eActros 600: Start der Komponentenfertigung
Ende November dieses Jahres feiert Daimler Truck den Serienstart des batterieelektrischen Fernverkehr-Lkw Mercedes-Benz eActros 600 im Werk Wörth. Erst kürzlich wurde das neue Modell auf der IAA Transportation in Hannover als International Truck of the Year 2025 ausgezeichnet. Noch 2024 sollen erste Kundenfahrzeuge gefertigt und zugelassen werden. Dabei werden in jedem Fahrzeug zentrale Komponenten aus den Mercedes-Benz Werken Gaggenau und Kassel verbaut werden.
Schlüsselkomponenten kommen aus Gaggenau
Das Mercedes-Benz Werk Gaggenau, spezialisiert auf schwere Nutzfahrzeuggetriebe, entwickelt sich derzeit zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebskomponenten weiter. Bereits seit 2021 werden wesentliche Teile für die E-Achse des eActros 300/400 für den Verteilerverkehr und den eEconic in Gaggenau gefertigt. Dies wird auch für zentrale Komponenten der neuen Generation der E-Achse, die den eActros 600 antreiben wird, der Fall sein. Es handelt sich dabei um mechanische Teile, wie Gaggenau sie bereits seit vielen Jahren für Fahrzeuge mit herkömmlichen Antriebssträngen fertigt. Aus ihnen entsteht das hochmoderne, neuartige Vier-Gang-Achsgetriebe, das insgesamt rund 30 verschiedene Bauteile enthält. Dazu gehören speziell entwickelte Getriebekomponenten wie Wellen, Zahnräder und Synchronteile sowie Gehäuseteile. Diese Komponenten liefert Gaggenau nach Kassel, wo die komplette Montage der Achs- und Getriebekomponenten stattfindet und somit die neu entwickelte, elektrisch angetriebene Hinterachse entsteht.
Darüber hinaus werden in Gaggenau ebenfalls die Rohbaukomponenten für die Fahrerhauskabine des eActros 600 gefertigt. Zum Umfang gehören dabei u.a. Rohbaustrukturteile wie Rückwand, Dachrahmen, Stirnwand und Querträger sowie verschiedene Verstärkungen. Es handelt sich dabei um Gleichteile, die bereits beim konventionell angetriebenen Lkw zum Einsatz kommen. Die Rohbaukompetenz des Werkes „trägt“ somit die Außenhaut der neu gestalteten Fahrerhauskabine des batterieelektrischen Fernverkehrs-E-Lkw.
Eigens umgerüstete Halle
Für alle Elemente des elektrischen Antriebsstrangs bestehen hohe Anforderungen an Qualität, Lebensdauer und Bauraum. So lassen die geometrischen Vorgaben für Oberflächen und Rauheiten der Verzahnungen von Zahnrädern und Wellen beispielsweise nur sehr enge Toleranzen zu. Durch neueste und hochgenaue Fertigungstechnologien wie z.B. spezialisierte Verzahnungsschleifmaschinen gelingt es laut Daimler Truck, die geforderte Qualität zu gewährleisten.
Die mechanische Bearbeitung der Gehäuseteile findet im Werk Gaggenau in einer eigens dafür umgerüsteten Halle statt. Hier wurde eine vollkommen neue Fertigungsanlage mit automatisierten Bearbeitungszentren errichtet. Bereits während der Beschaffungsphase konnte durch die virtuelle Inbetriebnahme dieser Anlagen die Bearbeitung an sogenannten digitalen Zwillingen simuliert werden. Durch dieses Verfahren ergibt sich eine enorme Zeitersparnis im Vergleich zu einem konventionellen Einrichtungsprozess von Fertigungsanlagen. Im Rahmen der mechanischen Bearbeitung wird u.a. gebohrt und gefräst und es werden Gewinde geschnitten, bevor die Gehäuse anschließend eine Dichtheitsprüfung durchlaufen.
Thomas Twork, Standortverantwortlicher des Mercedes-Benz-Werks Gaggenau: „Keine Zukunft ohne Vergangenheit! Im Werk Gaggenau gehen Tradition und Transformation Hand in Hand. Wir sind stolz darauf, unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Herstellung hochpräziser Getriebekomponenten in den neuen elektrischen Antriebsstrang einzubringen. Gemeinsam mit unseren Kollegen am Montagestandort Kassel leistet unser Werk einen wichtigen Beitrag zur emissionsfreien Mobilität.“
In Kassel entsteht die neu entwickelte E-Achse
Das Mercedes-Benz Werk Kassel, das globale Kompetenzzentrum für konventionelle Achsen und elektrische Antriebssysteme von Daimler Truck, montiert die neue Generation der E-Achse des eActros 600. Die elektrisch angetriebene Hinterachse ist speziell für den Einsatz im Langstreckenverkehr neu konzipiert worden. Sie verfügt über eine Reihe technischer Neuerungen für höhere Leistung und Effizienz.
