-kWh-Version berappen.

Solide Hausmannskost bei E-Antrieb und Fahrzeug

Klar, dass es bis auf den Grill und das Lenkrad zu den Stellantis-Brüdern identischen Fiat-Versionen keine Unterschiede beim Fahreindruck gibt. Sprich, man liefert solide Hausmannskost mit anständig gemachter Kabine, ordentlicher Flexibilität im Fond, komfortabler Federung und bravem Handling. Zudem kommt der große Wagen dank der 260 Nm des Einheits-Elektro-Antriebs mit 100 kW aus dem Stand bei durchgedrücktem Fahrpedal recht flott aus den Puschen und surrt dann flüsterleise durch den Turiner Stadtverkehr. Selbst die gute Dämmung kann aber das laute Geknatter einer vor uns stehenden APE nicht ganz tilgen - die Szene führt aber sinnbildlich vor, was wir in Städten eigentlich nicht mehr brauchen, bei aller Nostalgie.

Den Verbrauch drückten wir über eine City-Umland-Autobahn-Tour auf 21,5 kWh/100 km, längere Autobahnstrecken mag der wenig aerodynamische "Kasten" aber nicht. Die 330 Kilometer Reichweite beim 75-kWh-Modell (230 bei 50 kWh) sind denn auch eher in der Stadt realistisch - für längere Reisen ist der E-Ulysse, aber auch sein Nutzi-Pendant nicht gemacht, selbst wenn die Ladetechnik mit 100 kW in DC und 11 kW in AC dem guten Stand der Brüder entspricht und schnell wieder energetisch fit macht. Gewerbekunden mit "Schnell-fern-gut"-Anspruch sollten da eher zum Diesel greifen - oder auf den Fuel-Cell-Plug-in-Hybriden warten, den Fiat im Gleichklang mit Stellantis zeitnah nachschieben will.

Neben dem Scudo könnte auch der Ducato einen Fuel-Cell-Hybrid erhalten

Apropos Fuel Cell: Die sieht man generell auch als sofortigen CNG- und perspektivischen Diesel-Ersatz. Auch vom Fiat Ducato könnte es demnach mal ein Fuel Cell-Modell geben, wie Eric Laforge, Leiter Leichte Nutzfahrzeuge (LCV) bei Stellantis in Europa, im Gespräch mit VM anklingen ließ. Doch einstweilen hat auch der (brandneue) Diesel im Ducato sein (doppelt SCR-Kat-gereinigtes) Auskommen. "Wir haben Kunden, die spulen täglich 800 Kilometer runter, da ist der Diesel noch unersetzlich", meint Laforge. Die sogenannte Natural-Power-Technologie, der man mit dem starken Stammmarkt Italien im Rücken bei Fiat über lange Jahre die Treue hielt, spricht der CNG-Antrieb, ist mit der Neuauflage des Ducato übrigens Geschichte, en passent verkündet, sozusagen.

Das Ende einer langen CNG-Ära bei Fiat

Das ist insofern bedauerlich, als mittels Biomethan die Technologie enormes Überbrückungspotenzial hätte, das im Lkw-Bereich auch auf hohe Nachfrage trifft. Doch unter dem synergiegetriebenen Stellantis-Boss Carlos Tavares haben solche Nischenlösungen keine Chance, man macht kurzen Prozess und fokussiert sich auf rasche Elektrifizierung. Dass es über kurz oder lang auch zu einer Vereinheitlichung beim E-Antrieb der großen Vans kommen könnte, wo Peugeot-Citroen-Opel jetzt noch auf eine Umrüstlösung von BD Auto setzen, deutet Marengo ebenfalls an. Im Zweifel dürfte es auf die "hauseigene" Fiat-Lösung hinauslaufen, deren Entwicklung in den Strudel der Fusion mit PSA geriet und bei Übernahme schon gelaufen war. Das Fiat-Antriebspackage wirkt aber nach den ersten Eindrücken gründlicher entwickelt und erscheint als flexibleres Package aus Motor, Akkus und Ladetechnik. 

Der Diesel-Ducato hat die modernere Bordelektronik

Der E-Ducato soll irgendwann übrigens auch das gründliche elektronische Facelift des Diesel bekommen, samt Infotainment, Fahrerassistenz mit elektrischer Servolenkung samt aktivem Lenkeingriff, Abstandstempomat und Stauassistent. Aber das genießt keine oberste Priorität, auch weil bei den gewerblichen Kunden der E-Antrieb wichtiger ist und die Einsätze ohnehin zum größten Teil im urbanen Bereich liegen. Dennoch: Zu einem modernen Antrieb gehört auch ein modernes Gesamtpaket, inklusive integrierter Telematik. Von den Betriebskosten reklamiert der Hersteller allerdings schon jetzt Parität zum Diesel, in der Anschaffung teurer, aber schon auf die mittlere Sicht günstiger. Und zukunftssicherer im Hinblick auf weiter forcierte Einfahrbeschränkungen sowieso, wie Eric Lafarge wirbt. 

Trend zum SUV bei Pkw, Vans mehr gewerblich genutzt

Dass man bei den Großraumkombis Ulysse gleich auf Elektroantrieb umstellt, hat neben der allgemeinen Elektrostrategie des Konzern aber auch seinen Grund darin, dass mit dem Trend zu den SUV bei den Personenwagen zugleich eine Professionalisierung bei den Kleinbussen einhergeht. Und hier, meint Eric Laforge, würden die gebotenen Elektro-Reichweite den Großteil des Spektrums abdecken. Was übrigens auch eine Klasse drüber beim Ducato der Fall sei: 80 Prozent der gewerblichen Nutzer decke man mit den Akku-Größen 47 kwh (235 km) sowie 79 kWh (370 km) ab, zumal mit optionaler Schnellladetechnik. Die sei generell aber weniger gefragt, die als gewerbliche "Nachtlader" mit kostenschonender AC-Technik wohl gut klar kommen. Und die Kunden würden als noch Elektro-unkundige "early adopter" lieber bei der Reichweite auf Nummer sicher gehen und die größere Variante wählen, berichtet Luca Marengo, LCV-Produktleiter bei Stellantis. Viele wüssten gar nicht so sehr um die tatsächlichen Aktionsradien, legten aber Wert auf Flexibilität.   

Auch der Doblo dürfte bald ein- und umgestellt werden

Der nächste Schritt dürfte bei der Nutzfahrzeugsparte dann mit dem Ersatz des City-Vans Doblo anstehen, der schätzungsweise 2023 auf die EMP2-Plattform von Stellantis "migriert" wird - und dann gleich rein elektrisch kommen dürfte, wie jetzt auch schon bei den Kombiversionen der Peugeot-Citroen-Opel-Pendants der Fall. Wie der Doblo dreht auch der Mikro-Van Fiorino seine letzten eigenständigen Runden, als Verbrenner und CNG wohlgemerkt. Eine elektrische Version kommt auf dieser Plattform nicht mehr. Ein Citroen Ami mit Fiat-Label wohl aber auch nicht, den Eric Laforge nicht so sehr als Fahrzeug, sondern als "Device" betrachtet. Könnte allenfalls sein, dass Stellantis nach dem Vorbild von Renault und Toyota an dedizierten City-Lieferwagen tüftelt. Feststeht: Im Verein kommt die Elektrifizierung am schnellsten. Und das Tavares-Tempo sowie die Stringenz ist beachtlich. 

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