„Arbeitgeber müssen ihr Direktionsrecht behalten“
Die Bundesregierung hat die Arbeitgeber per Verordnung aufgefordert, ihre Beschäftigten – wo immer dies möglich ist – von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Ist das ein Schritt zum viel diskutierten gesetzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Homeoffice?
Markus Suchert: Eindeutig nein – weder aus rechtlicher noch aus rechtssystematischer Sicht! Die Corona-Arbeitsschutzverordnung ist zunächst eine bis zum 15. März 2021 befristete Verordnung der Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung, die davon ausgeht, dass das allgemeine Infektionsgeschehen nach wie vor auch am Arbeitsplatz beschleunigt werden kann. Diese Verordnung definiert Pflichten für Arbeitgeber und enthält arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen, dient also primär dem Beschäftigtenschutz am Arbeitsplatz. Sie ist abzugrenzen vom umstrittenen ‚Mobile-Arbeit-Gesetz‘ des Bundesarbeitsministeriums, das die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben oder – wie es im Gesetzesentwurf sehr abstrakt formuliert heißt – die „Begleitung eines strukturellen Wandels“ durch eine Stärkung von Arbeitnehmerrechten fördern will.
Wie verbreitet sind Homeoffice-Lösungen derzeit in der Logistik und helfen sie bei der Pandemiebekämpfung?Markus Suchert: Die Beschränkung von Kontakten an der Arbeitsstätte trägt zur Pandemiebekämpfung bei. Aber auch dort, wo Menschen zwingend vor Ort zusammenarbeiten müssen, haben Logistikunternehmen in beeindruckender Geschwindigkeit wirksame Hygienekonzepte umgesetzt. Zusätzlich schaffen Unternehmen immer mehr Homeoffice-Lösungen. Sicher gibt es immer noch Potenzial, doch sowohl Unternehmen als auch ihre Beschäftigten erkennen die organisatorischen und technischen Grenzen der Dezentralisierung und der Digitalisierung ihrer Prozesse. Kaufmännische Angestellte und strategisch arbeitendes Personal können vielfach mobil arbeiten, gewerbliche Mitarbeiter in der Regel nicht. Non Asset-Speditionen können deshalb anders reagieren als Speditionshäuser mit eigenen Logistikanlagen und Fuhrparks. Das sind alles betriebsindividuelle Betrachtungen, für die es keine generelle und schon gar keine allgemeingültige gesetzliche Lösung geben kann.
Was spricht gegen ein gesetzlich zugesichertes Recht für Arbeitnehmer auf Homeoffice?
Markus Suchert: Homeoffice ist weder eine Erfindung des Bundesarbeitsministers noch der Arbeitnehmer-vertretungen. Mitarbeiter auf eigenen Wunsch fall- oder phasenweise von Zuhause aus arbeiten zu lassen, sollten freie Organisations- und Personalmanagement-Entscheidungen der Firmen bleiben, die dazu dienen, individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenzukommen. Diese müssen natürlich mit den Arbeitsprozessen des Unternehmens abgestimmt werden. Deshalb müssen Unternehmen weiterhin flexibel über die Ausgestaltung ihrer betrieblichen Abläufe entscheiden können. Arbeitgeber müssen ihr Direktionsrecht behalten, mit dem sie im Rahmen gesetzlicher und vertraglicher Regelungen über Einsatzort und -dauer ihrer Beschäftigten Handhabe behalten. Dies schließt individuelle Vereinbarungen über mobiles Arbeiten ein. Ein Gesetz, das hingegen ein Recht auf Homeoffice aus Arbeitnehmer-sicht verbrieft, wäre ein noch tieferer Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als die Corona-Arbeitsschutzverordnung, der über die Pandemie hinaus fortwirken würde.
An welchen Stellen des ‚Mobile Arbeit‘-Gesetzes sehen Sie die größten Hürden?
Markus Suchert: Noch ist es kein Gesetz – die Große Koalition ist sich ja selbst noch nicht einig, ob und in welcher Form sie ein Gesetz in den Bundestag einbringen will. Der jüngste Entwurf wurde zwar entschärft, er sieht aber immer noch einen so genannten Erörterungsanspruch für Arbeitnehmer vor. Danach sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, Anträge ihrer Beschäftigten auf Homeoffice sorgfältig zu prüfen. Sollte der Arbeitgeber nicht zustimmen, muss er dies innerhalb einer vorgegebenen Frist schriftlich begründen. Damit geht der Gesetzgeber faktisch von Homeoffice als Regelfall aus, und der Arbeitgeber muss Gründe liefern, weshalb er die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb für zwingend erforderlich hält – praktisch also eine Umkehr der Beweislast! Der damit verbundene bürokratische Aufwand ist nicht hinnehmbar. Und was vielen ebenfalls nicht klar ist: Ein Gesetz über mobile Arbeit muss auch präzise Arbeits- und Datenschutzmaß-nahmen am Ort der Arbeit außerhalb des Betriebes regeln, Aspekte der IT-Sicherheit berücksichtigen, dem Arbeitgeber ein Betretungsrecht einräumen und vieles mehr. Die Umsetzung ist finanziell aufwändig und entspricht dennoch nicht unbedingt immer den Interessen des Arbeitnehmers.
Welche Erwartungen haben die Arbeitgeber der Logistikbranche stattdessen an den Gesetzge-ber? Was kann, was sollte der Gesetzgeber noch regeln?
Markus Suchert: Selbstverständlich müssen wir gemeinsam Arbeitsprozesse modernisieren und dem gesellschaftlichen Wandel anpassen. Die Frage, inwiefern ein Arbeitnehmer seine Arbeit in gleicher Qualität von Zuhause aus erledigen kann, ist aber weiterhin allein zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auszuhandeln. Dies kann nur Gegenstand betrieblicher, bestenfalls tariflicher Vereinbarungen sein, hierfür gibt es keinen staatlichen Regelungsbedarf. Dem Gesetzgeber wird es ohnehin nicht gelingen, die aktuellen Homeoffice-Erfahrungen in ein stringentes Gesetz zu gießen, ohne das Korsett einseitig zu eng zu schnüren. Räumliche Flexibilität ist auch nicht allein entscheidend für den nächsten Schritt in die digitale Arbeitswelt. Viel wichtiger wäre es, das viel zu starre Arbeitszeitgesetz zu lockern. Die Möglichkeit, die individuelle Lebenssituation eines Mitarbeiters durch flexiblere Arbeitszeiten mit dem betrieblichen Arbeitsaufwand zu synchronisieren, würde beiden Seiten helfen. Vor allem hier muss der Gesetzgeber aktiv werden!
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