Im Werk entstand dazu eine neue Montagelinie inklusive Test- und Prüfstationen der funktions- und sicherheitsrelevanten Merkmale. Genau wie für die E-Achse, die aktuell im eActros 300/400 und eEconic zum Einsatz kommt und die bereits in Kassel gefertigt wird, gilt auch für die neue Generation das „Gleichteile-Prinzip“. Das bedeutet, dass Rumpfachse sowie Radkopf und Bremsenumfänge aus der konventionellen Achse stammen, die das Werk Kassel seit Jahrzehnten fertigt. Diese Komponenten werden flexibel auf der Montagelinie montiert, so dass das Werk je nach Auftragslage zwischen konventioneller und elektrischer Achse variieren kann.
Die neue Generation der E-Achse umfasst Achsbrücke und elektrisches Antriebssystem, bestehend aus Elektromotoren sowie die Getriebe- und Hochvoltkomponenten.
Montageprozess der neuen E-Achsen-Generation in Kassel
Der ganzheitliche Montageprozess verläuft im Werk Kassel in verschiedenen aufeinander abgestimmten Phasen. Basis für die neue E-Achse bildet die Achsbrücke, die im ersten Schritt für das Tragen, Rollen und Bremsen vorbereitet wird – d.h. hier werden Radnaben, Antriebswellen und Bremsenumfänge montiert. Die Achsbrücke für die E-Achse entspricht der konventionellen Baureihe, so dass sie problemlos an das vorhandene Fahrzeugchassis angepasst werden kann.
Im Montagebereich der elektrischen Antriebseinheit werden die vormontierten Getriebeteile, die beiden Elektromotoren sowie weitere Komponenten in das Achsträgergehäuse, das aus Gaggenau stammt, montiert. In der Endmontage findet die sogenannte Hochzeit zwischen der zuvor entstandenen elektrischen Antriebseinheit und der Achsbrücke statt. Weiterhin werden diverse Sensoren, Öl- und Kühlleitungen sowie Niedervolt-Leitungssätze stromfrei montiert.
Bevor die E-Achse das Mercedes-Benz Werk Kassel verlässt, wird sie in der letzten Phase einer detaillierten Funktionsprüfung der mechanischen und elektrischen Komponenten – der sogenannten End-of-Line Prüfung (EOL-Prüfung) – unterzogen. Hier erfolgen die HV-Kabelmontage, die Dichtheitsprüfung und die HV-Tests. Abschließend durchläuft die E-Achse eine Simulation verschiedener Fahrsituationen inklusive Last-, Topografie- und Gangwahlprofilen. Nach dem Durchlauf der EOL-Prüfung wird sie für den Transport in das Mercedes-Benz Werk Wörth vorbereitet.
Über die Mercedes-Benz Werke Gaggenau und Kassel
Das Mercedes-Benz Werk Gaggenau wurde 1894 als „Firma Bergmann’s Industriewerke in Gaggenau“ gegründet und ist das älteste Automobilwerk der Welt. Neben Getrieben werden am Standort Außenplaneten- und Portalachsen sowie Pkw-Komponenten, u.a. Wandler, produziert. Das Mercedes-Benz Werk Gaggenau entwickelt sich derzeit zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebskomponenten und die Montage wasserstoffbasierter Brennstoffzellenaggregate weiter. Gemeinsam mit der Gehring Technologies GmbH möchte der Standort den prototypischen Aufbau sogenannter „truck-e-fied“-E-Motoren sowie die Weiterentwicklung und Erprobung innovativer Produktionsprozesse vorantreiben. Mit seinen rund 4.600 Mitarbeitern ist es sowohl größter Arbeitgeber der Stadt als auch größter Ausbildungsbetrieb der Region. Auch die Berufsausbildung hat eine langjährige Tradition: Seit über 100 Jahren haben mehr als 10.000 Jugendliche ihre Ausbildung im ältesten Automobilwerk abgeschlossen.
Im Mercedes-Benz Werk Kassel reichen die Erfahrungen im Lkw-Bau bis ins Jahr 1925 zurück. Das Werk wurde 1969 als „Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH“ gegründet und fertigt u.a. seit über 55 Jahren Achsen für Nutzfahrzeuge. Es ist das globale Kompetenzzentrum für elektrische Antriebssysteme und konventionelle Nutzfahrzeugachsen von Daimler Truck. Das zugehörige Technology Center für E-Antriebssysteme am Standort soll aktiv die Zukunft der lokal CO2-neutralen Fahrzeuge gestalten. In zukunftsweisenden Produktionsverfahren fertigen die rund 2.700 Mitarbeiter u.a. Achsen für Lkw, Busse, Transporter und Pkw sowie Gelenkwellen und Radsätze. Für eine klimafreundliche und zukunftsorientierte Produktion ist im Werk u.a. eine komplette Halle mit zwei Montageanlagen in Betrieb, die ihre gesamte Energie aus Photovoltaikanlagen auf dem Hallendach bezieht. Darüber hinaus arbeitet der Standort eng mit der Universität Kassel in wissenschaftlichen Projekten zu Strategien rund um die Themen Nachhaltigkeit und Mobilität der Zukunft zusammen. Der Standort in Kassel ist eines der größten Nfz-Achsenwerke Europas und der größte industrielle Arbeitgeber der Stadt.
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