BUND: Mal eben kurz die Umwelt diskutieren - mit Volker Wissing

Statt beim traditionellen Sommerfest bot der BUND am 31. Mai abends die Möglichkeit, per Videoschalte an einer Debatte mit Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing teilzunehmen. Die große Frage: Wie gelingt eine sozial-ökologische Mobilitätswende, die alle mitnimmt?

Viel zu tun in der Verkehrspolitik, so Wissing - bitte mit Blick auf Mensch und Natur, meint der BUND. (Foto: HUSS-VERLAG)
Viel zu tun in der Verkehrspolitik, so Wissing - bitte mit Blick auf Mensch und Natur, meint der BUND. (Foto: HUSS-VERLAG)
Anna Barbara Brüggmann

Es ging um die brennenden verkehrspolitischen Fragen: Tempolimit, Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen, Infrastrukturplanung, ÖPNV-Angebote im ländlichen Raum – pandemiebedingt zwar ohne großes Sommerfest, doch da der Termin nun schon einmal geblockt war, wollte Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing nicht auf einen Austausch mit dem BUND verzichten.

So traf er sich zu einer Diskussionsrunde mit BUND-Vorsitzendem Olaf Bandt und mit Julia Dade, Bundesvorstand BUNDjugend, am 31. Mai, moderiert von Journalistin Hanna Gersmann und live per Video übertragen.

Olaf Bandt bezeichnet die jetzige Verkehrspolitik als – gelinde gesagt – suboptimal.

"Klimaschädlich, naturzerstörend, überteuert und vor allem: unnötig. Der Bau von immer neuen Autobahnen und Bundesstraßen führt uns in die klimapolitische Sackgasse und in das verkehrspolitische Abseits. Sie sind nicht mit den Zielen des Klimaschutzes und den Verpflichtungen Deutschlands zum Erhalt der Biodiversität vereinbar“, ließ Bandt verlautbaren.

Vor diesem Hintergrund stelle die Verkehrspolitik der Bundesregierung ein Relikt aus alten Zeiten dar und sei nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar. Der Bund Naturschutz Deutschland (BUND) sprach in einer kürzlich veröffentlichten Auswertung von "Desaster im Dutzend" und übt vor allem am Bundesverkehrswegeplan Kritik.

Wissing wiederum findet es einerseits gut, darüber zu diskutieren und verweist auf die anstehende Bedarfsplanüberprüfung, im Rahmen derer analysiert werden soll, was nötig ist und was nicht. Andererseits müsse er sich an den vom Bundesgesetzgeber vorgegebenen Bundesverkehrswegeplan halten.

Lange To-do-Liste

Befragt nach den nächsten verkehrspolitischen Schritten zählte Wissing auf: Digitalisierung, Gespräche mit der Bahn, Brückensanierung, aktuell notwendige Hilfsmaßnahmen aufgrund des Krieges, also Hilfsgüterbrücken sowie Transporte. Zugleich müsse das Netzwerk der Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut und die Dekarbonisierung vorangetrieben werden – „ein riesiges Portfolio und ein permanenter Stresstest“, so der Minister. 

Julia Dade wollte klarstellen, dass es um eine sozialverträgliche Mobilität für alle geht - auch für diejenigen ohne Auto - um bezahlbaren ÖPNV auf dem Land, sichere Rad- und Fußwege zu jeder Tageszeit. Sie plädiert für ein umgehendes Moratorium, das den Aus- und Neubau von Fernstraßen stoppt und sprach zugleich von veralteten Gleisen.

Investitionen versus Schuldenbremse

Es brauche Investitionen, aber es gehe um die Zukunft und Klimagerechtigkeit. „Ich möchte nicht mehr hören, dass das zu teuer ist“, so Dades Aussage in der Diskussionsrunde.

An anderer Stelle auf nicht notwendige Subventionen zu verzichten könnte helfen, meint sie.

