Autonomes Fahren: AuRa-Projekt Magdeburg testet Lastenrad

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg will wissen, ob sich autonomes Fahren auch mit Lastenrädern realisieren lässt, mit einem breiten Spektrum an Anwendungen von Sharing bis Lieferdienst. Im Projekt „AuRa - Autonomes Rad“ testete man ein Fahrradverleihsystem. Das Anschlussprojekt soll die Dinge nun weiter vorantreiben - und auch die Marktreife der Robo-Cargobikes.

Und ab die Post: Wie autonome Lastenräder sich einsetzen lassen, erforscht aktuell ein Projekt in Magdeburg. | Foto: OVGU
Und ab die Post: Wie autonome Lastenräder sich einsetzen lassen, erforscht aktuell ein Projekt in Magdeburg. | Foto: OVGU
Daniela Sawary-Kohnen
(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Inwiefern Lastenräder auch autonom betrieben werden können, hatte die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg in einem dreijährigen Projekt untersucht. Das mit EU-Mitteln der EU und vom Land Sachsen-Anhalt mit mehr als vier Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt AuRa (Autonomes Rad) war Mitte September 2022 abgeschlossen, ein Folgeprojekt läuft nun bis Ende 2023. Daran beteiligt hatte sich ein interdisziplinäres Team von Studierenden und Wissenschaftler:innen aus den Bereichen Maschinenbau, Umweltpsychologie, Informatik und Logistik. Gebaut wurden auch fünf Prototypen die zeigen sollten, wie sich auch Lastenräder autonom und sicher bewegen lassen. Wie bei Automobilen waren die Bikes mit zahlreichen Sensoren und Aktoren ausgestattet, sind aber nach wie vor auch als Lastenräder nutzbar.

Im Ideal navigierte das autonome Rad auf Geh- und Radwegen zur gewünschten Position. Dies erfolgte in der SAE-Stufe 4, welches für automatisiertes Fahren definiert wurde als "vollautomatisiertes Fahren". Wenn das AuRa beim Nutzenden ist, wird es per App freigeschaltet und der Nutzende fährt manuell (in SAE-Stufe 0), unterstützt durch einen Elektromotor, wie mit einem E-Bike zum Ziel. Dort angekommen kann er das AuRa wieder entlassen und dieses fährt wieder autonom zum Folgeauftrag, skizzieren die Macher.  Die Orientierung erfolgt anhand der Radwege und selbstredend auf Basis der Straßenverkehrsordnung.

Wie beim autonomen Auto: Kamera und Lidar an Bord

Die Prototypen hatten bis September 2022 über 1.000 Kilometer auf Testfahrten in abgegrenzten Bereichen zurückgelegt, um Daten zu sammeln. Mit Kamera- und Lidarsensorik ausstaffiert, agierten die Bikes wirklich vollautonom. Zu den geprüften Szenarien gehörten etwa die Überquerung einer Straße, Hindernisse auf Fuß- oder Radwegen und Abbiegen an einer Kreuzung. Via Umfrage ermittelten die Forscher die Meinung von Passanten und potenziellen Nutzer:innen. Grundlagenarbeit wurde nicht nur mit der Konstruktion der autonomen Lastenräder, sondern auch mit der Begleitforschung zu betrieblichen, rechtlichen und psychologischen Fragen gelegt. So ergab etwa die Akzeptanzanalyse, unter anderem im Testlabor mittels 3-D-Modell des Stadtverkehrs in Magdeburg durchgeführt, dass die Menschen das Thema positiv sehen und ein Rad ohne Fahrer*in nicht als bedrohlich betrachten. Ein Logistikteam simulierte zudem, wie das neue Mobilitätsangebot in Magdeburg nutzbar gemacht werden könnte und wie sich verschiedene Betriebsmodi, Servicegebiete und Flottengrößen auf die Verfügbarkeit oder die Wirtschaftlichkeit auswirken.

