E-Fuel-Kompromiss: Massive Kritik an Wissing
Während sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für die Schaffung einer eigenen Kategorie für ausschließlich mit E-Fuels betankbare Neuwagen feiert, kommt von Wirtschaftsexperten, Umweltschützern und aus der Politik massive Kritik an der Entscheidung. Es sei in "sehr detaillierten und konstruktiven Verhandlungen gelungen, im Rahmen der Regulierung zu den Flottengrenzwerten das Element der Technologieneutralität sicherzustellen", lobte sich der Minister.
"Damit ist der Weg frei, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können. In einem ersten Schritt soll eine Fahrzeugkategorie e-fuels-only geschaffen und anschließend in die Flottengrenzwertregulierung integriert werden. Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist", so Wissing weiter.
Damit sieht er auch einen wichtigen Punkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Wobei im Koalitionsvertrag nur die Rede von Fahrzeugen außerhalb der Grenzwertregularien ist, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können, also Sonderfahrzeugen etwa im Feuerwehr- oder Baubereich. Diesen erwähnte auch die Kabinettskollegin, Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), E-Fuels würden eine wichtige Rolle in Bereichen spielen, die nicht ohne weiteres auf effiziente Elektromotoren umstellen könnten. Sie begrüßte, dass die "Hängepartie" beendet sei, die sonst das "Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt" hätte. Die Autoindustrie habe nun Klarheit für die Umstellung auf E-Mobilität, findet Lemke.
Herstellerseitig stellte VW-Konzern- und Porsche-Chef Oliver Blume einmal mehr klar, dass er zwar die Offenheit für E-Fuels begrüße, sie aber für eine Option für "Nischenanwendungen" halte. Der Maschinenbauverband VDMA sprach ebenfalls von Anwendungen in Sonderfahrzeugen wie Baggern oder Traktoren.
Ineffizient und teuer: Der Markt hat sich entschieden
Kritik kommt dagegen aus der Wissenschaft. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erklärte im Handelsblatt, die Entscheidung könnte es "der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben", weil Hersteller und Konsumenten nun eventuell länger auf Verbrennerfahrzeuge setzen könnten. Synfuels würden aber eher für Industrie, Schwerlastverker oder im Stromsektor gebraucht, so die Ökonomin. Sie erhält Unterstützung von der Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Sie erklärte auf Twitter knapp:
"EFuels sind ineffizient und teuer. Fünf- bis siebenmal so viel Strom als E-Auto. Ein Liter kostet mehr als fünf Euro. Markt hat sich entschieden, Autobauer brauchen Planungssicherheit. EFuels für Schiff- und Flugverkehr benötigt. Efuels Wahlkampf-Klimbim".
Auch der Energieexperte Volker Quaschning von der HTW Berlin sprach von einer "schrägen Diskussion um eFuels", die ineffizient und teuer seien, zudem die Innovationen blockierten und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährde. Der Vorstoß der FDP sei "Unsinn".
Klimaschützer sind regelrecht entrüstet. Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan erklärte die Einigung zu einem "faulen Kompromiss", der den Klimaschutz im Verkehr untergrabe und Europa schade. Die dringend nötige Ausrichtung auf E-Mobilität werde durch die "rücksichtslose Erpressung" der FDP verwässert. Er warnte davor, dass der Verbrennerausstieg nun mit "einer Hintertür namens E-Fuels versehen" sei.
"E-Fuels sind ein teures und massiv ineffizientes Ablenkungsmanöver", erklärte auch Julia Poliscanova von der Umweltdachorganisation T&E.
In diesem Sinne sprach auch aus der Politik der EU-Parlamentarie Michael Bloss (Grüne) gegenüber den RND, davon, dass man "rechtlich und politisch" sehr genau prüfen werde, "was die Kommission auf den Tisch legt". Die Einigung stehe schließlich neben der bisherigen. Die Kommission sei vor Deutschland eingeknickt, bemängelte Karima Delli von den französischen Grünen und ein "Desaster" nannte es der deutsche SPD-Abgeordnete Rene Rapasi.
Was bedeutet das?
Das ist ein Musterbeispiel für einen Pyrrhus-Sieg: Außer aus der gut organisierten E-Fuel-Lobby erntet der Minister eigentlich kaum Zustimmung für seinen "traurigen Triumph", wie es die Kollegen der Süddeutschen Zeitung nannten. Und möglicherweise aus weiten Teilen der Bevölkerung, also ein paar "Populismuspunkte" kann die FDP für sich wohl verbuchen. Zumindest deutet eine Forsa-Umfrage darauf hin, nach der zwei Drittel der Befragten den Verbrennerausstieg 2035 ablehnen. Und die Zustimmung für die E-Mobilität rapide sinkt. Das nächste Auto: Bei einem Drittel gerne ein Benziner! Unfassbar, aber wahr - und das Ergebnis einer permanenten "Miesmache" der E-Mobilität durch die Poltik gerade der sogenannten Fortschrittspartei FDP, die sich nicht nur in dieser Frage schlimmer geriert als die CDU/CSU in ihren retardierendsten Groko-Zeiten.
