Energiewende: Wasserstoff-Speicher bisher nur im Versuchsstadium
Noch ist klimaneutral hergestellter Wasserstoff Mangelware, doch das soll sich bald ändern. Werden die milliardenschweren Pläne von Politik und Wirtschaft verwirklicht, gibt es schon in einigen Jahren zahlreiche Elektrolyseure für Wasserstoff aus Grünstrom, Anlandeterminals für Importe, ein Pipeline-Netz zum Wasserstoff-Transport und Großabnehmer in Industrie und Energiewirtschaft. Nötig sind dann auch Speicher für das leichteste aller Elemente, damit immer genug da ist und gehandelt werden kann. Wie steht es also um die Wasserstoff-Speicher in Deutschland? Ein Überblick.
Warum reden ständig alle von Wasserstoff?
Weil Wasserstoff eine zentrale Rolle in einem klimaneutralen Wirtschaftssystem spielen soll: CO2-neutral erzeugt soll das leichteste Element etwa in neuen Gaskraftwerken Strom erzeugen, wenn nicht genug Wind- oder Sonnenstrom da ist. In Stahlwerken soll es anstelle von Koks zum Einsatz kommen und so riesige Mengen Kohlendioxid einsparen. Auch Lkw sollen damit fahren.
Damit das funktioniert, braucht man viel Wasserstoff. Weil nicht immer genauso viel verbraucht, wie produziert wird, braucht man Speicher. Experten rechnen mit einem großen Bedarf an Wasserstoffspeichern in Deutschland.
Wo soll Wasserstoff gespeichert werden?
In großem Stil vor allem unter Tage - wie Erdgas. Zwei Speichertypen werden unterschieden: Bei Kavernenspeichern wird das Gas in riesigen Hohlräumen gelagert, die künstlich in Salzstöcke gespült wurden. Einige Kavernen sind mehrere hundert Meter hoch. Bei Porenspeichern wird das Gas in porösen Gesteinen gespeichert. Allerdings:
„Hier ist bislang noch nicht abschließend geklärt, welche konkreten Anlagen sich auch für die Speicherung von Wasserstoff eignen“, erklärt der Geschäftsführer des Verbandes der Erdgasspeicher-Betreiber Ines (Initiative Energien Speichern), Sebastian Heinermann, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Gibt es schon genug Speicher für Wasserstoff?
Nein. Zwar sollen nach und nach vorhandene Erdgasspeicher für die Wasserstoff-Speicherung umgerüstet werden. Das Bundeswirtschaftsministerium geht jedoch davon aus, dass mehr Wasserstoffspeicher neu gebaut werden müssen als durch Umwidmung bestehender Gasspeicher gewonnen werden können. Laut den jüngsten Langfristszenarien des Ministeriums werden bis 2045 Speicher benötigt, die Wasserstoff mit einem Energiegehalt von insgesamt 76 bis 80 Terawattstunden speichern können.
„Aus dem Bestand an Gasspeichern hierzulande lassen sich schätzungsweise 32 Terawattstunden davon decken“, sagt Verbandsgeschäftsführer Heinermann. „Der verbleibende Bedarf muss über einen Neubau von Anlagen gedeckt werden.“
Gibt es überhaupt schon Wasserstoff-Speicher?
Ja, laut Energiekonzern Uniper vereinzelt in den USA und im Vereinigten Königreich. In Deutschland gibt es bislang nur wenige Test-Anlagen. So untersucht etwa der Oldenburger Energiekonzern EWE schon seit Längerem mithilfe einer Testkaverne in Rüdersdorf bei Berlin, worauf es beim Betrieb eines Wasserstoffspeichers in einem Salzstock ankommt.
„Seit dem Projektstart im Jahr 2019 haben wir bereits verschiedene Meilensteine erreicht, beispielsweise den Dichtheitsnachweis der Kavernenzuleitung bis auf 1.000 Meter Tiefe“, berichtet eine Firmensprecherin.
Derzeit werde die Ein- und Auslagerung von Wasserstoff mit verschiedenen Geschwindigkeiten erprobt.