 

Straßenzulassung kann noch dauern

Trotz der beachtlichen Erkenntisse könnte es aber noch dauern mit einer Straßenzulassung. Der Projektleiter Prof. Stephan Schmidt hält das System für bestenfalls in rund sieben Jahren außerhalt des Campus in der Stadt einsetzbar. Bedingung: Die Technik muss kleiner, leichter und kostengünstiger werden. Wie bei den Automobilen spielt auch die Rechtslage eine Rolle. Derzeit muss jederzeit noch ein Mensch eingreifen können. Magdeburgs Oberbürgermeisterin verwies auch, dass es in der Stadt derzeit noch nicht genug Parkflächen für Lastenräder gebe.

Anschlussprojekt: Autonome Mikromobile als Ziel

Immerhin gibt es eine Anschlussförderung aus Landesmitteln, vorerst bis Ende 2023. Sinnfälliger Name: AuRa Hirn. Denn die neue Projektphase hat die Entwicklung eines standardisierten „Hirns“ für die autonom fahrenden Räder zum Ziel. Außerdem will man den Einsatz und die Verwendung in der Logistik der letzten Meile untersuchen. Tom Assmann von der Universität peilt an, bald einen  Prototyp unter Realbedingungen im Magdeburger Stadtverkehr zu testen. Mit Unternehmenspartnern sollen die autonomen Lastenräder so schnell es geht zur Marktreife gedeihen.

Zum Hintergrund: Autonome Pkw sind eigentlich ungeeignet

Weltweit stünden Städte, besonders in Europa, unter enormen Wandlungsdruck. Urbane Räume müssten ihren Verkehr mittelfristig CO2-neutral gestalten, erläutern die Forschenden den Hintergrund des Anschlussprojekts. Neue Paradigmen, wie die 15-Minuten Stadt, verändern grundlegend die Art und Weise von Mobilität und wie öffentlicher Raum in Städten aufgeteilt wird, legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar. Im Ideal würden Straßen künftig von spielenden Kindern geprägt und zum Treffpunkt für Menschen, zudem auf die Bedürfnisse der "schwächeren" Verkehrsteilnehmer*innen hin gestaltet. Beispiele wie Begegnungszonen in Deutschland, Superblocks in Barcelona, autofreie Innenstadt in Madrid, 70 Prozent Radanteil in Groningen zeigten eindeutig: Die Entwicklung zur Straße für Menschen findet statt. E-Scooter, Hoverboards, boomender e-Bike Absatz und jährlich sich verdoppelnde Verkaufszahlen von Lastenrädern machen deutlich, dass Verkehr in Städten zukünftig deutlich digitaler und mikromobiler sein wird, plädieren die Forschenden um Assmann.

"Die aktuell entwickelten autonomen PKW und ihre konventionellen Ansätze zur Umsetzung des autonomen Fahrens sind für diese Zukunft von Stadt nicht geeignet. PKW und Robotaxis sind dafür schlicht zu groß, zu schwer, zu sperrig. Die Fahrtplanungsmechanismen gehen bisher von (leeren) Fahrbahnen mit strikter Spurtrennung und gerichtetem Verkehr aus, auf denen Fußgänger*innen Störobjekte statt gleichberechtigte Verkehrsteilnehmende sind. Damit führen aktuelle Ansätze zum Frozen Robot Problem - Autonome PKW bleiben in unstrukturierten Verkehrsräumen stehen und bewegen sich nicht oder nur sehr schwer vorwärts", skizzierten die Forscher die Ausgangslage.

Für Mikromobile, die sich an die Straße für Menschen durch deutlich geringere Masse, Geschwindigkeit und Größe besser anpassen können, gebe es jedoch bisher keine adäquaten Lösungen. Dazu wollte man mit dem Projekt beitragen. Die Lösung bestehe in autonomen Fahrfunktionen, die für friedliche Koexistenz und risikominimierte Fahrweise ausgelegt sind.

"Das AuRa-Hirn bildet diese ab und lässt sich als Modul auf verschiedene Mikromobilen setzen, die damit autonom in unstrukturierten Verkehrsräumen fahren können. Damit wird die universelle Autonomisierungslösung für den Wachstumsmarkt der Mikromobilität geschaffen", skizzieren die Forschenden.

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