Euro-7-Beschluss: EU-Parlament für abgeschwächte Euro-7-Grenzwerte

Diametral entgegengesetzt deuten die NGO T&E und Grüne Politiker einerseits sowie andererseits der Industrieverband ACEA den Beschluss des EU-Parlaments für abgeschwächte Euro-7-Grenzwerte, die kaum etwas am Status Quo ändern. Feststeht: Ehrzeizig ist anders. Und fraglich, ob das gute Standortsicherung ist.

Der ACEA sieht die abgeschwächte Euro-7-Norm noch immer als bedeutende Herausforderung für die Industrie. | Foto: ACEA
Der ACEA sieht die abgeschwächte Euro-7-Norm noch immer als bedeutende Herausforderung für die Industrie. | Foto: ACEA
Daniela Sawary-Kohnen
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Nach dem Beschluss des EU-Parlament für die abgeschwächten Euro-7-Grenzwerte, der mit deutlicher Mehrheit getroffen wurde, gehen die Interpretationen des Ergebnisses weit auseinander. Die Vorlage muss jetzt noch im Trilog-Verfahren verhandelt weren, der Länderrat will aber tendenziell noch weniger strenge Regularien.

Die Umweltdachorganisation T&E schlug ernüchtert vor, die EU-Gesetzgeber sollten einen Entwurf für ein Gesetz über Kraftfahrzeugemissionen in "Euro 6 F" umbenennen, um eine umfassende Umweltverschmutzung durch schmutzige Autos zu vermeiden. Das EU-Parlament habe eine so genannte "Euro 7"-Norm unterstützt, die den Schutz vor Luftverschmutzung gegenüber der Vorgängerregelung Euro 6 nicht wesentlich verbessert.

Der Grenzwert für Stickoxide (NOx) für Benzinautos bliebe derselbe wie bei Euro 6 und die Tests, die für die Einhaltung der Grenzwerte entscheidend sind, würden kaum verbessert.Die Autohersteller nutzen die Euro-Norm für die Luftverschmutzung in der Regel, um ihre Fahrzeuge bei den Verbrauchern als "sauber" zu vermarkten, während sich die Regulierungsbehörden häufig auf die Normen stützen, um zu entscheiden, welche Fahrzeuge freien Zugang zu Umweltzonen hätten und niedrigere Kfz-Steuersätze zahlen dürfen.

"Die heute verabschiedete Euro 7-Norm ist mehr als nutzlos. Die Autokonzerne werden sie nutzen, um Autos grün zu waschen, die kaum sauberer sind als heute. Die letzte Schadstoffnorm, die die Motoren erfüllen müssen, ist ein toter Buchstabe. Die Gesetzgeber sollten den Anstand haben, sie in Euro 6F umzubenennen oder sie zurückzuziehen", appellierte Anna Krajinska, Managerin für Fahrzeugemissionen und Luftqualität bei T&E.

Die Abgeordneten hätten sich heute für ein Euro 7-Gesetz ausgesprochen, das im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag folgende Änderungen vorsieht:

  • Abschwächung der Grenzwerte für Lkw, so dass die NOx-Grenzwerte um etwa das Zweifache erhöht werden
  • Abschwächung der Grenzwerte für Kleintransporter, so dass die NOx-Grenzwerte um 30 % gesenkt werden
  • Abschwächung der Prüfbedingungen für Pkw, einschließlich Beschleunigung, Temperatur und Höhe, zurück zu den Euro 6-Anforderungen
  • Die Einführung von Euro 7 wird stark verzögert, d.h. Autos müssen die Grenzwerte erst drei Jahre nach der Verabschiedung aller zugehörigen Vorschriften einhalten. Für Lkw gelten die Vorschriften frühestens ab 2030.

Die NGO verweist auf die Berichte großer europäischer Zeitungen, über die Kampagne der Autoindustrie, um die ursprünglichen Pläne für Euro 7, die 35.000 vorzeitige Todesfälle verhindert hätten, zu schwächen. Das EU-Parlament wird nun in Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Rat und der Kommission eintreten, um das endgültige Gesetz zu beschließen.

