CONFERENCE DAYS: Renault Trucks und der Weg zur E-Mobilität

In der Praxis-Session der CONFERENCE DAYS zur E-Mobilität bei Renault Trucks wird klar: Die Technik ist ausgereift, robust und neben Verteiler- auch fit für Fernverkehr. Es hapert allerdings noch an den hohen Kosten, intransparenter Förderung und öffentlicher Lkw-Ladeinfrastruktur. Dennoch: Zur Elektrifizierung im Truck gibt es fürs Klima keine Alternative.

E-Mobilität im Einsatz: Bereits 900 Lkw hat Renault Trucks zusammen mit Schwester Volvo auf der Straße, 8 Millionen Kilometer absolviert. Wo's noch hakt, ist eher Infrastruktur und Kosten. | Foto: Screenshot
E-Mobilität im Einsatz: Bereits 900 Lkw hat Renault Trucks zusammen mit Schwester Volvo auf der Straße, 8 Millionen Kilometer absolviert. Wo's noch hakt, ist eher Infrastruktur und Kosten. | Foto: Screenshot
Nadine Bradl
(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Endlich raus aus dem "Untätigkeits-Dreieck" - für Felix Schlereth, seines Zeichens "Energy Transition Specialist bei Renault Trucks ist jetzt die Zeit gekommen, den seit Jahren in der Emissionsbilanz defizitären Verkehrssektor auf einen nachhaltigeren Pfad zu bringen. Er beschreibt gleich zu Anfang der CONFERENCE DAYS-Session zu "E-Mobility im Einsatz – Einblicke und Erfahrungen" wie sich lange Zeit die Akteure Staat, Unternehmen, Kunden gegenseitig mit jeweils verständlichen Ausreden und Vorwürfen neutralisierten, womit in der Folge die Emissionen im Verkehrssektor mit dem steigenden Güteraufkommen immer weiter anwuchsen - der einzige Sektor, in dem das der Fall sei, wie Schlereth beklagt. Trotz der relativen Effizienzgewinne beim Antrieb legten die CO2-Emissionen der Trucks um 17 Prozent zu, gegenüber dem Referenzjahr 1995. Das ist dreimal so stark wie bei den Pkw, die auch um 5 Prozent in den Emissionen wuchsen. Eine traurige Bilanz, gerade im Vergleich zu den Sektoren Energie, Gebäude, aber auch Industrie, die ein Viertel bis ein Drittel an Energieeffizienz gewannen. Es sei nicht mehr hinzunehmen und ein fahrlässiges Experiment, dass der Sektor Jahr für Jahr 37,2 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre pumpten, für die eine nur zehn Kilometer dünne Stratosphärenschicht entscheiden sei, appellierte Schlereth.

"Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anders ihn retten wird“, zitierte Schlereth den bekannten Satz des Polarforschers Robert Swan.

Daher habe sich der Hersteller Renault Trucks und die gesamte Volvo Group auf das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens verpflichtet und das auch konkret in Maßnahmen auf Grundlage der etablierten "Science based target" (SBC) überführt. Die teilen sich in sogenannte Scopes auf, die zum mit nur fünf Prozent geringsten Teil die eigenen Emissionen der Produktion und der zugekauften Teile betrifft, zu 95 Prozent aber die Emissionen im Betrieb der Produkte. Auf Basis des IPCC-Berichts des Weltklimarats ging man erst einmal "spielerisch" an die Sache heran und fokussierte, was man selbst in jeder Abteilung beitragen könne, um dem "Ohnmachtsgefühl" und den drohenden Szenarios von Klimakrise, Kriegen und Hunger entgegenzuwirken, skizzierte Schlereth den Prozess. Heraus kamen dabei so unterschiedliche Maßnahmen wie der Verkaufsstopp von Diesel-Lkw bis 27 Tonnen, aber auch ein Stopp von Inlandsflügen, papierloser Fahrzeugkauf, Recyclingkonzept oder eine Eco-Challenge in allen Teams. 

Lebenszyklus: Der Stromer schlägt den Diesel schnell

Darauf aufbauend entstand eine Lebenszyklusanalyse des kurz- und mittelfristig favorisierten batterieelektrischen Antriebs im Vergleich zum Diesel, die umweltbilanziell ein glasklares Bild ergab. Zwar trägt der E-Truck mit 36 Tonnen CO2 für die Fertigung seiner Batterien einen siebenfach schwereren Emissionsrucksack zum Selbstzünder, der nur fünf Tonnen CO2 mitschleppt. Doch schon die reine Produktionsenergie ist dann ähnlich und im Betrieb setzt der BEV rasch zum Überholen an. Schon mit aktuellem Strommix fährt er 43 Prozent emissionsärmer, mit PV-Strom 86 Prozent und wenn man noch Windstrom hinzunimmt, rollt der E-Lkw satte 91 Prozent emissionsärmer als der Diesel.  

Verteilerverkehr geht klar, jetzt knackt man den Fernverkehr

Und zwar nach dem Verteilerverkehr zunehmend auch im Fernverkehr, den man mit der vierten Generation Batterien, dank steigender Energiedichte und bis zu 6x90 kWh Kapazität nunmehr erschließt. Langfristig soll hier zwar auch Wasserstoff eine Rolle spielen, einstweilen macht aber der BEV das Rennen. Und wie: 900 Trucks hat man in der Gruppe bereits auf der Straße, entsprechend 50 Prozent Marktanteil in Europa. Acht Millionen Kilometer sind absolviert, die Technik sei zuverlässig und gut planbar. Schlereth verweist auf 96 Prozent "Uptime", sprich "Betriebszeit" und nur wenige Werkstattaufenthalte und geringere Wartungskosten.

