Ob die Schifffahrt ihre neuen Emissionsziele bis 2030 erreichen wird, ist ungewiss. Das zeigt der aktuelle „Maritime Forecast to 2050“ von DNV. Die ausreichende Versorgung mit klimaneutralen Treibstoffen wird damit zu einer Herausforderung für die Branche. Der Wettbewerb um umweltfreundlichere Treibstoffe ist hart, weil die Nachfrage kommt auch aus anderen Branchen kommt. Umso wichtiger sei es, so der Bericht, dass sich die Schifffahrt verstärkt mit allen Alternativen zur Emissionsreduzierung auseinandersetzt und schnell handelt, um ihre Ziele in Zukunft erreichen zu können.
Die Schifffahrt sieht sich einem zunehmenden regulatorischen Druck zur Dekarbonisierung ausgesetzt. Zuletzt hat die Weltschifffahrtsorganisation IMO im Juli ihre Vorgaben verschärft. Demnach soll die Branche ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 20 Prozent und bis etwa 2050 auf netto null reduzieren. Um den erwarteten jährlichen Treibstoffbedarf von 17 Millionen Tonnen Öläquivalent (Mtoe) bis 2030 zu decken, benötigt die Schifffahrt 30 bis 40 Prozent des prognostizierten weltweiten CO2-neutralen Treibstoffangebots. Reeder sollten daher ihren Blick über die Kraftstofffrage hinaus erweitern und prüfen, welche Maßnahmen sie bereits heute ergreifen können, um insbesondere die Energieeffizienz zu steigern und CO2-Emissionen zu reduzieren.
„Die 2020er Jahre markieren das entscheidende Jahrzehnt für die Schifffahrt“, sagte DNV Maritime CEO Knut Ørbeck-Nilssen. „Die Sicherstellung einer umweltfreundlicheren Kraftstoffversorgung ist unverzichtbar. Sich allein auf die Treibstoffe zu fokussieren, kann uns jedoch davon abbringen, bereits in diesem Jahrzehnt etwas zu bewirken, und allein ehrgeizige Erklärungen für die Zukunft reichen nicht aus. Wir brauchen nachhaltige Schritte, um die Emissionen zu senken. Energieeffizienz-Maßnahmen können schon jetzt und bis 2030 zu Ergebnissen bei der Dekarbonisierung führen.“
Die „Maritime Forecast to 2050“ gibt einen aktualisierten Überblick über eine Vielzahl von Regulierungen und Treibern für die Dekarbonisierung der Schifffahrt. Die wichtigsten sind die neuen IMO-Regeln, die Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel der Europäischen Union (EU) und die detaillierten Well-to-Wake-Anforderungen. Diese Anforderungen werden den Einsatz kohlenstoffhaltiger Brennstoffe verteuern und die Reeder dazu veranlassen, schon heute CO2-Minderungspläne zu erstellen.
„Unser jüngster Bericht stellt mehrere Energieeffizienz-Maßnahmen vor, die bereits jetzt zu Ergebnissen bei der Dekarbonisierung führen können“, sagte Eirik Ovrum, Principal Consultant bei DNV Maritime und Hauptautor des „Maritime Forecast“. „Zugleich verdeutlicht der Bericht, wie wichtig es ist, dass die maritime Wirtschaft einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, um eine starke Entwicklung von Vorschriften und Technologien sowie eine langfristige Treibstoffversorgung sicherzustellen.“
Um den Herausforderungen der Dekarbonisierung zu begegnen, kann die Schifffahrtsindustrie die Energieeffizienz im Schiffsbetrieb steigern, zum Beispiel durch Luftschmiertechnik zur Verringerung des Schiffswiderstands im Wasser und durch windgestützte Antriebssysteme (Wind Assisted Propulsion Systems, WAPS). Letztere wurden bereits auf 28 großen Schiffen installiert, die dadurch bisher zwischen 5 und 9 Prozent Treibstoff einsparen konnten. Bei der Nachrüstung von WAPS (Retrofits) können die Einsparungen bis zu 25 Prozent betragen.
Der Einsatz der CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff an Bord sowie von Atomantrieben können weitere Technologien sein, mit denen Schiffseigner den Wettbewerb um nachhaltige Biomasse und erneuerbaren Strom umgehen können. Beide Optionen werden im „Maritime Forecast“ anhand detaillierter Fallstudien auf ihre Wirtschaftlichkeit analysiert. So können fundierte Entscheidungen zu diesen Technologien getroffen werden.
Wie der Bericht aufzeigt, ist der Technologiewandel beim Thema Treibstoff im vollen Gange: Die Hälfte der bestellten Tonnage ist dank Dual-Fuel-Antrieben dafür gerüstet, alternative Kraftstoffe wie Flüssiggas (LNG und LPG) oder Methanol zu verwenden. Im vergangenen Jahr lag dieser Anteil bei einem Drittel. Bei den schon betriebenen Schiffen können 6,5 Prozent der Tonnage mit alternativen Kraftstoffen angetrieben werden, verglichen mit 5,5 Prozent im Vorjahr. Auch der zunehmende Einsatz von Methanol und LPG spiegelt sich in den Statistiken wieder, ebenso wie die ersten mit Wasserstoff betriebenen Neubauten. Es gibt derzeit mehrere laufende Demonstrationsprojekte für mit Ammoniak angetriebene Schiffe und eine wachsende Pipeline von Ammoniak-betriebenen Schiffen, die bald in den Auftragsbüchern stehen werden.
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