Der EU-Rat unterstützt eine noch schwächere Version von Euro 7. Die NGO erklärte, dass die EU-Kommission von ihrer Befugnis Gebrauch machen sollte, die Gesetzgebung zurückzuziehen, wenn die Gesetzgeber das Gesetz während der Verhandlungen nicht umbenennen. Der Schaden, der durch das Greenwashing schmutziger Autos verursacht wird, würde jeden kleinen Fortschritt in Euro 7 aufwiegen, so das harsche Urteil. Ähnlich urteilt auch der Grünen-EU-Parlamentarier Michael Bloss.

"Die Euro 7-Position ist ein Lobbypapier. Eine fossile Allianz aus Konservativen, Rechten und Liberalen haben aus der Abgasnorm zu einem Losergesetz gemacht. Laxe Standards waren noch nie ein Vorteil für die europäische Produktion. Wenn Europa es nicht schafft, dann setzt China die Standards und das ist das schlechteste Ergebnis für den Automobilstandort Europa", kritisiert Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EP.

Mit dem weichgespülten Gesetz werde der europäischen Autozulieferer-Industrie ein Schlag versetzt, sie müssen fürchten, dass ihre Produktion durch Billigprodukte ersetzt wird. Anstatt die Zeichen der Zeit zu erkennen und auf Hightech zu setzen, wird weiter die Technik von vorgestern gebaut. Europa habe die besten Ingenieur*innen und die klügsten Köpfe. Man müsse Stärke beweisen, indem man besten Standards weltweit setzt. Nur so lasse sich die Zukunft des europäischen Industriestandorts sichern. Dass die EU-Kommission sich von der Lobby über den Tisch ziehen lassen hat, zeigten auch Recherchen des Guardian.

"Die Milliarden-Kosten, die der Gesellschaft durch höhere Luftverschmutzung und Krankheiten entstehen, zahlen am Ende wir alle, mit unserer Gesundheit und höhere Krankenkassenbeiträge", befürchtet Bloss.

ACEA sieht noch immer "bedeutende Investitionen"

Komplett anders deutet der der Verband der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) den Beschluss. Man erkenne an, dass das Europäische Parlament heute für einen realistischeren Ansatz für Euro 7 gestimmt hat, als die Europäische Kommission im letzten Jahr vorgeschlagen hatte. Euro 7 sei jedoch nach wie vor mit einem hohen Preis verbunden, und das zu einem sehr kritischen Zeitpunkt in der Transformation der Branche, klagt der Verband.

"Die Tatsache bleibt bestehen, dass Euro 7 eine bedeutende Investition für die Fahrzeughersteller darstellt, zusätzlich zu ihren enormen Anstrengungen zur Dekarbonisierung", erklärte die Generaldirektorin des ACEA, Sigrid de Vries.

Sie verweist zudem auf den "außerordentlich schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Kontext", der von steigenden Energiepreisen, Engpässen in der Lieferkette, Inflationsdruck und einer nachlassenden Verbrauchernachfrage geprägt ist. Europa brauche eine angemessenen Euro 7, die Umweltbelange und industrielle Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringt.

"Es besteht kein Zweifel am Engagement der Industrie für die Verbesserung der Luftqualität. Deshalb hat die Automobilindustrie bereits umfangreiche Ressourcen in die neuesten Euro-Schadstoffnormen, Euro 6/VI, gesteckt. Diese Investitionen haben sich gelohnt, denn die Abgasemissionen sind heute kaum noch messbar", lobt de Vries die eigenen Bemühungen.

Der Verband ist der Ansicht, dass es sinnvoll ist, die Brems- und Reifenemissionen mit Euro 7 anzugehen, da diese auch für Elektrofahrzeuge relevant sind und in Zukunft die Hauptquelle der Schadstoffemissionen im Straßenverkehr sein werden. Da die Prüfmethoden für Nicht-Abgasemissionen jedoch völlig neu und unerprobt seien, müsse die technische Durchführbarkeit dieser neuen Ziele sichergestellt werden.

Der Lobbyverband fordert die politischen Entscheidungsträger auf, dafür zu sorgen, dass bei den Trilog-Verhandlungen Realismus vorherrsche. Man dürfe nicht zuzulassen, dass ein unverhältnismäßiger Euro 7 die von den Herstellern bereits erzielten Fortschritte zunichte mache, so der aus Industriesicht naheliegende Appell.

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