Exklusiv: DAF kann jetzt auch den Hydro-Antrieb für die Vorderachse

Die hydraulisch angetriebene Vorderachse als Anfahr- und Traktionshilfe hat viele Namen - bei DAF heißt das System PXP. Die drei Buchstaben stehen für "Paul Xtra Power" und weisen schon darauf hin, wer hier die Entwicklung federführend mitgestaltete.  Transport sprach mit den Entwicklern bei Paul im neuen Vilshofener Werk. Die ersten Proberunden in einer Straubinger Kiesgrube zeigen: Mit Paul hat DAF den richtigen Partner gewählt.

Zusammen mit Fahrzeugbau Paul, Passau, entwickelte DAF eine eigene Lösung für die hydraulisch angetriebene Vorderachse für Baufahrzeuge. Foto: rod
Zusammen mit Fahrzeugbau Paul, Passau, entwickelte DAF eine eigene Lösung für die hydraulisch angetriebene Vorderachse für Baufahrzeuge. Foto: rod
Robert Domina

Die hydraulisch per Radnabenmotoren angetriebene Vorderachse ist ein durchaus bewährtes Instrument zur Erhöhung der Traktion. MAN war hier Pionier für den Bau-Truck-Bereich, dann folgten Renault, Volvo und Mercedes mit dem HAD ("Hydraulic Auxiliary Drive"). Und auch Iveco schloss sich zuletzt den Anbietern an, fehlten nur noch DAF und Scania. Scania fehlt auch weiterhin mit einer eigenen Vorderachs-Lösung. Denn die Södertäljer setzen nach wie vor auf einen "richtigen" Allrad mit zuschaltbarer Vorderachse, taten sich aber in Sachen Hydraulik-Antrieb mit SAF zusammen, wo man den Hydro-Antrieb für die Trailer-Achse erfand.

Nur so viel zum Gesamt-Angebot in Sachen hydraulisch zuschaltbarer Vorderachse. Bereits auf der IAA 2016 gab DAF eine Absichtserklärung, mit einem Partner eine eigene Lösung zu entwickeln, seit März 2019 ist das Produkt serienreif, seit Ende 2019 kann man es kaufen.

Wer die Produktphilosophie von DAF kennt, der weiß: Es muss einfach sein, es muss einen überragenden Kundennutzen bieten und: man muss nicht immer der Erste sein. Das war schon immer so bei den Holländern, da müssen sich Dinge erst im Tagesgeschäft bewähren. Natürlich konnten die Kunden auf für ihre DAF den Hydro-Antrieb bestellen. Der kam aber dann vom Heavy-Duty Partner Ginaf, der 2011 nach Konkurs einem chinesischen Konsortium übernommen wurde. Etwas Neues musste also her.

Dass sich die Niederländer ausgerechnet den Niederbayerischen Fahrzeugbau-Spezialisten Paul aussuchten, darf im Nachhinein als weise Entscheidung goutiert werden. Die Passauer Antriebs-Spezialisten können - was Achsen und Antriebstechnik angeht - praktisch alles. Zusatzachsen in jeder Form sind nur ein Spezialität. Umbauten in die Länge und jede andere Richtung gehören zum Tagesgeschäft, die Umrüstung von Diesel-Chassis auf E-Antrieb ist eine relativ neue Disziplin von Paul, Passau.

Der Auftrag seitens DAF an die Niederbayern lautete kurz gesagt: Baut uns einen Hydro-Antrieb. Aber bitte einfach, betriebssicher und mit so wenig Spezialteilen wie nur möglich. Wiegen darf das Ganze auch nichts, und kosten schon gleich drei Mal nichts. Die letzten beiden Vorgaben sind dabei relativ zu sehen, schon klar. Denn ohne eine kräftige Hydraulik-Pumpe am motorseitigen Nebenabtrieb, ein paar Liter (55 genau) Hydrauliköl, Ventilblöcke, ein wenig Elektronik und schließlich den beiden Radnabenmotoren, dreht sich da vorne nun mal nichts. Die paar Komponenten gibt's auch nicht gratis.

 

Aber: Paul packte die Chance am Schopfe und erfand den Hydro-Antrieb quasi neu. Und das tatsächlich mit vielen Standard-Teilen (Pumpe, Poclain-Radnabenmotoren), die von ein paar Spezialitäten ergänzt werden. An wichtiger Stelle. So forderte gerade die Gestaltung des Steuerblocks den Entwicklern um Leiter Andreas Süß einiges ab. Bevor hier am Schluss ein kompakter Steuerblock übrig bleibt wird das ganze Hydraulik-System erst mal wie ein grober Schaltplan zusammengesteckt. Das ähnelt im Versuchsaufbau stark einem Hydraulik-Leitungs- und Ventilsalat, den zu überschauen die wahre Expertise zeigt. Dann wird überprüft, ob das alles so zusammen wirkt, wie es soll und erst dann bauten die Hydraulik-Experten von Poclain den Ventilblock so, wie Paul das haben will.

Entscheidend bei PXP ist die Arbeitsweise als "offenes System". Das bedeutet: Im Standby-Modus fließt schon relativ viel Öl durch die Leitungen, so mit 100 bar, die Projektleiterin Katja Obernhuber bildhaft als "Tümpeldruck" bezeichnet, weil das Öl "gefühlt" hier nur so vor sich dümpelt - jedenfalls im Vergleich zu den 360 bar maximalen Arbeitsdrucks. Bis zu 260 Liter pro Minute werden hier durch die Teils armdicken Hydraulik-Leitungen gespült. Alles zum Zwecke einer praktisch verzögerungsfreien und proportional zum Gaspedal arbeitenden Ansprech-Charakteristik. Denn darauf kommt es an: Genau dann Zugkraft in den Vorderrädern zu erzeugen, wenn der Gasfuß das einfordert.

Kurzum: PXP funktioniert ganz ausgezeichnet. In der Kiesgrube des Straubinger Kieswerk-Betreibers Hans Wolf GmbH konnten wir zum ersten Mal an knackigen Steigungen und tiefen Schlammwegen der "Paul'schen Xtra Power" auf den Zahn fühlen, Fuhrparkleiter Mario Raith hatte uns dankenswerter Weise noch ein paar "Sonderprüfungen" eingebaut. Gerade beim Abkippen in der benachbarten Deponie erschließt sich der Mehrwert der roundabout 20.000 Euro-Investition PXP (Liste), das Video weiter unten zeigt den Vorgang.

Aber auch als Anfahrhilfe taugt PXP ganz trefflich - freilich immer in Abhängigkeit des Steigungsgrades und/oder der Griffigkeit von Boden und Reifenprofil. Die beste Vorgehensweise ist dabei folgende: PXP nicht zu spät aktivieren, gleich beim Einfahren ins Revier die Taste gedrückt - fertig. An manchen Stellen lohnte sich bei unseren Gruben-Runden auch das Zuschalten der Hinterachssperre des Test-CF. Schaltet man PXP erst zu, wenn die Räder der Hinterachse bereits durchdrehen, wird der Effekt des Hydro-Antriebs freilich erst wirklich sicht-, beziehungsweise erfahrbar. Dann kommt man eben weiter die Steigung hinauf. Oder eben auch nicht, wenn die Rampe zu steil oder der Boden zu weich ist. Das ist freilich selten. Jedenfalls, wenn der Grubenbetreiber auf einen guten Wegebau achtet.

Ausführlicheres zum ersten kontakt mit PXP lesen Sie in der nächsten Ausgabe von transport.

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