Ampelkoalition: Streit um Planungsbeschleunigung

In der Ampelkoalition ist neuer Streit entbrannt über die Umsetzung der Planungsbeschleunigung im Verkehrssektor. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll sie klimafreundliche Projekte und Erhalt priorisieren. Doch die FDP stellt sich quer - und Minister Wissing sieht Autobahnneubauten im Zuge der E-Mobilität als "umweltfreundlich". Steffi Lemke befindet, Vorfahrt für Alles bringt nichts. Wieder ein Patt.

Schiene vor Straße: Verkehrsminister Wissing will alles priorisieren und sämtliche Planungen beschleunigen. Die Grünen wollen Vorfahrt für Erhalt der Straßeninfrastruktur und für klimafreundliches Verkehr. | Foto: DB
Schiene vor Straße: Verkehrsminister Wissing will alles priorisieren und sämtliche Planungen beschleunigen. Die Grünen wollen Vorfahrt für Erhalt der Straßeninfrastruktur und für klimafreundliches Verkehr. | Foto: DB
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

In der Ampelkoalition ist ein neuer Streit beim umstrittenen Thema Verkehr entbrannt, der sich um das vorgelegte Planungsbeschleunigungsgesetz dreht und trotz einer dreistündigen Sitzung der beteiligten Ministerium Verkehr und Umwelt mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag ohne Ergebnis blieb. Mit dem Gesetz sollen Verkehrsvorhaben schneller realisiert werden. Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dabei Schiene vor Straße und den Erhalt vor dem Neubau zu priorisieren. Im Wortlaut heißt es:

"Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur müssen weiter erhöht und langfristig abgesichert werden. Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen. Bei den Bundesfernstraßen wollen wir einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung legen, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke. Dazu werden wir den Anteil der Erhaltungsmittel bis 2025 bei wachsendem Etat schrittweise erhöhen".

Auch von einer eigenen Beschleunigungskommission Schiene ist wenig später die Rede. Doch davon will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) jetzt offenbar nichts mehr wissen. Er findet, auch Flughäfen, Wassserstraßen und der Aus- und Neubau von Autobahnen gehöre beschleunigt, "um auch der herausragenden Bedeutung einer leistungsfähigen Fernstraßeninfrastruktur für das Gemeinwohl gerecht zu werden", wie es in dem Entwurf zum Planungsbeschleunigungsgesetz, der dem Spiegel vorlag, heißt. Wissing listet nicht weniger als 46 Straßenbauvorhaben auf, Neubauten wie die höchst umstrittene Verlängerung der A100 in Berlin oder den Aus- und Weiterbau der A20 in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Wissing: Mit der E-Mobilität wird der Verkehr umweltfreundlich

Und insistiert, mit der Elektrifizierung des Autos werde der Verkehr "dekarbonisiert", weshalb Autobahnneubauten auch nicht mehr in Kontrast zum Klimaschutz stehen würden. Bei der Planungsbeschleunigung gehe es nicht um eine Priorisierung nach Verkehrsträgern, sondern einzig um schnellere Planung. Das FDP-Präsidium stärkte Wissing prompt den Rücken, man wolle die Planungs- und Genehmigungsdauer für alle Verkehrsprojekte mindestens halbieren, gab FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zu Protokoll. Nur mit einem "leistungsfähigen Straßen-, Schienen, Wasserstraßen- und Radwegenetz können wir Investitionen schnell auf die Strecke bringen und den individuellen Mobilitätsbedürfnissen der Gesellschaft Rechnung tragen", so der FDP-General weiter. Er verweist auf die Prognosen des Bundesamts für Güterverkehr, das für 2024 weitere Zuwächse des Transportaufkommens auf der Straße vorhersagt.

"Nicht nachvollziehbar": Grüne pochen auf Koalitionsvertrag und Prioritäten

Der Grüne Koalitionspartner sieht das komplett anders, findet den Beschluss des FDP-Präsidiums "nicht nachvollziehbar" und pocht schlicht auf den Koalitionsvertrag. Umweltministerin Steffi Lemke will daher eine Priorisierung für Schienenprojekte und "einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke" legen, wie es heißt. Lemke äußert zudem die Befürchtung, dass die Planungsbehörden endgültig überlastet wären, wenn Straßenbau auch noch priorisiert würde. Wer alles beschleunigt, beschleunigt am Ende nichts, so die Argumentation. "Es ist völlig unstrittig, dass die Reparatur und der Ersatz von Brücken schneller vonstatten gehen muss. Aber das ist etwas ganz anderes als der Autobahnneubau", verwies Lemke gegenüber der Süddeutschen Zeitung den Ministerkollegen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

"Bei besonders prioritären Vorhaben soll der Bund künftig nach dem Vorbild des Bundesimmissionsschutzgesetzes kurze Fristen zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vorsehen. Wir wollen große und besonders bedeutsame Infrastrukturmaßnahmen auch im Wege zulässiger und unionsrechtskonformer Legalplanung beschleunigt auf den Weg bringen und mit hoher politischer Priorität umsetzen. Unter solchen Infrastrukturmaßnahmen verstehen wir systemrelevante Bahnstrecken, Stromtrassen und Ingenieursbauwerke (z. B. kritische Brücken)".

Sogar welche das seien sollten, hatten die Koalitionäre festgehalten: "Beginnen werden wir mit Schienenprojekten aus dem Deutschlandtakt dem Ausbau/Neubau der Bahnstrecken Hamm-Hannover-Berlin, Korridor Mittelrhein, Hanau-Würzburg/Fulda-Erfurt, München-Kiefersfelden-Grenze D/A, Karlsruhe-Basel, „Optimiertes Alpha E+“, Ostkorridor Süd, Nürnberg-Reichenbach/Grenze D-CZ, die Knoten Hamburg, Frankfurt, Köln, Mannheim und München sowie mit für die Energiewende zentralen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen SüdLink, SüdOstLink und Ultranet".

Vorfahrt für Transformationsprojekte

In einem Beschluss des Kabinetts vom Juni, aus dem ebenfalls die SZ zitiert, ist zudem von einer Einschränkung möglicher Vorhaben die Rede. Im Mittelpunkt sollten Projekte stehen, die der Transformation zur Klimaneutralität dienten und darüber hinaus "Investitionen in den Erhalt oder den Ersatzneubau von Schienen, Brücken und Straßen". Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Stefan Gelbhaar betonte, "Klima- und Umweltschutzstandards hätten gute Gründe" und Ausnahmen für klimaschädliche Infrastruktur seien "unlogisch". Auch von der SPD kam Widerspruch an Wissing, der allerdings offenbar auch die Unterstützung von Kanzler Olaf Scholz hat:

"Wir können nicht alle Verkehrsträger auf lange Sicht gleich betrachten, wenn wir jemals unsere Klimaziele erreichen wollen. Neue Autobahnen sollten definitiv nicht von beschleunigten Verfahren profitieren", erklärte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller dagegen.

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