Bundesverkehrswegeplan 2030: BUND fordert Abkehr von bisherigen Bedarfsplänen

Angesichts des Sanierungsbedarfs und der begrenzten finanziellen Mittel soll der naturverträgliche Ausbau des Schienennetzes und der Erhalt maroder Brücken, Schienen und Straßen Vorrang bekommen.

Der BUND kritisiert, dass in Deutschland neue Autobahntrassen geplant und gebaut werden, während andernorts Brücken gesperrt werden müssten. (Foto: Pixabay)
Der BUND kritisiert, dass in Deutschland neue Autobahntrassen geplant und gebaut werden, während andernorts Brücken gesperrt werden müssten. (Foto: Pixabay)

Mit monatelanger Verzögerung hat das Bundesverkehrsministerium einen Vorschlag für die Bedarfsplanüberprüfung zum Bundesverkehrswegeplan 2030 an die Mitglieder des Verkehrsausschusses übermittelt. Jetzt ist der Bundestag gefordert, sich damit zu befassen.

Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kommentiert: „Die Bedarfsplanüberprüfung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) bietet derzeit die Chance, die Planung von Schienen und Straßen deutschlandweit zu verbessern. Das Bundesverkehrsministerium kommt in seiner Untersuchung jedoch zu dem Schluss, dass an allen Projekten der bisherigen Bedarfspläne festgehalten werden soll. Diese Fehleinschätzung verhindert eine zielgerichtete Priorisierung der Projekte und kann dazu führen, dass neue Straßen geplant und gebaut werden, während andernorts Brücken gesperrt werden müssen.“

Angesichts des Sanierungsbedarfs und der begrenzten finanziellen Mittel müsse stattdessen der naturverträgliche Ausbau des Schienennetzes und der Erhalt maroder Brücken, Schienen und Straßen Vorrang bekommen. Es dürfe zudem kein Tabu sein, besonders klimaschädliche und naturzerstörende Autobahnprojekte, die meist auch besonders unwirtschaftlich seien, aus den Plänen zu streichen. Nur so könnten die nationalen und internationalen Klima- und Naturschutzziele eingehalten werden.

„Der Bundestag muss sich jetzt mit dem Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums befassen und eine grundlegende Überarbeitung einfordern“, resümiert Hilgenberg.

Hintergrund

Die Bedarfsplanüberprüfung zum Bundesverkehrswegeplan bietet die Möglichkeit einer Reform von Planung und Bau von der Verkehrsinfrastruktur hierzulande. Dafür muss sich der Verkehrsausschuss und im Nachgang das Plenum des Bundestags mit dem Ende Dezember übermittelten Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums befassen und eine Überarbeitung einfordern. Das erscheint angesichts der Notwendigkeit, die vielerorts marode Verkehrsinfrastruktur zu sanieren, der prognostizierten Verfehlung der Klimaziele im Verkehr 2030 und 2040 und veränderter umweltrechtlicher Vorgaben seit 2015 dringlich.

Der Vorschlag des BMDV zur Bedarfsplanüberprüfung kommt zum Schluss, dass an allen Projekten der bisherigen Bedarfspläne festgehalten werden sollte – „und das obwohl die finanziellen Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen“, kritisiert der BUND. Laut der letzten „Abschätzung der Gesamtmittelbedarfe für die Aus- und Neubauvorhaben der Bedarfspläne“ vom Juli 2024 werden noch entstehende Baukosten in Höhe von 180 Milliarden Euro für die Fernstraßenprojekte sowie 262 Milliarden Euro für die 84 Schienenprojekte des BVWP 2030 und die 136 Projekte des Deutschlandtaktvorschlags angenommen. Dabei sind gleichzeitig bislang weder die Sanierung der maroden Autobahnbrücken noch des Schienen-, Straßen- oder Wasserstraßennetzes finanziert oder Planungskapazitäten dafür gesichert.

Referenz Galerie

BUND: Vorschlag zur Bedarfsplanüberprüfung verweigert Priorisierung

Obwohl der Koalitionsvertrag den Auftrag enthielt, in einem Dialogprozess „eine Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplans“ herbeizuführen, habe das Bundesverkehrsministerium die turnusmäßige Bedarfsplanüberprüfung durchgeführt, ohne diese mit dem parallel durchgeführten und ebenfalls vom Bundesverkehrsministerium koordinierten Infrastrukturdialog zu verknüpfen, bemängelt der BUND weiter . Der am 14.12.2024 vorgelegte „Bericht zur Überprüfung der Bedarfspläne (BPÜ) für die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße“ betone, es werde „im Rahmen der BPÜ auch keine Priorisierung von Investitionsprojekten vorgenommen“.

Doch genau das wäre aus Sicht des BUND dringend erforderlich, denn von den gesamten Aus- und Neubaukosten des Fernstraßen-Bedarfsplans von 180 Milliarden Euro (ohne Erhalt) seien erst 24 Milliarden Euro bis Ende 2023 finanziert bzw. verausgabt worden. Die „augenscheinliche Fehlpriorisierung der letzten Jahrzehnte“, so der BUND, zeige sich darin, dass „von 2016 bis 2023 nur 5,5 % der Projekte der höchsten Dringlichkeitskategorie, dem vordringlichen Bedarf Engpassbeseitigung an Autobahnen, umgesetzt waren“.

Die Umsetzung der Bedarfsplanprojekte würde mit der jetzigen Finanzierungslinie rund 60 Jahre dauern, rechnet der BUND vor. Der Bericht zur Bedarfsplanüberprüfung verzichte selbst beim Sachstand über die Umsetzung der Bedarfspläne vollständig auf Zahlen zu noch ausstehenden Baukosten. Damit fehle eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Parlamentarier.

