Cem Özdemir: "Politik des Ermöglichens, nicht des Verbots"

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag propagiert eine Politik des Ermöglichens von klimafreundlichem Verhalten und fordert teurere Flüge, billigere Bahn, Tempolimits für Stadt und Autobahn sowie ein Bonus-Malus-System für den Autokauf.

Erfahrungen statt Belehrungen: Nachhaltige Mobilität müsse bequemen und preiswert sein, plädiert Cem Özdemir. | Foto: Sehdat Mehder/GRÜNE
Erfahrungen statt Belehrungen: Nachhaltige Mobilität müsse bequemen und preiswert sein, plädiert Cem Özdemir. | Foto: Sehdat Mehder/GRÜNE
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit hat der Grünen-Verkehrspolitiker Cem Özdemir der Bundesregierung einseitige Verkehrspolitik zugunsten des Automobils und indirekt unsoziales Agieren vorgeworfen, durch das Abkoppeln ländlicher Räume von öffentlichen Verkehrsmitteln.

"Die Leute werden gezwungen, ein Auto zu kaufen. Das ist unsoziale Politik. Wir wollen keine Politik des Verbots, sondern des Ermöglichens. Die Verbotspartei regiert seit elf Jahren im Verkehrsministerium. Sie sagt: Kauft euch ein Auto, sonst habt ihr Pech gehabt. Wir wollen, dass alle Verkehrsträger einen Beitrag leisten zu den ökologischen Kosten, die sie verursachen", erklärte Özdemir gegenüber der Zeitung. 

Im Bezug auf den Flugverkehr forderte er daran anknüpfend eine europaweite sukzessive Einführung einer Kerosinsteuer und zugleich, attraktive Alternativen zu etablieren.

"In Deutschland können wir den Flugverkehr Schritt für Schritt überflüssig machen. Wir brauchen und wollen ihn gar nicht verbieten, sondern Zug um Zug weniger Flug", erklärte der Grünen-Politiker.

Er verwies auf das Beispiel Österreich und forderte einen Ausbau der Nachtzugverbindungen. Mobilität solle den Leuten Spaß machen.

"Belehrungen kommen gegen Erfahrungen nicht an", meinte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. 

Mobilität müsse pünktlich, bezahlbar und sauber sein. Die Erhöhung der Flugkosten will Özdemir mit einer gleichzeitigen Verbilligung der Bahn kontern. Auf grünen Druck habe man bereits die Mehrwertsteuer für Fernreisen mit der Bahn gesenkt bekommen, in Stuttgart mit der Tarifzonenreform die Fahrpreise gesenkt.

"Wir wollen auch den CO2-Preis weiter erhöhen und den Leuten die Einnahmen über das Klimageld zurückzahlen. Sozial gerecht ist es dagegen nicht, wenn ältere, mobilitätseingeschränkte Menschen die Verliererinnen und Verlierer der Verkehrspolitik sind", plädierte Özdemir weiter. 

Eine Regulierung über CO2-Budgets lehnte der Politiker dagegen ab und bezeichnete sie als massiven Eingriff in die Freiheitsrechte, weil manche beruflich häufiger fliegen müssten als andere. Er selbst sehe das Fliegen als "große Errungenschaft", die es gelte, umweltfreundlicher zu gestalten. Man könne Länder kennenlernen, die mit dem Zug nicht erreichbar seien, erklärte Özdemir, der selbst unmittelbare Verwandtschaft in Argentinien hat. Er sehe dennoch die Schiene als das Rückgrat des Klimaschutzes, will die Passagierzahlen bis 2030 verdoppeln und den Deutschlandtakt umsetzen.

Verkehr finanziert Verkehrswende

Finanziert werden solle die Verkehrswende aus dem Verkehr. Özdemir erneuerte etwa die Forderung, das Steuerprivileg für Diesel jährlich um acht Milliarden Euro zu reduzieren und die Lkw-Maut auch für den Ausbau der Schiene zu verwenden. Um die Klimaziele zu erreichen, hält Özdemir bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos für notwendig.

"Die Kaufprämie wollen wir durch ein echtes Bonus-Malus-System ersetzen. Wer also glaubt, einen Spritschlucker zu benötigen, soll mehr zahlen und das Geld wird in die Subventionierung von emissionsfreien Autos gesteckt", forderte der Grünen-Politiker.

Er bemängelte aber die Versäumnisse der letzten Jahre, die die Umsetzung jetzt verzögerten, speziell beim Ausbau neuer Bahnstrecken. Er empfahlt eine Mischung aus den Strukturreformen und Sofort-Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen. Zudem solle es den Städten erleichtert werden, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit auszuweisen und neue Radwege zu bauen, ohne erst die Frequenz nachweisen zu müssen.

Wenig Verständnis zeigte er für die Forderung von FDP und Union nach Förderung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen im PKW, die er als "fantasieren" bezeichnete und vor Verunsicherung der Verbraucher warnte.

"Ich kenne keinen deutschen Hersteller, der Serienmodelle davon im Angebot hat. In Baden-Württemberg haben wir in den Koalitionsvertrag die Absicherung eines Ausstiegspfades für den Verbrenner geschrieben – in dem Bundesland, in dem das Auto erfunden wurde", warb Özdemir.

 

 

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