Konservativ in einem guten Sinne will man das noch nicht mal nennen, es ist eher "restaurativ" und will zurück in die "gute alte Verbrennerzeit", man fühlt sich fast erinnert an die "Biedermeier-Zeit" nach dem "Roll Back" am Wiener Kongress 1815. Von wegen "technologieoffen": Die FDP scheint das nur als "offen Richtung Vergangenheit" zu interpretieren. Statt den Deutschen Lust auf wirklich neue Technologie zu machen, vermiest sie ihnen die Laune, repetiert rücksichtlos die Mäkeleien an der angeblich (und in den Städten leider wirklich) mäßigen Ladeinfrastruktur statt eine positive Vision von neuer Mobilität zu entwerfen und die Leute wirklich "mitzunehmen", wie Politiker in Sonntagsreden immer betonen - und zwar in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Diese Partei der Progressivität ist ein einziger Etikettenschwindel.
Ebenso wird betont, man wolle die Autoindustrie schützen. Doch dieser Schutz misslingt gerade geradezu lehrbuchartig: Zu langes Klammern an einer veralteten und in Sachen Effizienz hoffnungslos unterlegenen Technologie, das ist schon beim Diesel gründlich schief gegangen, die Industrie hat durchaus ihre Lehren gezogen - und außer Nischenanbieter Porsche und in Teilen die M-Power-Fraktion bei BMW sowie einer seltsam späten Allianz aus Renault-Geely-Aramco setzt ernsthaft kein Hersteller auf E-Fuels oder den Verbrenner. Zumal die sonstige Abgas- und Lärmproblematik, die mit E-Fuels ja erhalten bleibt, viel zu wenig thematisiert wurde in der unseligen, völlig unnötigen Debatte.
Die chinesischen Hersteller machen uns derweil vor, wie es geht, mit erschwinglichen E-Autos: Der MG4 und MG5 gehen weg wie warme Semmeln, BYD rollt nach dem teureren Atto bald mit dem Dolphin ein 15.000-Euro-E-Auto bei uns vor, der Dacia Spring ist ja eigentlich auch ein Chinese. Und wenn Tesla mit dem Model 2 aus dem Quark kommt, werden die Europäer in die Flügelzange genommen.
Und so kann man genau beobachten, wie das Kaiser-Wilhelm-hafte "Setzen aufs (falsche) Pferd" binnen zehn Jahren die Kräfteverhältnisse massiv verschiebt - und genau das gefährdet, was FDP- und Unions-Politiker hierzulande zu schützen vorgeben: Arbeitsplätze. Den Schaden hat am Ende die Wirtschaft und die Industrie, die ein klares Signal hätte brauchen können, statt eines fast bizarr konstruierten Hinterzimmer-Kompromisses einer eigenen Klasse von E-Fuel-Autos, dessen finaler Beschluss ja noch nicht mal gesichert ist. Nebenbei hat die FDP die demokratischen Prozesse der EU rücksichtlos beschädigt und angerempelt, als führe man Auto-Scooter auf dem Rummel.
Die FDP und ihr Minister haben sich für bloße Symbolik verkämpft und sind hinter einen (Elektro)Zug gesprungen, der längst abgefahren war. Mit einer Draisine kommt man da jetzt nicht mehr hinterher, ob man mit E-Fuel-Antrieb nachhilft oder nicht. Willkommen, im "Neo-Biedermeier" der Liberalen.
Lkw , Lkw-Tests , Newsletter für Transportbranche und Speditionen , Wirtschaftsnachrichten , KEP-Dienste , Container, Paletten , Schienengüterverkehr , Lkw-Maut , Seehäfen , Luftfrachtverkehr , Transport-Recht , Elektromobilität , Europapolitik , Fuhrpark- und Flottenmanagement , Temperaturgeführte Transporte , Fahrzeugbeschaffung (Leasing, Miete, Kauf) , Frachtschifffahrt , Verkehrspolitik, Infrastruktur , Logistik- bzw. Transport-Dienstleistungen , Speditionen , Straßengüterverkehr , Lkw-Fahrer , Trailer (Sattel-Auflieger) , Lkw-Reifen , Kombinierter Verkehr
Mehr als 750 aktuelle Jobangebote aus der Transportbranche, vom Lkw-Fahrer über Fuhrparkmanager bis zu Disposition, Teamleitung und vieles mehr mit individueller Suchfunktion und Kartenansicht bieten wir Ihnen ab sofort in unserem Job-Bereich: Ihr nächster Schritt auf der Karriereleiter?