Investitionen in die Schiene könnten die CO2-Bilanz des BVWP deutlich verbessern

Der BPÜ-Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums sehe keine Notwendigkeit, etwas an den Bedarfsplänen zu ändern, sprich beispielsweise einzelne sehr teure oder naturzerstörerische Projekte herauszunehmen oder in der Priorität zu verändern. Vielmehr schreibe der BPÜ-Vorschlag alle Fernstraßenprojekte ohne Änderungen bis 2030 fort. Und das, obwohl aus Sicht des BUND klar sei, dass der weitaus überwiegende Teil bis dahin nicht geplant, finanziert oder gar gebaut werden werde.

Auch bei den Ausführungen zu den Klimawirkungen fehlten Erkenntnisse zur Frage, ob die Umsetzung des BVWP 2030 und dort aller Fernstraßenprojekte mit der Einhaltung der Klimaziele in Einklang zu bringen seien. Der Umweltbericht zum BVWP 2030 habe 2016 mit alternativen Investitionsszenarien auf Netzebene gezeigt, dass die Erhöhung der Investitionen in die Schiene die CO2-Bilanz des BVWP deutlich verbessern könnten. Obwohl das BMDV betone, nicht die Ebene der Einzelprojekte, sondern nur die Bedarfsplanebene zu thematisieren, werde die Diskussion über Kapazitätserweiterungen auf der Schiene als zentrale Lösungsstrategie nicht untersucht. Eine solche Betrachtung werde aber vom Bundesverwaltungsgericht durchaus verlangt und solle deshalb auch vom Bundestag eingefordert werden.

Kein „Klimacheck“ wie in Österreich

Statt die Klimawirkungen umfassend zu erheben und zahlenmäßig zu belegen, würde im BPÜ-Bericht auf über 120 Seiten die wenige Wochen zuvor veröffentlichte Basisprognose der Verkehrsprognose 2040 wiedergegeben. Diese belege, auch ohne umfassende Ermittlung der durch die Umsetzung des BVWP 2030 entstehenden Treibhausgasemissionen, dass der Verkehr 2030 und 2040 seine Klimaziele verfehle. Klimaverträgliche Alternativen analog zum „Klimacheck“ in Österreich würden nicht entwickelt. Der BUND fordert daher, bei Straßenprojekten die Emissionen durch den Bau (graue Energie) und durch die baulichen Eingriffe in Kohlenstoffspeicher und -senken (Landnutzungsänderungen/Flächenversiegelungen) sowie durch induzierte Verkehre von Pkw und Lkw vollständig zu ermitteln.

Dabei führten die seit der Erstellung des BVWP 2030 im Jahr 2016 veränderten Klimaschutzvorgaben wie das Bundes-Klimaschutzgesetz zu einem dringenden Änderungsbedarf, so der BUND. Fernstraßenprojekte, die die THG-Emissionen steigern würden, seien jetzt nicht mehr durch den formalen Hinweis auf den Bedarfsplan legitimierbar, denn sie verstärkten den Klimawandel und gefährdeten damit die Freiheitsrechte künftiger Generationen. Zudem seien seit der Aufstellung des BVWP 2030 eine Reihe von Naturschutzzielen und -verordnungen erlassen worden, die noch nicht hätten berücksichtigt werden können.

Fünf BUND-Empfehlungen

Der Bund empfiehlt, dass der Bundestag den Entwurf der BPÜ mit der Aufforderung zur Überarbeitung an das BMDV rückübermitteln solle. Es müsse in der neuen Legislaturperiode gewährleistet werden, dass:

  1. „eine umfassende Ermittlung aller THG-Emissionen die Grundlage für die Priorisierung der Investitionen in die Verkehrsträger und die Gestaltung der Netze und Projekte ist und so das BVWP-Ziel der Reduktion der Treibhausgase eingehalten wird
  2. die Biodiversitätsziele und die Ziele der „Begrenzung des zusätzlichen Flächenverbrauchs“ eingehalten werden. Zur Umsetzung der Punkte 1 und 2 muss eine neue, ergänzende Strategische Umweltprüfung durchgeführt werden. Deren Vorgaben müssen in den nachgelagerten Planungsverfahren eingehalten werden
  3. eine strikte Priorisierung der Sanierung und des Erhalts von Brücken, Schienen, Straßen, Kanälen und der naturverträglichen Kapazitätserweiterungen auf der Schiene erfolgt. Eine verbindliche Sanierungsplanung der Netze muss innerhalb der nächsten 15 Jahre umgesetzt werden
  4. besonders klimaschädliche, naturzerstörende Projekte, die meist auch eine besonders schlechte Wirtschaftlichkeit haben, müssen aus den Plänen gestrichen werden, um nationalen und internationalen die Klima- und Naturschutzziele zu erreichen
  5. für den Klimaschutz und die Wirtschaft die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene und teilweise auf das Schiff von besonderer Bedeutung ist. Der BVWP 2030, die BPÜ und die Basisprognose der Verkehrsprognose 2040 ignorieren dieses Ziel der Koalitionsverträge von 2017 und 2021 sowie des Masterplans Schienenverkehr aus 2020. Ein Verlagerungskonzept, wie vom Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe 4 des Infrastrukturdialogs „Vernetzung der Verkehrsträger im Güterverkehr“ vorgeschlagen, muss Teil und Priorität des BVWP 2030 werden“
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