Das eine schließe das andere nicht aus, so Wissing. Er betonte ebenfalls die Notwendigkeit, Radwegelücken zu schließen, Fahrradparkplätze an Bahnhöfen bereitzustellen, ÖPNV in guter Taktung auch auf dem Land anzubieten – jedoch mit der Freiheit eines jeden, individuell entscheiden zu können, wie man Mobilität gestalten wolle.

Später fügte er hinzu, er hielte es für Utopie, ÖPNV auf dem Land in einer solchen Taktung anbieten zu können, dass gänzlich auf Individualverkehr verzichtet werden könne.

Olaf Bandt hält wie Dade das Moratorium für unabdingbar. Er fordert einen Stopp aller laufenden Planungen und im Bau befindlichen Projekte und eine Überprüfung dieser Projekte unter vollständiger Einbeziehung aller umwelt- und klimarelevanten Aspekte.

„Erst einmal Brücken, Straßen und Schienen sanieren und ersetzen und alle Power dazu verwenden, dann die Bundesbedarfsplanung abwarten und schließlich gemeinsam neu starten“, so Bandt.

Statisch versus dynamisch

Der BUND-Vorsitzende meint, man müsse ein Gleichgewicht in der Mobilität hinkriegen. Wissing sieht dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit der Verantwortung auch jedes Einzelnen.

Auch könne Infrastruktur nicht statisch gedacht werden, europäische Verkehrswege müssten an sich ändernde Bedarfe – wie beispielsweise infolge eines plötzlichen enormen Getreide-Engpasses – angepasst werden. Die Welt verändere sich und die Verkehrswege müssten daran angepasst werden.

Zur Klimaneutralität meint er, es sei schon viel geschafft worden, zum Beispiel in Hinblick auf die Ladeinfrastruktur. „Wir können jedoch nicht täglich die Ergebnisse unserer Arbeit präsentieren“. „Aber wie kann man zu diesen Zeiten einfach so eine Autobahn bauen und Natur zerstören?“, zeigte sich Bandt fassungslos.

Fragen ohne Antwort

Die Frage nach den Tempolimits brannte vielen online zugeschalteten Zuschauern unter den Nägeln. Eine relativ kurze Antwort von Seiten des Verkehrsministers: „Keiner Partei war das so wichtig, als dass das Thema Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat“. Die FDP setze jedoch auf die Verantwortung der Menschen.

Bandt betonte mit Nachdruck: Der Verkehrsminister habe eine Führungsrolle und müsse die Menschen auf mögliche Umbrüche vorbereiten, sie „mitnehmen“.

Nach den Klimaschutzzielen gefragt, antwortete der Verkehrsminister, es sei eine große Herausforderung eine CO2-Senkung dauerhaft hinzukriegen.

„Klimaschutz, der nachhaltig ist, muss sozialverträglich sein und auch an die Beschäftigten denken“, äußerte sich Wissing und fügte hinzu: „Transformation muss als Fortschritt empfunden werden“

Vielleicht eine Förderung von Lastenrädern für Privatpersonen oder eine Förderung arbeitsnah Wohnender statt Pendelnder?, tippte es aus dem Off der fernen Zuschauer.

„Manche Fragen sollten individuell von jedem entschieden werden“, so Wissing mit nachdrücklichem Verweis auf die Schuldenbremse. Wichtig sei eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Mobilität -  „Ja, die Menschen wünschen sich eine Wahlfreiheit“, entgegnete Dade, „auch diejenigen ohne Auto“.

Für Binnenschifffahrt und Schieneninfrastruktur blieb wenig Zeit – mal eben die Umwelt retten und den Verkehr nachhaltig planen ging nicht in einer Stunde. Aber gemeinsam über die wichtigsten Ziele debattieren und, wie Wissing unterstrich, trotz gegensätzlicher Ansichten in einen Austausch kommen und als Gesellschaft zusammenhalten – das war dann doch in Ansätzen erkennbar.

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