Das E-Portfolio reicht dabei vom E-Cargobike (über den Partner Kleusters) über Verteiler-Lkw bis hin zum 40-Tonner-Sattelzug. Ein E-Mob-Team wurde deutschlandweit installiert, das stetig wächst und Beratungsdienste nach einem "360-Grad"-Konzept, sprich inklusive Analyse der Batteriformate, des Ladebedarfs und des Lebenszyklus nebst Garantien umfasst. Auch nach sechs bis acht Jahren soll der spezielle E-Truck schließlich noch den zugedachten "Job erledigen" können, skizziert Schlereth das sogenannte "Leistungsversprechen". Braucht es AC-Lader über Nacht oder DC-Lader für schnelle Zwischenladungen? Auch bei der Förderung ist man behilflich, wobei es hier "Licht und Schatten" gibt, wie Inna Wettstein, Director e-Mobility business bei Renault Trucks zu berichten weiß.

Förderaufrufe: Black Box mit Schockeffekt

Der erste Förderaufruf 2021 habe noch gut geklappt, trotz langer Bearbeitungszeit, seien alle 30 Anträge genehmigt worden. Dem voraus ging ein intensiver Beratungsprozess, in der Praxis folgt nun eine weitere Begleitung der "customer journey", etwa für mehr Effizienz im Betrieb und Fahrerschulungen. Der 2. Förderaufruf jedoch ergab nach ebenfalls langer Bearbeitungszeit neben einigen positiven Bescheiden zahlreiche abschlägig beschiedene Anträge. Der Grund: Die Einsparungen an CO2 durch die E-Trucks lägen unter dem Durchschnitt. Für die Verantwortlichen und die Kunden sei das wie ein Schock gewesen. Es fehle bei dem Prozess an Transparenz, das Verfahren sei wie eine "Black Box", beklagte Wittstein. Und bekam prompt Recht aus dem Chat, in dem ein Kunde die Praxis des BALM und NOW kritisierte und ebenfalls von negativen Bescheiden wusste. Auch wurde bemängelt, dass die Förderung der Ladeinfrastruktur den Nachweis des entsprechenden Einsatzes von E-Trucks erfordere. So könne man nicht in Vorleistung gehen, kritisiert etwa Dachser-Mann Rolf Hügel, Operations Manager Inbound in Freiburg. Hier gibt es noch deutlich Verbesserungspotenzial.

Kostendeckung: Ohne Subventionen (noch) nicht zu machen

Denn ohne die Förderung fällt die Kostendeckung mit E-Fahrzeugen schwer, wie aus der Praxis von Kühne & Nagel Daniel Schlicht, Sustainability Specialist, berichtet. Von Parität zum Diesel sei man noch weit entfernt. Bei kleinen Margen sei jedes Depot für die Investitionen selbst verantwortlich, die hohen Preise der E-Trucks seien noch immer ein "show stopper", wenngleich man sich der Herausforderung stelle. Hinzu kämen die Investitionen für die Ladeinfrastruktur nebst baulicher Maßnahmen und ein gewisses Investitionsrisiko aufgrund der schnell entwickelnden Technologie, so Schlicht weiter. Für Verteiler-Lkw komme man mit eigener "AC-Ladeinfrastruktur" noch klar, für Fernverkehrs-Trucks sei man auf öffentliche Ladepunkte unabdingbar angewiesen. Die seien so gut wie nicht vorhanden und man brauche 180 Prozent Steigerung im Netz, mahnte Schlicht an.

Die Schlacht am Schnelllader: Mangel an öffentlichen DC-Slots für Trucks

Von der "Schlacht um die Schnelllader" sprach gar Dachster-Manager Rolf Hügel, der Szenen zu schildern wusste, wie der seltene 350-kW-Ladeplatz von einem Diesel-Bus besetzt ist oder ein Tesla-Pilot schnell noch überholt und dann auf seinen Ladevorgang insistiert. Es gebe einfach noch keine dezidierten Lkw-Ladeplätze. Dabei sei das doch eigentlich ideal und ein positiver Aspekt, denn mit den E-Trucks wären die Fahrer gezwungen auch wirklich ihre Pausen einzuhalten. Zudem fahren die E-Trucks, zwei 16-Tonnen-Verteiler mit 220 bis 260 Kilometer realer Reichweite, deutlich leiser und komfortabler und transportierten darüber hinaus eine "positive Aura". "Geniales Fahrzeug im Verteilerverkehr", befindet Hügel.

Service-Partner zögern: Hohe Investitionen

Eine Hürde stelle auch die "verhaltene Investitionsbereitschaft" der Service-Partner dar, mit denen man üblicherweise zusammenarbeitet. Doch bei "davonlaufenden Kosten" schon mal im sechsstelligen Bereich sei nichts anderes übrig geblieben, als die ersten zwei Trucks eigenständig anzuschaffen. Langfristig wolle man das aber wieder zurückverlagern und den Partnern dann auch Kostentransparenz und die unternehmenseigene Ladeinfrastruktur im Paket anbieten. Apropos: Die Ladeinfrastruktur hakte nicht an der Hardware der Säulen, die schon geliefert dastanden. Sondern daran, eine Firma für die Erdbauarbeiten zu finden. Dennoch bilanziert Wettstein trotz anfänglicher Widrigkeiten: Die elektrische Reise hat begonnen - und sie nimmt an Fahrt auf!

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