Brennerkorridor: Bayern, Tirol und Südtirol schaffen eine erste Einigung

Auf der Festung Kufstein unterzeichnen die Landeshauptmänner Anton Mattle aus Tirol und Arno Kompatscher aus Südtirol sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine gemeinsame Erklärung. Ein Digitales Verkehrsmanagement soll die Blockabfertigung mittelfristig ablösen.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder setzt seine Unterschrift unter die gemeinsame Erklärung. (Land Tirol/Sedlak)
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder setzt seine Unterschrift unter die gemeinsame Erklärung. (Land Tirol/Sedlak)
Christine Harttmann

Einen ersten Teilerfolg im Streit um die Brennerroute vermelden die Landeshauptmänner Anton Mattle aus Tirol und Arno Kompatscher aus Südtirol sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Sie hatten sich gestern, am 12. April 2023, zu einem Spitzentreffen in der Festung Kufstein eingefunden. In einer gemeinsam unterzeichneten Erklärung kündigen sie nun an, ein digitales Verkehrsmanagementsystem am Brennerkorridor einführen zu wollen. Die Regierungschefs begrüßen außerdem die verstärkte Zusammenarbeit zwischen ihren Regionen.

„Mit dem intelligenten, digitalen Verkehrsmanagement haben wir einen gemeinsamen Standpunkt – nun sind die Nationalstaaten gefordert“, formulieren sie gemeinsam.

Die Erwartungen, die sie an das digitale Verkehrsmanagementsystem knüpfen sind hoch. Weniger Staus, mehr Verkehrs- und Versorgungssicherheit für Verkehrsteilnehmer und die Bevölkerung, weniger Zeitverzögerungen, bessere Planbarkeit im Sinne des freien Warenverkehrs und aufgrund von geringerem Stop-and-Go-Verkehr auch weniger Lärm-, Luftschadstoff- und Klimagasemissionen –von einem „Aufbruch“ ist die Rede.

Zeitfenster buchen

Geplant ist, dass eine bestimmte Zahl an Lkw zu bereits vorab gebuchten Zeitfenstern (Slots) den Brennerkorridor passieren dürfen. Die Kilometerlangen Lkw-Staus an den Grenzübergängen zu Tirol würden dann – zumindest in der Theorie – entfallen.

Bis zur Umsetzung des Plans ist es allerdings noch ein weiter Weg, auf dem die Landeshauptleute aus Tirol und Südtirol und der Ministerpräsident von Bayern gerade einen ersten kleinen Schritt getan haben. Sie haben sich auf eine 14-Punkte starke Erklärung zur Realisierung eines Verkehrsmanagementsystems geeinigt. Diese konkreten Vorschläge sollen nun an die Nationalstaaten Österreich, Italien und Deutschland herangetragen werden. Wien, Rom und Berlin entscheiden schließlich über die Umsetzung auf Basis eines dafür notwendigen Staatsvertrags.

Und weil es bis zur Umsetzung dieses Plans, den Mattle, Kompatscher und Söder als mittelfristige Lösung ansehen, noch steinig und weit sein dürfte, arbeiten die Landeschefs außerdem gemeinsam an kurzfristigen Maßnahmen, wie einem verbesserten Datenaustausch. Konkreter wurden sie hier allerdings nicht.

Neue Art der Zusammenarbeit

Langfristig, das betonte der Tiroler Landeshauptmann Mattle, müsse die Verkehrswende geschafft werden. Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene bleibe daher oberstes Ziel im Transitverkehr durch Tirol, Südtirol und Bayern. Mit Blick auf das Spitzentreffen in Kufstein sprach er von einem Meilenstein.

„Wir schlagen neue Töne an und arbeiten konstruktiv und gemeinsam an einer Lösung der Transitproblematik. Für uns hat der Schutz der Menschen entlang des gesamten Brennerkorridors oberste Priorität.“

Mit dem Vorstoß werde der Druck gegenüber Wien, Berlin und Rom erhöht, ist sich Mattle sicher.

„Wir wollen eine Lenkungsmaßnahme, die die Kapazitätsgrenzen des Brennerkorridors berücksichtigt. Mehr Sicherheit für alle, mehr Gesundheitsschutz für die Bevölkerung und bessere Planbarkeit für den Gütertransport – all dem, wird dieses System gerecht.“

Die Erklärung zur Einführung des Verkehrsmanagement-Systems mit buchbaren Slots fußt auf einer Machbarkeitsstudie, die Südtirol beauftragt hatte. Darin wurde die rechtliche und technische Machbarkeit eines digitalen grenzüberschreitenden Verkehrsmanagements geprüft.

„Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidungsträger am Brennerkorridor an den Verhandlungstisch zurückkehren.“

Mit diesem dringenden Appell traf der Südtiroler Landeshauptmann Kompatscher den Nagel direkt auf den Kopf getroffen. Viel zu lange verzichteten die betroffenen Länder aus konstruktive Gespräche und direkten Austausch zum Brenner-Korridor.

„Auch zwischen Bayern, Tirol und Südtirol waren wir nicht stets einer Meinung, aber in vertrauensvoller Zusammenarbeit konnten wir uns auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen“, beschrieb Kompatscher die SItuation.

Der Südtiroler hofft jetzt auf die Bereitschaft der staatlichen Ministerien, Verhandlungen über eine gemeinsame grenzüberschreitende Korridorpolitik zu führen. Schließlich führte er noch den Brenner Basistunnel ins Feld, als exemplarisches Beispiel, das zeige, was möglich sei, wenn alle an einem Strang ziehen.

Als „smartes Angebot zur Besserung der Verkehrssituation auf der Brenner-Transitachse“ bezeichnete schließlich Bayerns Ministerpräsident Söder die Vereinbarung:

„Wir wollen dauerhafte Entlastung für die Anwohner und gleichzeitig den Erhalt des Güteraustauschs.“

Der Bayer befürchtet einen Kollaps auf der Brenner-Route. Mit dem digitalen Verkehrsmanagement mit intelligenter Verkehrssteuerung will er diesen abwenden.

„Durch kostenfreie Zeitfenster-Slots könnte der Lkw-Verkehr länderübergreifend besser fließen und die Autobahn nicht überlasten. Das ist eine moderne Alternative zu Blockabfertigung und Durchfahrtsverboten.“

Mit ihrer Vereinbarung auf der Festung in Kufstein wollten die Regierungschefs der drei Länder den Startschuss zur Entwicklung eines solchen Systems geben. Nach langer Funkstille sendeten sie damit endlich einmal wieder gemeinsam.

„Jetzt müssen die Bundesregierungen handeln. Die zentrale Alpen-Verbindungsachse ist eine gesamteuropäische Aufgabe“, forderte Söder.

Technisch herausfordernd

In weiterer Folge soll nun ein Konzept zur technischen Umsetzung des Systems von Expertinnen und Experten erstellt werden. Stakeholder in allen drei Ländern sowie Frächter und Wirtschaftstreibende sollen dabei mitreden dürfen. Anschließend geht es um die Ausarbeitung eines trilateralen Staatsvertrags zwischen Österreich, Italien und Deutschland, dem alle Staaten zustimmen müssen.

Auch wenn sich Mattle durchaus darüber im Klaren ist, dass es die Nachbarländer vor Herausforderungen stellt, die Blockabfertigung an seinen Grenzen wird Tirol dennoch vorerst aufrechterhalten, denn:

„Unsere Notmaßnahmen, wie das Nachtfahrverbot und die Blockabfertigung, entlasten Straßen, Luft und Menschen in Tirol. Die Verkehrsbeschränkungen helfen, die Belastung für Bevölkerung und Umwelt zu verringern. Das wurde im unterzeichneten Positionspapier heute ebenso festgehalten.“

Verlagerung auf die Schiene als oberstes Ziel

Dass langfristig kein Weg an der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene vorbeiführt, auch darin waren sich die Regierungschefs einig. Die Zulaufstrecken zum Brenner Basistunnel, die Korridormaut und die Harmonisierung des Schienenverkehrs wurden diskutiert. Das Pilotprojekt „Brenner ohne Grenzen“, das von der Tiroler EU-Abgeordneten Barbara Thaler initiiert und von ihren Kollegen MEP Markus Ferber aus Bayern und MEP Herbert Dorfmann aus Südtirol unterstützt wurde, verstehen sie als Auftrag für einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum.

Der Schienenverkehr müsse so einfach wie der Straßenverkehr funktionieren. Dafür brauche es den Abbau nationaler Regeln und Betriebsvorschriften, so die gemeinsame Verlautbarung. Dazu zählen für die drei Regierungschefs beispielsweise: keine Bremstests beim Grenzübertritt oder eigens reservierte Slots für Güterzüge über den Brenner.

„Um die Attraktivität und vor allem die Kapazität der Schiene zu erhöhen, gibt es bereits jetzt einiges an Potential auf der Bestandsstrecke“, erklärt Kompatscher.

Bei den zuständigen Infrastrukturbetreibern setze man sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Zeit bis zur Inbetriebnahme des Brenner Basistunnels genutzt werde, um die Betriebsabläufe auf der Schiene grenzüberschreitend zu harmonisieren.

„Jegliche Harmonisierung, die nun angegangen wird, hilft anschließend schnellstmöglich die zusätzlichen Kapazitäten des Brenner-Basistunnel möglichst effizient zu nutzen“, so der Südtiroler Landeshauptmann abschließend.

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