Deutschlands größter Erdgasspeicher-Betreiber Uniper testet seit einigen Monaten im bayerischen Bierwang, wie man Wasserstoff in porösem Gestein lagern kann. Demnächst will Uniper auch die Wasserstoffspeicherung in einem Salzstock erproben - im ostfriesischen Krummhörn. Etwa zwei Jahre lang soll dort geprüft werden, wie etwa Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Der Hohlraum der Pilotkaverne hat ein Volumen von etwa 3.000 Kubikmetern. Zum Vergleich: Große Erdgaskavernen haben mehrere Hunderttausend Kubikmeter Volumen.
Gibt es schon konkrete Pläne für Großspeicher?
Ja. Kommerziell genutzte Großspeicher sind unter anderem in Huntorf bei Oldenburg (EWE), Bad Lauchstädt bei Halle (Saale)(VNG) und Gronau-Epe (RWE) geplant. Auch in Krummhörn könnte solch ein Wasserstoff-Speicher entstehen: Die neue Pilotkaverne kann durch weitere Salzausspülung, sogenanntes Solen, vergrößert werden, um sie eines Tages kommerziell zu nutzen. Die kommerzielle Inbetriebnahme in Gronau plant RWE schon für 2026. In Huntorf will EWE ab 2027 Wasserstoff speichern.
Wie viele Pilotprojekte gibt es derzeit in Deutschland?
Dem Speicherverband Ines sind aktuell achtzehn Projektideen bekannt, die unterschiedlich weit fortgeschritten sind. «Bei den Projekten handelt es sich in der Regel um kleinere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben», erklärt Heinermann. Er betont das grundlegende Interesse der Gasspeicherbetreiber an Wasserstoffspeicherung:
„Die Ines-Mitglieder sind sehr daran interessiert, Wasserstoffspeicher zu entwickeln und damit einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Energiewende zu leisten.“
Das Bundeswirtschaftsministerium ist zuversichtlich, dass eines Tages genügend Speicher da sein werden: «Aufgrund der hohen Potenziale für Wasserstoffspeicher (Salzkavernen und Porenspeicher) ist davon auszugehen, dass grundsätzlich alle entstehenden Speicherbedarfe gedeckt werden können», erklärt eine Sprecherin auf dpa-Anfrage. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf «signifikante Salzkavernenvorkommen» insbesondere in Nord- und Ostdeutschland sowie im geringeren Umfang in Mitteldeutschland.
„Auch das Potenzial für Porenspeicher liegt insbesondere in Nord- und Ostdeutschland.“ Porenspeicherpotenziale gebe es darüber hinaus auch in Mittel- und Süddeutschland.
Welche Fragen müssen noch geklärt werden?
Dem Ines-Geschäftsführer fallen eine Menge ein.
„Zentrale Fragen sind sicherlich mit dem Medium Wasserstoff verbunden“, sagt Heinermann. „Wie reagiert die Geologie im Untergrund auf den Wasserstoff? Was macht der Wasserstoff mit den Anlagenkomponenten? Wie verhält sich der Wasserstoff bei unterschiedlichen Betriebsweisen?“
Hinzu kämen Fragen zu Planungs- und Genehmigungsprozessen und Kostenfragen für Errichtung und Betrieb. Wichtig sei auch, wie die konkreten Anforderungen der Speichernutzer aussähen und wie sie sich über die Zeit hinweg verändern können.
Wie geht es weiter?
Das Bundeswirtschaftsministerium will bis zum Jahresende eine Wasserstoffspeicherstrategie vorlegen. Die Branche erhofft sich davon etwa Hinweise, wie Planung- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können. «Derzeit wird geschätzt, dass die Umwidmung eines Gasspeichers auf Wasserstoff ungefähr 6,5 Jahre dauert. Der Neubau könnte sogar über zehn Jahre erfordern. Da müssen wir besser werden», sagt Heinermann. Die Strategie solle auch die Frage beantworten, wie man in einem unsicheren Marktumfeld zu den nötigen Investitionen in Speicherprojekte komme, sodass die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden könne. «Denn wenn wir nicht sehr bald in die Skalierung kommen, dann wird die Energiewende nicht fristgerecht umzusetzen sein.»
(Helge Toben/dpa)
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