Brexit: Gütertransportgewerbe ist verunsichert

Das Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union löst beim deutschen Gütertransportgewerbe Verwunderung und Sorge aus.
Foto: Andrea Damm / pixelio.de
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Torsten Buchholz

„Der zwar beschlossene, aber erst noch zu vollziehende Austritt von Großbritannien aus der EU sorgt auch im deutschen Güterkraftverkehrsgewerbe für große Verunsicherung“, erklärt Dr. Adolf Zobel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Großbritannien scheide damit in absehbarer Zeit definitiv aus dem EU-Binnenmarkt aus und werde aus Sicht der EU-Mitgliedsstaaten zu einem Drittstaat, mit dem die Spielregeln u.a. für Handelsbeziehungen erst neu festgelegt werden müssen. Vorbild könnten dabei beispielsweise die Vereinbarungen mit Nicht-EU-Staaten wie Norwegen oder mit der Schweiz sein. Was am Ende nach dem Übergangsprozess, der erst einmal auf zwei Jahre angelegt ist, herauskommt und ob es zu einschneidenden Handelseinschränkungen kommen wird, lasse sich heute noch gar nicht absehen. Zobel: „Für deutsche Güterkraftverkehrsunternehmen ist der grenzüberschreitende Verkehr mit Großbritannien von großer Bedeutung und in etwa vergleichbar mit Frankreich-Verkehren. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die sich auf Großbritannienverkehre spezialisiert haben. Für die wären solche Einschränkungen natürlich fatal.“

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) bedauert das Brexit-Votum und mahnt, die Errungenschaften des EU-Binnenmarktes jetzt nicht leichtfertig aufzugeben. „Nun kommt es darauf an, dass die Regierung in London den Willen ihrer Bürger in einer für alle Seiten möglichst verträglichen Weise umsetzt. Zugleich gilt es, den einen Dominoeffekt weiterer Austritte zu vermeiden und den Binnenmarkt auch in einer verkleinerten Union zu erhalten“ so DSLV-Präsident Mathias Krage. Immerhin verliere die EU mit dem Brexit knapp 20 Prozent ihrer Wirtschaftskraft und 13 Prozent ihrer Arbeitnehmer. Krage. „Der Handel mit Großbritannien wird auch nach einem Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt nicht einfach abbrechen und Speditionen werden Lösungen zu Überwindung neuer administrativer Hürden entwickeln. Wie sich das Preisgefüge und die Nachfrage nach logistischen Dienstleistungen entwickeln werden, steht heute noch in den Sternen. Es wird sicher nicht einfacher und höhere Logistikkosten sind nicht auszuschließen. “

„Aus Sicht der Mobilitätsbranche in Deutschland ist jetzt vor allen Dingen wichtig, besonnen zu handeln und möglichst schnell Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen“, fordert Ulrich Nußbaum, Präsidiumsvorsitzender Deutsches Verkehrsforum. Es sei klar, dass der Brexit gravierende Auswirkungen auf den gesamten Mobilitätssektor haben werde. Daher sollten die EU und das Vereinigte Königreich sich rasch an einen Tisch setzen und einen klaren Fahrplan für die künftigen Beziehungen festlegen. Nußbaum: „Für die Europäische Union bietet der Schock des Brexits aber auch eine Chance für einen Neustart und für tiefgreifende Reformen zum Wohl der Bürger und der Wirtschaft. Mehr Transparenz und Regulierung mit Augenmaß sind das Gebot der Stunde, um die Wirtschaftsunion als Ganzes im globalen Wettbewerb zu stärken.“

Ebenfalls sein Bedauern über den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU äußert Niedersachsen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Olaf Lies (SPD). Er halte die Entscheidung für einen „schweren, historischen Fehler“. Die Folgen für Europa seien überhaupt noch nicht absehbar. Lies: „Für mich gibt es keinen Zweifel, dass die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und dem übrigen Europa Schaden nehmen werden. Natürlich wird es auch negative Auswirkungen auf Deutschland und Niedersachsen haben, wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des Europäischen Binnenmarktes ist. Dessen Vorzüge werden sich nicht so schnell durch bilaterale Handelsabkommen ersetzen lassen.“

„Es muss alles getan werden, um den bislang ungehinderten Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen Großbritannien und den anderen EU-Ländern auch künftig zu ermöglichen“, so Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). „Auch wenn sich viele ‚Experten‘ mit Krisenszenarien gegenseitig übertreffen wollen – jetzt ist Besonnenheit gefordert.“Wissmann rechnet allerdings mit einer „Phase der Unsicherheit“, die für die Industrie alles andere als hilfreich sei. Dies gelte sowohl für die Finanz- und Devisenmärkte als auch für die Auswirkungen auf den Waren- und Dienstleistungsverkehr. Großbritannien sei für die deutsche Automobilindustrie das weltweit größte Exportland. Im vergangenen Jahr wurden 810.000 Pkw, die in Deutschland vom Band liefen, nach Großbritannien ausgeführt. Zudem produzierten die deutschen Automobilhersteller 2015 in Großbritannien rund 216.000 Pkw (plus 11 Prozent), im bisherigen Jahresverlauf gibt es ein Plus von neun Prozent. Mit rund 100 Standorten sind deutsche Automobilunternehmen, darunter sehr viele Zulieferer, in Großbritannien vertreten. Wissmann: „Nach einem EU-Austritt sollte niemand Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den internationalen Warenverkehr zu verteuern.“

Quellenhinweis Bilder (tlw.): Pixelio
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